Brugg besass schon viele Brücken – aus Holz und aus Stein. Aber keine war so lang, so breit und so teuer wie die 1980 eingeweihte moderne Hohlkastenbrücke aus Stahlbeton, die zusammen mit einem Tunnel den Verkehr um die Altstadt leitet. Die beiden nunmehr 45-jährigen Bauwerke der Mittleren Umfahrung haben ihren ersten Existenzzyklus erreicht. Nun sollen sie so nachgerüstet werden, dass sie für weitere 50 Jahre genutzt werden können. Dafür bewilligte der Regierungsrat einen Kredit von 13,6 Millionen Franken. Das sind fast vier Fünftel dessen, was die seinerzeitige Erstellung gekostet hat. Die Instandsetzung bezahlt der Kanton. 2027 soll die einjährige Sanierung beginnen.
Umfassende Sanierung
Der 205 Meter lange Tunnel Rosengarten vom Neumarktknoten bis ans Aareufer müsse den aktuellen Sicherheitsanforderungen angepasst werden, schreibt die Regierung in einer Medienmitteilung. Und auf der ungefähr 220 Meter langen, leicht gebogenen Casinobrücke werden die Randsteine, die Abdichtung, der Gussasphaltbelag und die Dehnprofile der Fahrbahnübergänge ersetzt. Auch alle Fehlstellen an der Brückenkonstruktion, den Widerlagerkästen und den Pfeilern werden instand gesetzt sowie der Korrosionsschutz an den Geländern und Schachtrosten erneuert. Das gesammelte Wasser des Rosengartentunnels wird über eine Pumpleitung durch das Hohlkastenprofil der Brücke zum nördlichen Widerlager geleitet. Dort entsteht ein neues Absetz- und Rückhaltefilterwerk zur Schmutzwasserbehandlung.
Ein Akt der Selbsthilfe
Der Bau der Mittleren Umfahrung in den 1980er-Jahren war für Brugg ein Akt der Selbsthilfe. Die Altstadt drohte in einer Verkehrslawine zu ersticken. Durch die Hauptstrasse wälzte sich neben dem Lokal- auch der Transitverkehr Basel–Zürich. Mit der Eröffnung der Autobahn A3 von Basel bis Frick verschärfte sich die Situation, weil die Schliessung der Nationalstrassenlücke Fricktal–Birrfeld wegen der umstrittenen Linienführung noch mehrere Jahre auf sich warten liess. Der Verkehr floss über den Bözberg direkt in die Stadt. Brugg sah sich buchstäblich in die Lückenbüsserrolle gezwängt.
In dieser Notsituation griff der Bezirkshauptort zur Selbsthilfe. Zusammen mit Windisch wurden Lösungen gesucht. Es kristallisierten sich drei Varianten heraus. Erstens eine Grosse Umfahrung, die ab dem Knoten Bachtalen den Königsfelder Park und den Geissenschachen tangiert hätten – also Windischer Gebiet, was die Nachbargemeinde ablehnte. Zweitens eine Kleine Umfahrung, die den Verkehr via Schulthess-Allee, am Rand der Altstadt vorbei, über eine neue Brücke zur Casinokreuzung gelenkt hätte.
Diese Idee des damaligen Stadtammanns Hans Peter Howald wäre zwar ohne Windischs «Dreingeschnorr» möglich gewesen, hätte aber dem Zentrum Brugg keine wirkliche Verkehrsentlastung gebracht. Dann entwickelte der Verkehrsplaner Rolf Gipser vom Ingenieurbüro Walter, drittens, die Idee der Mittleren Umfahrung, die geografisch «in der Mitte» zwischen Grosser und Kleinen Umfahrung lag. Sie entsprach bereits dem späteren Trasse vom Neumarkt- bis zum Casinoknoten, sah aber noch keinen Tunnel vor.
«Ein Meisterstück»
Stadtammann Howald, zugleich Leiter der Abteilung Verkehrsplanung im Departement Bau, Verkehr und Umwelt, liess sich schliesslich von Rolf Gipsers besserem Vorschlag überzeugen und trieb das Projekt zusammen mit seinem Chef, Kantonsingenieur Alfred Erne, tatkräftig voran. Zur Schonung der Umwelt, des Wohngebiets und ebenso des Friedhofs wurde die Strasse vom Neumarktknoten bis ans Aareufer in einen Tunnel verlegt. Der Einwohnerrat und die Brugger Stimmberechtigten hiessen das grösste Verkehrsvorhaben in der Geschichte der Stadt gut. Von 1978 bis 1980 wurde gebaut: Die Bauleitung lag beim geistigen Vater des Projekts, Rolf Gipser.
Mit einem Festakt und einem Tunnelfest weihte man die Umfahrung im September 1980 ein. Baudirektor Jörg Ursprung dankte den Bürgern, die ihr Land zur Verfügung gestellt hatten, und der Stadtammann bezeichnete das zügig erstellte Werk als ein Meisterstück im Projektmanagement. Dann strömte das Volk in den Tunnel, wo die Vereine Gaststätte an Gaststätte aufgebaut hatten und auf einer improvisierten Bühne das Publikum mit Darbietungen unterhielten. Zwei Monate später rollte der Verkehr reibungslos über die Umfahrung. Deren Wirkung zeigte sich sofort: In der verkehrsfreien Altstadt konnte sich im November der Martinimarkt auf der Hauptstrasse entfalten.
Vorhaben noch und noch
Es ist schlicht undenkbar, wie Bruggs Stadtzentrum ohne die Mittlere Umfahrung den zunehmenden Verkehrsstrom seit 1980 ertragen hätte. Insofern erfüllte sich Hans Peter Howalds Prophezeiung: «Was fälschlicherweise nur als Notbehelf bis zum Bau der Autobahn A3 betrachtet wurde, wird sich als einzig richtige Lösung herausstellen». Die von der Umfahrung erhoffte Entfaltung der verkehrsfreien Altstadt lässt zwar bis heute Wünsche offen, weil die Stadt und die Geschäfte für die neue Situation kein rechtzeitiges Konzept besassen.
Auch die Casinobrücke und der Rosengartentunnel kommen mittlerweile selbst an ihren Anschlag – nicht wegen des Ost-West-Transitverkehrs, der nach wie vor hauptsächlich von der A3 aufgefangen wird, sondern zunehmend wegen des Nord-Süd-Verkehrs vom unteren Aaretal in Richtung Mittelland. Dafür entwickelt der Kanton ein nächstes regionales Gesamtverkehrskonzept Ostaargau (Oase). Jetzt rückt jedoch zuerst die Nachrüstung der Mittleren Umfahrung ins Blickfeld. Und ausserdem gibt es noch die seit Jahren anstehende Sanierung der Kantonsstrasse in der Brugger Vorstadt und am Baslerstich. Sie wird neuerdings durch ein Verwaltungsgerichtsurteil (vgl. «General-Anzeiger» vom 13. März) weiter verzögert. Am Schluss wird sie kaum mehr vor der Instandsetzung der Mittleren Umfahrung in Angriff genommen werden können.