«Zu viel ist zu viel», kritisierte das «Komitee für eine vernünftige Brugger Finanzpolitik» am 25. August vor der lokalen Presse im Rathaussaal. Vom ebenfalls eingeladenen Stadtrat war niemand vor Ort. Einzig Finanzkommissionspräsident Reto Bertschi (SP) sowie einige Einwohnerrätinnen und Einwohnerräte hörten sich die Forderungen des bürgerlichen Komitees an. An dessen Spitze steht das Duo, das 2018 erfolgreich das Referendum ergriff und so die Einführung von Tempo 30 im Stadtzentrum verhinderte: Peter Haudenschild, ehemaliger Einwohnerrat der FDP sowie Patrick von Niederhäusern, SVP-Einwohnerrat und Fiko-Mitglied, bilden nun auch das Co-Präsidium des «Komitees für eine vernünftige Brugger Finanzpolitik». Ebenfalls mit ins Boot holten sie einen einen ausgewiesenen Finanzexperten: Peter Reimann aus Brugg war bis zu seiner Pensionierung viele Jahre lang Chef der kantonalen Finanzverwaltung in Aarau. Weitere Mitglieder des Komitees sollen später bekannt gegeben werden.
Nettovermögen der Stadt hat sich in acht Jahren verdoppelt
Die Argumente des Komitees sind schlagkräftig: In acht Jahren hat sich das Nettovermögen der Stadt Brugg von 60 Mio. auf 121 Mio. Franken verdoppelt. Notabene obwohl die Steuerkraft pro Einwohner laufend sinke. Dieses Vermögen ist laut dem Komitee bei Banken respektiv an der Börse angelegt. «Die Stadt Brugg könnte, ohne sich zu verschulden, während acht Jahren ohne Steuereinnahmen leben. So viel Geld hat sie auf der hohen Kante», sagte Peter Haudenschild. Er fuhr fort: «Die meisten Städte und Gemeinden sind verschuldet. Der Durchschnitt der Gemeinden weist eine Nettoschuld pro Einwohner von über 100 000 Franken aus. Anders in Brugg: Jeder Brugger Einwohner hat bei der Stadt ein Vermögen von 10 000 Franken zwangsweise angelegt.» Inklusive stiller Reserven sind es laut Haudenschild gar 20 000 Franken.
Haudenschild übte auch Kritik an der Finanzstrategie 2023 des Stadtrats. «Die Stadt hat das strukturelle Betriebsergebnis nicht im Griff. Die Mehrheit des Einwohnerrats winkt Rechnung und Budget jährlich durch. Finanzkommission und bürgerliche Einwohnerräte warnen jährlich eindringlich erfolglos. Seit Jahren dasselbe. Das würde auch im Jahr 2023 so blieben. Das ist in unseren Augen keine Finanzstrategie.»
Vier Massnahmen
Doch was sind denn die konkreten Forderungen des neu gegründeten Komitees? Peter Reimann stellte vier Massnahmen vor. «Rechnung, Budget und Finanzplan der Stadt müssen besser aufeinander abgestimmt werden, damit sie aussagekräftiger werden. Nur mit aussagekräftigen Unterlagen kann man vernünftig entscheiden», so Reimann.
Ebenfalls regt er den Einbau einer «Defizitbremse» als Sicherheit an: «Es sind Zielgrössen, Sanktionen bei Abweichungen und auch die Zuständigkeiten für die Ausklammerung von ausserordentlichen Ereignissen wie Naturkatastrophen, Epidemien oder Pandemien festzulegen. Da eine Schuldenbremse in die Finanzkompetenz des Einwohnerrats eingreift, ist eine Verankerung der Schuldenbremse auf der Ebene der Gemeindeordnung notwendig. Die detaillierte Ausgestaltung ist auf Reglementsebene vorzunehmen.»
Die dritte Forderung des Komitees: Eine aktive Ansiedelungspolitik zum Stoppen der Abwärtsspirale und zur Wiedergewinnung von Steuersubstrat. Dazu solle die Stadt mit einem unwiderstehlichen Argument – nämlich dem mit Abstand tiefsten Steuerfuss aller aargauischen Städte – eine professionelle Ansiedelungspolitik betreiben, selbst wenn dadurch vorübergehend etwas weniger Steuereinnahmen fliessen. Selbstverständlich aber müsse diese Strategie nach fünf und dann wieder nach zehn Jahren evaluiert und allenfalls justiert werden.
Steuerfuss soll auf 87 Prozent gesenkt werden
Die vierte Forderung betrifft den Steuerfuss selbst. Dieser soll per nächstes Jahr um 10 Prozentpunkte von heute 97 auf 87 Prozent gesenkt werden. Dies hätte eine «unwiderstehliche Magnetwirkung», ist das Komitee überzeugt und fährt fort. «Die zusätzlichen Steuern der zugezogenen Personen könnten eine 10-prozentige Steuersenkung innert 10 Jahren gar ausgleichen und Arbeitsplätze anziehen. Selbst wenn dies nicht zuträfe, die Reserven für eine solche Steuerpolitik würden für über 75 Jahre reichen.»
Peter Reimann ist überzeugt: «Die Bruggerinnen und Brugger haben in den letzten 20 Jahren zu viele Steuern bezahlt.» Es gehe jetzt auch darum, den Steuerzahlern etwas zurückzugeben. Welche Mittel hat denn das Komitee in der Hand? Patrick von Niederhäusern hielt dazu fest: «Wir werden das Budget im Einwohnerrat ablehnen, wenn der Steuerfuss nicht bei 87 Prozent liegt.» Sofern der Voranschlag mit einem höheren Steuerfuss dennoch angenommen würde, will man weitere Massnahmen wie Referendumsfähigkeit, Vorstösse und Initiative prüfen und auch ergreifen. Das Komitee gibt sich siegessicher: «Es muss ein Ruck durch die Politikerinnen und Politiker dieser Stadt gehen. Bloss weiter Vermögen mit Steuergeldern anzuhäufen und sich gleichzeitig mit dem Betriebsdefizit abzufinden wie bisher, ist keine Lösung», sind die Komitee-Mitglieder überzeugt.