Erfolg mit Vorbildcharakter

Mit dem Geschichtsprojekt Twistory erforschen Schülerinnen und Schüler der ­Kantonsschule Baden die ­Vergangenheit der Stadt.
Die Gruppen präsentieren ihre Arbeiten einmal im Jahr an einer öffentlichen Ausstellung im Historischen Museum. (Bild: sim)

Baden – Twistory ist eine Wortschöpfung aus «Twitter» und «History» – und Programm zugleich. Das Projekt der Kantonsschule Baden entstand 2021 in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Baden und dem Historischen Museum Baden. Initiiert hat das Projekt die Historikerin und Geschichtslehrerin Ariane Knüsel, die es seither mit Unterstützung des Teams vom Historischen Museum Baden und des Stadtarchivs leitet.
Bei Twistory schliessen sich Schülerinnen und Schüler zu Gruppen zusammen und wählen aus den Sammlungen des Historischen Museums und des Stadtarchivs, die über 12 000 Objekte und Dokumente umfassen, ein Objekt oder ein Dokument für ihre Recherche aus. Jede Gruppe verfasste eine Arbeit zu ihrem Objekt oder Dokument. Ziel dieser Arbeit ist es, die Stücke in ihren historischen Kontext zu betten und so einen Zugang zur Geschichte Badens zu schaffen. Dabei stossen die Schülerinnen und Schüler tatsächlich immer wieder auf Zusammenhänge oder Quellen, die bisher unentdeckt blieben. So leisten die Schülerinnen und Schüler einen Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs.
Auf der Basis der Arbeiten der Schülerinnen und Schüler entstehen dann Blogeinträge, die laufend auf der Website der Kantonsschule veröffentlicht werden. Das Projekt wurde an der Kantonsschule Baden inzwischen viermal durchgeführt, sodass auf der Website unterdessen über 50 Berichte zu historischen Objekten und Dokumenten nachzulesen sind. So entsteht eine virtuelle Timeline zur Badener Geschichte, die jährlich von neuen Schülergenerationen erweitert wird.

Blick in die Badener Geschichte
Unter den Objekten, die in den letzten Jahren ausgewählt und genauer untersucht wurden, sind ein Fahrrad des Badener Hoteliers Bruno Saft aus dem Jahr 1864, eine Nähmaschine der Firma Pfaff, die zwischen 1905 und 1925 hergestellt wurde, und ein Poster für die Badenfahrt 1937.
Jedes Jahr findet ein Twistory-Projekt Eingang in die «Badener Neujahrsblätter». In der Ausgabe von 2023 war es beispielsweise eine Arbeit zur Textquelle «Massregeln bei Choleragefahr» aus dem Jahr 1884. Die Arbeit zeigt auf, welche Auswirkungen das vermehrte Auftreten von Cholerafällen in Baden auf das Leben in der Stadt hatte.
Am 25. April wurden die aktuellen Arbeiten im Historischen Museum ­Baden zusammen mit den dazugehörigen Objekten und Dokumenten präsentiert. Unter den dieses Jahr untersuchten Museumsobjekten ist ein ­Rechenrahmen aus dem Jahr 1935, dessen Funktionsweise hingegen nicht überliefert ist. Daneben wurden eine hölzerne Statue der heiligen ­Barbara aus dem 15. Jahrhundert und die Dokumente zur Evakuation der Badener Bevölkerung aus dem Jahr 1940 genauer unter die Lupe genommen. Während des Zweiten Weltkriegs kam es zu grossen Truppenaufmärschen der Wehrmacht an der Schweizer Grenze. Viel später wurde bekannt, dass die Militäraktivitäten an der Grenze Teil eines Täuschungsmanövers waren, das die Umgehung der französischen Maginot-Linie durch Schweizer Gebiet vorgaukeln sollte. Weil das in der Schweiz damals aber niemand wusste, trafen zahlreiche Orte nahe der Grenze zu Deutschland Vorkehrungen in Erwartung einer Invasion durch die Wehrmacht.

Grosse Pläne
Twistory ist das schweizweit erste Projekt dieser Art und weckt Interesse: «Wir haben unser Konzept bereits an verschiedenen Konferenzen vorgestellt», erklärt Ariane Knüsel. «Es stiess auf grosses Inte­resse, sowohl in der Schweiz als auch international.»
Weil das Projekt, bei dem Schülerinnen und Schüler die Geschichte ihrer Heimat erforschen, in Baden ein voller Erfolg ist, gibt es in verschiedenen anderen Kantonen Überlegungen, ähnliche Projekte zu lancieren. Ariane Knüsel steht dabei einmal mehr im Zentrum der Bemühungen, die Nachfolgeprojekte nach dem Badener Vorbild zu sammeln. «Wir möchten gern eine nationale Plattform aufbauen, auf der die Beiträge aller künftigen Projekte verfügbar sind», erläutert die Historikerin ihre Vision. Das Konzept für die nationale Plattform steht, nicht aber die Finanzierung. Ariane Knüsel ist zwar zuversichtlich, dass die Finanzierung mithilfe öffentlicher Gelder vom Bund und von den Kantonen zustande kommt, macht sich aber über den Zeitrahmen keine Illusionen: «Es wird Jahre dauern, bis diese Idee vielleicht Realität wird.»

kanti-baden.ch/twistory