Spitex NOA – für die Menschen der Region

Um die ambulante Versorgung in der Pflege sichern zu ­können, wollen die Spitex-­Verbände Surbtal-Studenland und Bad Zurzach fusionieren.
Das Projektteam für den Zusammenschluss mit dem designierten Geschäftsführer der Spitex NOA, Gabriel B­ürgisser, ­Rebecca Spirig, ­Markus J. Schmid, Astrid Moser und ­Simon Knecht. (Bild: is)

Heute Abend werden in der Mehrzweckhalle Rietwise in Lengnau die Weichen für die Zukunft der ambulanten Versorgung zu Hause für rund 23 500 Menschen in 17 Gemeinden gestellt: Die Mitglieder der beiden Spitex-Verbände Surbtal-Studenland (mit Sitz in Ehrendingen) und Bad Zurzach stimmen an der ausserordentlichen Generalversammlung über den Zusammenschluss ab. Eine zehnköpfige Projektgruppe befasst sich seit anderthalb Jahren intensiv mit diesem Schritt. «Alle Beteiligten, der RAS Gemeindeverband, die Gemeinden und die Spitex-Verbände haben sich zu diesem Schritt bekannt», sagt Co-Projekt­leiter Markus Schmid, ­Gemeinderat in Schneisingen, an einer Pressekonferenz in Endingen vergangene Woche.

Anpassung an politische Realität
Nötig wird die Fusion einerseits durch den Zusammenschluss der Rheintal- und Studenland-Gemeinden: Mit der neuen Grossgemeinde Zurzach überschneiden sich die Einsatz­gebiete der beiden Spitex-Organisationen: Baldingen, Böbikon, Kaiserstuhl, Rümikon und Wislikofen gehören neu zum Einzugsgebiet der Spitex Bad Zurzach und müssten deshalb nach Zurzach wechseln. «Mit der Fusion passen wir also die Strukturen an die politische Realität an», sagt Simon Knecht, Präsident der Spitex Surbtal-Studenland. Aber es gilt auch, die Versorgungs­sicherheit zu gewährleisten. 

Das ist für die Spitex bereits heute eine Herausforderung. Die Anforderungen des Kantons steigen. Ambulantisierung und Akutpflege nehmen zu, «Betreuung und Pflege werden ­immer komplexer», weiss Gabriel Bürgisser, Geschäftsführer der Spitex Surbtal-Studenland. Patientinnen und Patienten werden immer früher aus den Spitälern entlassen und von der Spitex daheim nachversorgt. «Zudem werden die Spitalaustritte immer kurzfristiger. Teilweise werden wir am Vormittag über einen Austritt am Abend informiert», sagt Bürgisser. Leistete sein Team in Ehrendingen im Jahr 2017 noch 11 564 Pflegestunden, so waren es 2021 bereits 16 189. 

«Betreuung immer komplexer»
Doch der Fachkräftemangel ist ein riesiges Problem: «Es ist schwierig, diplomiertes Personal zu finden», weiss Co-Projektleiterin und Endinger Vizeammann Rebecca Spirig, die selbst aus der Pflege kommt und in diversen Führungsfunktionen tätig war. Besonders akut ist der Mangel bei spezialisiertem Personal. Gemäss Astrid Moser, Präsidentin der Spitex Bad Zurzach, werden in Zukunft vor allem psychiatrische Leistungen stark ansteigen. «Diese Dienstleistungen müssen wir schon jetzt teuer bei der Spitex Brugg einkaufen.» 

Attraktiver Arbeitgeber
Auch die Nachfrage bei Wundversorgung und Palliative care steigt. Mit einer Fusion könnten die Spezialisierung und die Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen vorangetrieben werden. «Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein», sagt Moser. Durch fortschrittliche Arbeitsbedingungen soll es gelingen, langfristig genügend Pflegekräfte zur Versorgung der Bevölkerung zu haben. 

Mit der Fusion würden beide bisherigen Standorte erhalten bleiben, eventuell kommt ein dritter oder ein mobiler Standort dazu. Denn ein Spitex-Zentrum sei für die Mitarbeitenden wie eine Stube, sagt Astrid Moser: «Man darf nicht vergessen, dass sie oft den ganzen Tag allein unterwegs sind. Im Zentrum trifft man die Arbeitskolleginnen, kann reden und sich austauschen. Wir wollen unseren Mitarbeitenden ein Umfeld bieten, wo sie sich daheim fühlen.» Nicht zuletzt soll dank der Fusion auch die Kontinuität der Betreuungsgruppen bei den Klienten besser gewährleistet werden. «Dass immer die gleichen Personen bei einer Klientin sind, können wir nicht garantieren. Aber es soll immer der gleiche Kreis von Personal sein. Wir werden in der neuen Organisation mehr Möglichkeiten haben und dadurch auch die Qualität der Betreuung steigern können. Planung ist dabei das A und O», weiss Gabriel Bürgisser. Sollte die Fusion platzen, würden die rund 1500 Einwohnerinnen und Einwohner der fünf Teilgemeinden gar ein komplett neues Betreuungsteam in Bad Zurzach erhalten. 

Tröstend und beruhigend
In einem ersten Schritt soll ein neuer Verein gegründet werden: Die Spitex Nord Ost Aargau – kurz: Spitex NOA. NOA erinnert an den Namen Noah, dessen Bedeutung mit «Der Tröstende, Beruhigende» symbolisiert wird. «Der Name soll die Verbundenheit zur Region und zur Bevölkerung aufzeigen», erklärt Markus Schmid, der als Präsident des neuen Vereins vorgeschlagen ist. Als Geschäftsleiter der operativen Organisation ist Gabriel Bürgisser vorgesehen. 

In einem zweiten Schritt wird der Verein rückwirkend per 1.1.2023 eine Aktiengesellschaft gründen, deren Alleinaktionärin der Verein Spitex NOA sein wird. Doch zuerst ist am Donnerstagabend eine Dreiviertel-Mehrheit der Anwesenden an beiden Generalversammlungen in Lengnau nötig. 

Kündigungen wären möglich
Was, wenn die Fusion nicht zustande kommt? Schliesslich mussten 2017 bereits einmal die Verhandlungen wegen Uneinigkeit frühzeitig abgebrochen werden, so dass es gar nicht zur Abstimmung durch die Vereinsmitglieder kam. Die Situation hat sich mit der Gemeinde­fusion jedoch zugespitzt. Ein früherer Heim- oder Spitaleintritt wäre eine mögliche Folge, sagen die Verantwortlichen. «Durch den Fachkräfte- und Personalmangel müssten die Gemeinden künftig noch mehr zusätzliche Leistungen extern einkaufen, um ihrer Verpflichtung gegenüber der Bevölkerung nachzukommen.» 

Auch Kündigungen in beiden Spitex-Organisationen wären wohl nicht abzuwenden. Markus Schmid ist jedoch optimistisch: «Die Spitex NOA ist ein Gemeinschaftswerk für die Menschen und das Personal in der Region.»