Baden – Im Beautystudio von Beatrice Reinhart-Hausherr wirkt alles schön, hell und leicht. Im Gespräch mit der Kosmetikerin zeigt sich jedoch bald, dass sie ebenso gut mit dem Unschönen und dem Schweren umgehen kann. Mit den Nebenwirkungen einer Chemotherapie kennt sie sich aus: Wunde Hautstellen, Rötungen, Akne, Schwellungen, Blasen, verfärbte und brüchige Nägel, taube Fingerspitzen zählt sie auf.
Reinhart-Hausherr hat vor sieben Jahren ihre Mutter und vor vier Jahren ihren Vater verloren. Beide hatten Krebs. Gemeinsam mit ihren Brüdern begleitete sie die Eltern bis zum Schluss. «Als die Chemotherapie meiner Mutter fortgeschritten war, konnte ich sie manchmal kaum anfassen, weil alles schmerzte. Ich hätte mir sehr gewünscht, ihre Beschwerden lindern zu können», erzählt die erfahrene Berufsfrau, die seit 27 Jahren in Baden ihr Geschäft betreibt. Im Spital habe man ihr zu Quarkwickeln geraten. «Das kühlt zwar, hilft aber nur begrenzt», sagt Reinhart-Hausherr. Der Hausarzt konnte auch nicht weiterhelfen. Und von den kontaktierten Kosmetikfirmen hatte keine spezifische Produkte im Sortiment.
Einfühlsame Behandlung
Als für 2022 eine Weiterbildung in onkologischer Kosmetik ausgeschrieben war, war für Reinhart-Hausherr sofort klar, dass sie das machen würde: «Es ist eine Herzensaufgabe.» Das Konzept stammt aus Deutschland und ist hierzulande noch wenig verbreitet. Es zielt darauf ab, Chemotherapieschäden zu lindern, also Vergiftungsprozesse positiv zu beeinflussen und die Heilung zu beschleunigen. Bei Rötungen werden kühlende Kompressen verwendet, gegen Schwellungen an den Händen kommen Kühlhandschuhe und Massagen zum Einsatz. Mit Cremepackungen wird aufgesprungene Haut «verschlossen». Gegen Verfärbungen der Nägel wirkt ein Serum, bei Brüchigkeit hilft ein Nagelhärter, der Verbindungen herstellt, damit das Gewebe wieder zusammenwachsen kann. Schlecht heilende Narben nach einer Brustentfernung werden mit Feuchtigkeitswickeln beruhigt.
«Ganz wichtig ist aber die Zuwendung, welche die Betroffenen bekommen», sagt Reinhart-Hausherr. «Oft zieht sich ein Teil des Umfelds bei einer Krebserkrankung zurück, weil die Leute nicht wissen, wie man mit der Person umgehen soll.» Dabei brauche jeder Mensch Aufmerksamkeit und Berührungen, gerade während belastender Therapien. Zur onkologischen Kosmetik gehören deshalb Effleuragen (feine Massagen) und eine Atmosphäre, in der man sich seelisch entspannen kann. «Ich möchte durch positive Momente auch die Psyche aufbauen», erklärt die Niederrohrdorferin. Damit sich niemand ausgestellt fühle, werde sie die onkologischen Behandlungen an einem Tag anbieten, an dem wenige oder keine anderen Kundinnen da seien. Das erleichtere ausserdem die Einhaltung der Hygienestandards, die in diesem Bereich besonders wichtig seien.
Hemmschwellen überwinden
Im privaten Rahmen hat sie ihr neues Wissen schon erfolgreich angewendet. Auch Produkte zur Selbstanwendung, die Entzündungsprozesse reduzieren, sind beliebt. Nun hofft sie, dass sich andere Erkrankte ebenfalls getrauen, ihre onkologische Behandlung in Anspruch zu nehmen. Oft werde sie nämlich falsch eingeschätzt. «Manche schliessen von einem gepflegten Äusseren auf Oberflächlichkeit, andere lassen sich von meiner aufgestellten Art täuschen», sagt Reinhart-Hausherr. So habe kürzlich eine Kundin, die zum ersten Mal bei ihr war, nach dem Termin erstaunt gesagt: «Sie sind ja eine ganz liebe, einfühlsame Frau.» Der soziale Aspekt ihrer Arbeit ist ihr so wichtig wie das kosmetische Resultat. «Wahrscheinlich gehen mir viele Geschichten eher zu nahe, ich kann mich schlecht abgrenzen.» Vielleicht ist gerade das die Voraussetzung, um Behandlungen für Menschen anbieten zu können, die gerade eine Chemotherapie durchmachen.