Manchmal steigt Drazenko Jurcevic schon um 4 Uhr ins Auto, um jemanden zum Flughafen zu bringen. «Bei solchen Fahrten schicke ich 20 Minuten vor dem Termin stets eine Nachricht, dass ich kommen werde. So muss sich niemand Sorgen machen, dass ich vielleicht verschlafen habe», sagt der 48-Jährige. Man glaubt dem freundlichen Mann sofort, dass er mit Menschen umgehen und ihnen ein sicheres Gefühl vermitteln kann.
Seit zehn Jahren arbeitet Jurcevic als Taxifahrer, meistens zwischen 10 Uhr und Mitternacht. «Ich mache das sehr gern. Man hat mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun – die ganze Welt fährt mit.» Die Leute teilten ihre Probleme und ihr Glück mit ihm, manchmal auch ihre Geheimnisse. Und wenn es einmal unangenehm werde, wisse er, sich richtig zu verhalten. «Das Wichtigste in dieser Branche ist, stets ruhig zu bleiben.» Man müsse die Fahrgäste akzeptieren, wie sie seien, und die Situation einschätzen können. «Wenn jemand möchte, dass ich die Musik lauter stelle, dann mache ich das, selbst wenn ich es vielleicht lieber leiser hätte», sagt der gebürtige Kroate. Er lasse sich in keinen Streit verwickeln: «Man muss Wasser bleiben, wenn der andere Feuer ist.»
Uber Anfänge und Preise
Begonnen hat Jurcevic als Uber-Fahrer in Zürich. Es sei gut gelaufen, aber er habe viel arbeiten müssen, um einen durchschnittlichen Lohn zu erhalten. Uber kassierte damals 25 Prozent des Fahrpreises als Vermittlungsprovision, inzwischen sind es gar 27 Prozent. Da die Uber-Preise zudem deutlich unter den einst üblichen Taxipreisen liegen, bleibt der Person hinter dem Steuer nicht mehr viel. Das US-Unternehmen zahlt zudem keine Sozialleistungen, obwohl es laut Bundesgericht dazu verpflichtet wäre. «Da mich immer wieder Kunden nach meiner Nummer fragten, entschied ich mich schliesslich, eine Einzelfirma zu gründen», erzählt der Untersiggenthaler. So spart er die Uber-Provision und zahlt stattdessen Sozialversicherungsbeiträge.
Eine Goldgrube ist sein Beruf trotzdem nicht. «Man kann keine hohen Tarife verlangen, denn die meisten Leute erwarten Uber-Preise.» Ein Auskommen ist für den dreifachen Vater nur möglich, weil seine Frau zu 60 Prozent als Zahntechnikerin arbeitet und die Familie günstig in einer Eigentumswohnung lebt. «Aber ich bin zufrieden mit meinem Leben. Ich fühle mich reich, weil es uns gut geht.» Er habe Glück mit seinen Kindern, die alle auf einem guten Weg seien. Stolz erwähnt er, dass der älteste Sohn Chemieingenieurswissenschaften an der ETH Zürich studiert.
Verliebt in die Schweiz
In der Schweiz zu leben, empfindet Jurcevic als Privileg. Als er 2003 eine seiner Schwestern besuchte, die in Rapperswil lebt, lernte er seine heutige Frau kennen und entschied sich zu bleiben. «Ich habe gesehen, dass in diesem Land alles funktioniert», sagt er. Zunächst arbeitete er als Hilfselektriker, danach für die Baufirma Sika im Bereich Abdichtungen, später als Logistiker bei Cargopack in Untersiggenthal. Dass er sich als Taxifahrer ein weiteres Mal neu orientieren konnte, schätzt er sehr: «Man hat hier viele Möglichkeiten. Die Schweiz ist ein Land, in dem man alles erreichen kann.» In seiner Taxizeit ist ihm nie etwas Schlimmes passiert. Seit zehn Jahren ist er unfallfrei unterwegs und wurde auch nie bedroht. Trauriges hat er hingegen schon erlebt: «Einmal wurde ich zu einer Adresse bestellt, wo mitten in der Nacht eine verzweifelte Frau mit ihrem Hund auf der Strasse stand. Sie war soeben aus ihrer Wohnung geworfen worden, und ich sollte sie zu ihrer Mutter bringen.» Er habe Mitgefühl gezeigt und die Frau erst einmal beruhigt, erzählt er auf seine liebenswürdige Art. Sollte man sich je in einer misslichen Lage befinden und ein Taxi brauchen, darf man froh sein, wenn jemand wie Jurcevic angefahren kommt.