Baden – Seit über fünf Jahrzehnten betreibt die Stadt Baden einen eigenen, nicht kommerziellen Ausstellungsraum. In dieser Zeit hat sich die Institution, die zunächst im Kornhaus, dann im «Amtshimmel» an der Rathausgasse und schliesslich in einer ehemaligen Werkhalle der Regionalwerke an der Haselstrasse untergebracht war, zu einer kleinen Kunsthalle entwickelt. Heute befindet sich der Kunstraum Baden auf dem Merker-Areal – unweit vom Bahnhof Baden.
Dort erhalten Künstlerinnen und Künstler die Chance, ihr Projekt vor Ort zu entwickeln und gelegentlich experimentelles Neuland zu betreten. Mit dem Umzug ins Merker-Areal im Januar nahm sich auch ein neues Team um Patrizia Keller dem Kunstraum an.
Künstlerische Gesprächskultur
Noch bis zum 20. Juli ist dort die Ausstellung «Pulver» des deutsch-schweizerischen Künstlers Till Velten zu sehen, die dritte Ausstellung seit dem Umzug. «Inzwischen habe ich das Gefühl, dass wir am neuen Ort angekommen sind», erklärt Patrizia Keller bei einem Rundgang durch die Ausstellung.
Die Werke des 64-jährigen Till Velten, der neben seiner Arbeit als Künstler in Deutschland und in der Schweiz an Hochschulen lehrte, basieren auf dem Gespräch. Anhand von Interviews, die er als ein Mittel, die Welt zu erforschen, versteht, untersucht er das soziale Gefüge der Gesellschaft. Es dient ihm als Werkzeug, um die vielfältigen Erfahrungswelten unterschiedlicher Menschen zu erfassen. In seinen Gesprächen findet er Hinweise auf weitere relevante Personen, die wiederum wertvolle Hinweise geben – so folgt Till Velten den verborgenen Spuren seiner Fragestellung und bringt dabei überraschende Zusammenhänge ans Licht.
Häufig werden diese Gespräche über einen längeren Zeitraum geführt. Die Interviews, die er mit Repräsentanten von Berufsgruppen, aber auch mit Sammlern und Hobbyimkern führt, werden transkribiert oder von professionellen Sprechern gelesen, um ihnen eine exemplarische Form zu geben. Kunst zu schaffen, bedeutet für Till Velten, Menschen zusammenzubringen und sich mit anderen zu vernetzen. Der Künstler, so seine Überzeugung, hat heute eine gesellschaftliche Verantwortung.
Nach traditionellem Ansatz
Seit 2017 beschäftigt sich Till Velten mehr und mehr mit der Überführung seiner Gesprächsforschungen in Gesang oder Performances. Für seine Ausstellung in Baden hat er sich hingegen für eine Rauminstallation entschieden, die – wie so oft bei ihm –selbst zur Bühne für weitere Gespräche der Besucherinnen und Besucher wird. An verschiedenen Stationen im Kunstraum macht er diese vielfältigen Gesprächserfahrungen hör- und sichtbar. Die Ausstellung «Pulver» ist ein ortsspezifisches Projekt, eigens für den Kunstraum Baden entwickelt. In einer über mehrere Monate angelegten Recherche unternahm Till Velten den Versuch, auf spielerische Weise die Visionärin Emma Kunz (1892–1963) und deren Gedankengut in einen Dialog mit der «visionären Geschichte» des Badener Unternehmens Merker AG zu bringen, jenem Unternehmen, dessen ehemaliges Areal seit Januar letzten Jahres den Kunstraum Baden beherbergt.
Äussere und innere Reinheit
Ausgehend von diesen zwei Welten, dem Industrieunternehmen Merker und der Arbeit von Emma Kunz, beschäftigte sich Till Velten bei seiner Recherche mit der Frage nach dem Zusammenhang zwischen äusserer und innerer Reinheit. Erstere wurde verkörpert durch die Waschmachine Bianca der Firma Merker, während die Heilerde, die in der Emma-Kunz-Grotte abgebaut wird, für die innere Reinheit stand. Wie stets bei seinen Projekten arbeitete sich der Künstler in ein sich immer stärker verzweigendes Netz von Themenfeldern vor. Durch Hinweise seiner Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner stiess er auf weitere Menschen, die ihm Auskunft geben konnten. So folgte er den Windungen, die sich durch seine Fragestellung ergaben. Seine Recherche zwischen Baden und Würenlos, wo sich die Emma-Kunz-Grotte befindet, begann mit einem Gespräch mit Anita Merker, Mitinhaberin der Merker Liegenschaften AG, die heute das Merker-Areal verwaltet. Weitere Gespräche mit Sibylle Hausamann-Merker, früher Verwaltungsratspräsidentin der Merker Liegenschaften AG, und mit Peter Burri, der als Achtjähriger von Emma Kunz geheilt wurde, führten Till Velten immer weiter auf seiner Suche nach Zusammenhängen. «Ich finde diesen Ansatz äusserst spannend», meint Patrizia Keller. Wie es genau zu der fertigen Ausstellung in Baden kam, kann im Kunstraum selbst anhand eines riesigen Diagramms verfolgt werden.
Begleitend zur Ausstellung erschien eine Publikation, die anhand von Till Veltens Skizzen die Entstehung der Ausstellung ebenfalls nachvollziehbar macht. In Form einer aufklappbaren Chronik besitzt das Buch Objektcharakter und dokumentiert gleichzeitig die einjährige Recherchearbeit für das Projekt «Pulver». Die Publikation umfasst ein Begleitheft, in dem die sechs Gespräche nachzulesen sind, die Till Velten im Rahmen des Projekts führte.
Wer Till Velten gern selbst zu seiner Arbeit befragen möchte, hat am 3. Juli Gelegenheit dazu. Um 18.30 Uhr führen er und Patrizia Keller Interessierte durch die Kunst gewordenen Gespräche.