120 Jahre gelebte Frauengeschichte

Baden – «Unser Haus wird stolze 120 Jahre alt, das ist doch ein Grund zum Feiern», sagen die beiden Schwestern und ­Besitzerinnen Denise Werder und ­Michèle Clemen freudig. Deshalb organisieren sie in der 10-Zimmer-Villa an der Parkstrasse 25, die mit dem ­Attikageschoss gar auf 13 Zimmer kommt, einen Tag der offenen Tür. Am Samstag, 10. Mai, ist es so weit. Einen Tag zuvor, am Freitagabend, wird ­bereits etwas gefeiert, und zwar in ­geschlossener Gesellschaft.
Die grosszügig angelegte Villa wurde 1905 von Clotilde Lewin-­Guggenheim in Auftrag gegeben und 1906 fertiggestellt. Das historische Bauwerk ist eingezäunt und umgeben von einer Gartenanlage mit altem Baumbestand, der wie die Villa selbst unter kommunalem Schutz steht. Es ist Teil eines Ensembles von bedeutenden Gebäuden aus der Zeit zwischen 1900 und 1930. Auf der gegenüber­liegenden Seite der Parkstrasse ­befindet sich das ebenfalls kommunal geschützte Kurtheater von Lisbeth Sachs (1952). Die Villa Lewin der ­bekannten Badener Architekten ­Dorer und Füchslin gehört zu den wichtigsten Zeitzeugen des grossbürger­lichen Wohnens um 1900 in Baden. Stilistisch schwankt das Gebäude zwischen einem romantischen Späthistorismus und dem modernen Heimatstil.

Ein Haus für Frauen
Im Stadthaus an der Parkstrasse lebte und arbeitete bis zu ihrem Tod 1996 Yolanda Van den Bergh-Lewin in dritter Familiengeneration. Sie war die erste Frau im Kanton Aargau, die 1943 das Notariatspatent erwarb. Als Anwältin und Notarin übernahm sie 1952 das Geschäft des Vaters. Dabei vertrat sie von Beginn an vor allem Frauen juristisch, sprach ihnen Mut zu und unterstützte sie zum Beispiel bei Scheidungen. Etwas, das zu dieser Zeit eher unüblich war. Oft hatten Frauen Hemmungen, die Scheidung einzureichen. Nach Yolanda Van den Bergh-Lewins Tod residierte ihre Tochter Cornelia Van den Bergh weiter in dem Haus, und zwar bis zu ihrem Tod im Jahr 2017.
Die Geschwister Denise Werder und Michèle Clemen erbten das Haus und gründeten 2019 die dort domizilierte Frau und Familie AG. Die beiden Schwestern haben damit einen Traum verwirklicht und das Baudenkmal den Frauen und dem Frausein gewidmet – ganz im Sinn der Vorbesitzerinnen. Das Geschwisterpaar kennt das stattliche Haus von Kindesbeinen an: «Wir haben eine tiefe Beziehung zu diesem Haus. Wir sind hier schon immer ein und aus gegangen.»

Zentrum für ganzheitliches Wohlbefinden
Denise Werder und Michèle Clemen halten auch nach sechs Jahren noch an ihrer Vision fest und betreiben an der Parkstrasse 25 einen Ort, der Frauen als Anlaufstelle auf ihrem ­Lebensweg dient und gleichzeitig als Kompetenzzentrum für jegliche Themen im Leben von Frauen fungiert, seien diese psychischer oder physischer Natur. So finden Frauen in jedem Alter bei Frau und Familie eine breite Palette von Angeboten rund um frauenspezifische Themen, von der ersten Periode bis zu den Wechsel­jahren.
Unter dem Dach der altehrwürdigen Villa sind mittlerweile 22 Mieterinnen einquartiert, die Beratungen und Therapien in ihren jeweiligen Spezialbereichen wie beispielsweise Hebammensupport, Kinesiologie, ­Aurachirurgie oder Shiatsu anbieten. Im Haus finden ausserdem diverse Kurse zu frauenspezifischen Themen statt. Zusätzlich bietet das Zentrum einen Mahlzeitendienst an, der Familien nach der Geburt ihrer Kinder unterstützt und den Alltag erleichtert. Die Räumlichkeiten können zudem für externe Veranstaltungen wie Workshops, Seminare oder kreative Auszeiten gemietet werden.
Am Tag der offenen Tür sind die Besucherinnen und Besucher eingeladen, auf einem freien Rundgang das Haus und seine 120-jährige Geschichte zu erforschen, selbst aktiv zu werden und an einem der Workshops teilzunehmen, den Präsentationen zu lauschen und am Wettbewerb mitzumachen, dessen Gewinnerin oder ­Gewinner zum Abschluss des Nachmittags gezogen wird.

Tag der offenen Tür
Samstag, 10. Mai, 14 bis 17.30 Uhr
Parkstrasse 25, Baden
frauundfamilie.ch