Dättwil – «Seit rund einem Monat spricht alles (fast) nur noch vom neuen Gebäude des Kantonsspitals Baden (KSB). Ja, der für 600 Millionen Franken erstellte Neubau imponiert und läutet am KSB eine neue Ära ein. Dafür sollst du, altes KSB, bald dem Erdboden gleichgemacht werden. Zwar hat sich im Herbst 2024 eine Gruppe zu deinem Erhalt formiert. Ob diese erfolgreich ist, ist aber fraglich.
Die Aussicht, dass du bald nicht mehr sein könntest, erfüllt mich mit Wehmut, ja Trauer. Denn mein ganzes Leben schon begleitest du mich. Beide haben wir 1978 das Licht der Welt erblickt. Ich wuchs in Birmenstorf auf, du warst quasi seit meiner frühesten Kindheit in meinem Sichtfeld. Es war jeweils nicht mehr weit bis nach Hause, hatten wir erst einmal die Autobahnausfahrt beim KSB genommen. Bei meinem ersten Wohnwechsel im Alter von elf Jahren kam ich dir noch näher, wir zogen nach Dättwil. Ich erinnere mich gut, wie ich ein paar Jahre später am Spitalkiosk Magazine erwarb – ich war damals etwa 16 Jahre alt, und es gab noch kein Internet.
Dann, im Alter von 23 Jahren, absolvierte ich einen Zivildiensteinsatz in der Spitalküche. Der Küchenchef war ein richtiges …, du weisst schon. Er schikanierte nicht nur die Angestellten, sondern auch mich. Als ich mich nach zwei Wochen beim KSB-Personalchef beschwerte, hiess es nur: ‹Herr Rupf, Sie haben den Dienst am Vaterland verweigert, und jetzt beschweren Sie sich auch noch?!› Damit war die Diskussion beendet, und ich verbrachte die nächsten knapp zwei Monate mehrheitlich an der grossen Geschirrspülmaschine, obwohl man mir eigentlich ‹richtige› Küchenarbeit in Aussicht gestellt hatte. Es war gleichwohl eine wertvolle Erfahrung. Ich konnte die Küche nach zwei Monaten wieder verlassen. Das war den Küchenangestellten nicht vergönnt.
Auch als Journalist ging ich immer wieder bei dir ein und aus. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine rührende Patientenweihnachtsfeier oder an eine spannende Reportage während einer Operation. Ebenso bleibt mir ein Treffen mit einer KSB-Mitarbeiterin in Erinnerung. Sie hatte ihren Sohn bei einem Töffunfall beim Restaurant Täfern in Dättwil verloren.
Vor allem aber warst du natürlich ‹unser› Spital, mit dem ich schöne, lustige und schmerzhafte Erinnerungen verbinde. Weisst du noch? Einmal war mein Vater im Spital. Er war in einem Zimmer mit drei weiteren Männern mit Migrationshintergrund, wie man so schön sagt. Er hat sich fürchterlich über die ‹Sippen› aufgeregt, die täglich im Zimmer ein und aus gingen. 2008 erwischte es dann mich. Ich hatte einen Pneumothorax: ein Loch in der Lunge. Kaum im Notfall: ‹Herr Doktor, können Sie bitte vorwärtsmachen, ich habe heute Abend noch eine Verpflichtung.› Der Arzt: ‹Sie gehen heute nirgends mehr hin, die Situation hätte lebensgefährlich werden können.›
Du hast mir im Dezember 2012 aber auch einen meiner schönsten Momente im Leben beschert. Nach über zwölf Stunden Händchenhalten und Mutzusprechen brachte meine Frau unser erstes Kind zur Welt. Nie vergesse ich, wie ich mich nach der Geburt ins Auto setzte und als frischgebackener Vater nach Hause fuhr, durchströmt von Glücksgefühlen, wie ich sie bis anhin noch nie erlebt hatte. Später kam dann noch eine kleine Tochter und Schwester hinzu. Im Alter von wenigen Monaten fing sie einen fiesen Virus ein und musste ein paar Nächte mit Schläuchen in der Nase bei dir verbringen. Was habe ich damals mitgelitten, meine Tochter so hilflos leiden zu sehen. Natürlich suchten wir mit unseren Kindern immer mal wieder den Kindernotfall auf. Und nicht immer waren sie schuld daran. Einmal kippte eine Wärmelampe beim Wickeln auf die Hand unseres Sohnes und hinterliess auf einem Finger eine üble Brandwunde – Rabeneltern!
Kurzum: Du bist weit mehr als nur ein Gebäude für mich. Solltest du dereinst tatsächlich abgerissen werden, wirst du nicht nur in der Landschaft eine grosse Lücke hinterlassen, sondern auch in meinem Herzen. Danke, dass du mir während all der Jahre stets ein treuer Begleiter warst. Danke für die vielen schönen Erinnerungen.»