Erfahren, was ein Piwi oder ein Terroir ist

Am 1. Mai – und am Wochenende vom 3. und 4. Mai – halten 34 Aargauer Weingüter und Weinbaugenossenschaften ihre Kellertüren offen.
Einmal mehr steht am 1.  Mai – bei vielen Winzerinnen und Winzern zusätzlich am Wochenende vom 3. und 4. Mai – der Tag der offenen Weinkeller bevor. 3 der insgesamt 34 Weingüter und Weinbaugenossenschaften, die an diesem Event teilnehmen, stellen sich heute in Porträts vor. (Bild: bkr)

Remigen | Tegerfelden | Wettingen – Rebhänge prägen das Bild der Aargauer Weinbaudörfer. Welche Traubensorten hier wachsen, welche Weine gekeltert werden und wie sie munden: Der Tag der offenen Weinkeller ist eine Möglichkeit, um ins Gespräch mit den Winzerinnen und Winzern zu kommen und den einen oder anderen Tropfen zu probieren. Seit Jahren findet dieser Tag gesamtschweizerisch am 1. Mai statt – in vielen Betrieben zusätzlich am Wochenende vom 3. und 4. Mai. Im Aargau ­beteiligen sich 34 Weingüter und Weinbaugenossenschaften. Zu finden sind sie vorwiegend im Osten des ­Kantons mit seinen privilegierten Weinlagen. Die offenen Weinkeller­türen sind nicht nur ein Ziel für Weinliebhaberinnen und Weinliebhaber, sondern sind ebenso eine ideale Gelegenheit für einen Familienausflug: Sei es zu Fuss, mit dem Velo oder den öffentlichen Verkehrsmitteln – die Weinproduzentinnen und -produzenten sind leicht zu erreichen.

Jubiläum in Remigen
Zu jenen Winzern, die mitmachen, gehört Bruno Hartmann aus Remigen. Der ausgebildete Winzermeister und Weintechnologe hat vor exakt 40 Jahren den elterlichen Bauernhof von Milchwirtschaft und Ackerbau auf Weinbau umgestellt. Inzwischen ist das Weingut von Bruno und Ruth Hartmann-Saladin mit 16 Hektar Rebfläche – das sind rund 24 Fussballfelder – eines der grössten im Aargau. Seit jeher ist es das Ziel der Hartmanns, Spitzenweine im Einklang mit der Natur zu produzieren. «Für uns hat der Rebberg als Lebensraum eine grosse Bedeutung», sagt Bruno Hartmann. So sind seine Hänge «eine ­Naturwiese mit einer Ansammlung von Rebstöcken – eine Mischkultur, die ein intaktes Zusammenspiel der Pflanzen und der Tierwelt garantiert». In diesen Kontext gehören Hartmanns Weinbergpfirsiche. 50 Bäume dieser raren Pfirsichsorte hat er neben anderem Gehölz gepflanzt.

Bruno und Ruth Hartmann aus Remigen verbinden den diesjährigen Anlass der offenen Weinkeller mit einem Jubiläumsfest. Vor exakt 40 Jahren haben sie den elterlichen Bauernhof von Milchwirtschaft und Ackerbau auf Weinbau umgestellt. (Bild: bkr)

Tradition ist Hartmann wichtig – die Zukunft des Rebbaus sieht er jedoch auch in neuen roten und weissen pilzresistenten Rebsorten, den sogenannten Piwi. So kann der schon heute auf ein Minimum reduzierte Einsatz von Spritzmitteln noch weiter verringert werden. Für Bruno Hartmann ist der Rebbau ein wichtiges Kulturerbe. So gehört er zu den Vindonissa-Winzern, die ihr Wissen über die antike Winzerarbeit weitervermitteln. Selbstverständlich gehört zum sehr grossen Sortiment der Hartmann-Weine ein Römer-Wy. Ihren Weinkeller – ergänzt durch eine Festwirtschaft – haben die Hartmanns am 3. und 4. Mai von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Aus Anlass des Jubiläums spielt am 3. Mai die Blaskapelle Würenlingen und am 4. Mai die Musikgesellschaft Villnachern – jeweils kurz vor dem Mittag.

Weine und Destillate in ­Tegerfelden
Bio und die Reben möglichst wenig spritzen ist auch die Philosophie der Familie Mühlebach im Surbtaler Weinbauerndorf Tegerfelden. Den Grundstein für das Weingut legten Stefan und Agathe Mühlebach in den 1970er-Jahren. «Damals», erzählt ­Stefan Mühlebach, «fand in Teger­felden die Güterregulierung statt. Viele kleine und kleinste Rebparzellen waren zu haben, und andere Grundstücke wurden wieder neu zu Rebland.» Ab 1985 hatte man 3,5 Hektar Reben zu bewirtschaften. «Ich konnte meinen Beruf als Modellschreiner aufgeben und mich voll und ganz dem Weinbau widmen», sagt ­Stefan Mühlebach. Mittlerweile sind es etwa 7 Hektar Rebland in den Gemeinden Tegerfelden, Döttingen und Klingnau mit ihren unterschiedlichen Terroirs. Bepflanzt sind die Flächen mit den Traubensorten Müller-Thurgau, Pinot gris, Chardonnay, Sauvignon blanc, Muscat, Pinot noir, Garanoir, St. Laurent, Merlot, Malbec, Zweigelt und Cabernet Sauvignon – Traubengut für charaktervolle Qualitätsweine.

Die Familie Mühlebach – im Bild Stefan (links) und Elias – produziert nicht nur verschiedene Weine. Die Mühlebachs sind auch Brenner. Neben eigenen Destillaten und Edelbränden entstehen Produkte für Kunden. (Bild: bkr)

Inzwischen sind die Söhne Elias und Daniel im Team des Weinguts. Daniel ist Weinbautechnologe unddi­plomierter Kaufmann, Elias Winzer und in Ausbildung zum Weinbautechniker. Beiden liegen neben Reben und Wein selbst gebrannte, erstklassige Destillate am Herzen. 1996 hat Vater Stefan mit dem Brennen begonnen. Inzwischen verfügen die Mühlebachs über eine attraktive Brennstube, in der in Lohnbrennerei auch Kundenaufträge ausgeführt werden. Ihren Weinkeller haben die Mühlebachs am 1. und 4. Mai von 11 bis 17 Uhr sowie am 3. Mai von 14 bis 21 Uhr offen.

Topweine auf nur 34,5 Aren
Mit viel Leidenschaft pflegt die Familie Benz aus Wettingen ihre Reben. Michael und Claudia sowie Andrea und Lukas Benz zieren (im Profil gezeichnet) nicht nur die Weinetiketten, sie arbeiten zudem gemeinsam am steilen Südhang der Lägern in ihrem Rebberg. Dieser ist nur gerade 34,5 Aren gross. Das sind rund ein Drittel eines Hektars, was früher als Jucharte oder Joch bezeichnet wurde. Das, weil man die Fläche Land mit einem Ochsengespann an einem Tag pflügen konnte. Im Weinbau war die Bezeichnung Tagwerk geläufiger – jene Rebfläche, die ein Mann in einem Tag bearbeiten konnte. Mit anderen Worten: Für die Familie Benz ist der Weinberg ein Hobby. Claudia Benz arbeitet im Gastrobereich, ihr Mann Michael im Gebäudeunterhalt. «Bis vor einigen Jahren lieferten wir unsere Trauben zum Keltern der Weinbaugenossenschaft», erzählt ­Michael Benz. «Inzwischen lassen wir unsere Weine bei Jürg Wetzel in ­Ennetbaden ausbauen.» Und das mit Erfolg. 2023 durfte Familie Benz aus den Händen von Regierungsrat Markus Dieth für ihren Pinot noir beim «Goldenen Aargauer Weingenuss» die goldene Auszeichnung entgegennehmen. Neben dem Pinot noir umfasst das Sortiment einen aus dieser Traube gekelterten Weissherbst, einen Pinot noir Barrique und eine Cuvée gris. Der Keller an der Dorfstrasse ist einmal im Monat geöffnet, und regelmässig ergänzt Claudia Benz die Degustationen mit etwas Feinem aus der Küche. Das ist auch am 1. und 3. Mai von 11 bis 20  Uhr sowie am 4.  Mai von 11 bis 18 Uhr so.

Claudia und Michael Benz in ihrem Keller-Beizli an der Wettinger Dorfstrasse. Ihr Rebberg am steilen Lägern-Südhang ist nur 34,5 Aren gross. Für ihren Pinot noir wurden sie beim «Goldenen Aargauer Weingenuss» ausgezeichnet (Bild: bkr)