Dienstag, 18. Oktober
13.45 Uhr: Auch die Verteidigung darf sich nun noch einmal zu den bisherigen Beiträgen äussern. Sie betonte wiederum, dass der Angeklagte psychisch erheblich gestört sei, und man von ihm deshalb gerade nicht erwarten könne, dass er handle, wie man dies von einer rationalen Person erwarten würde. Auch habe der Beschuldigte nicht bereits Tage im Voraus seinen Tatentschluss gefasst, aufgrund seines psychischen Zustandes sei er dazu überhaupt nicht in der Lage. Er betonte, dass bei dem Beschuldigten ein Krankheitsbild vorliege, die es ihm unmöglich mache, seine Gefühle zu beschreiben und Reue zu zeigen.
Insgesamt hält die Verteidigung an ihren Anträgen fest. Insbesondere sei der Angeklagte gemäss dem Grundsatz «Im Zweifel für den Angeklagten» wegen ungenügender Beweislage vom Vorwurf des versuchten Mordes freizusprechen.
Im Anschluss an die Ausführungen der Verteidigung wird der Angeklagte noch einmal aus einem anderen Raum zugeschaltet. Er richtet sein letztes Wort an die Familie des Opfers und entschuldigt sich bei ihnen für die Ermordung ihres Angehörigen.
Damit endet die Verhandlung. Das Gericht zieht sich nun zur Urteilsberatung zurück. Das Urteil wird für Donnerstag, den 20. Oktober, 16 Uhr erwartet.
13.16 Uhr: Nach einer kurzen Pause erhalten die Prozessbeteiligten die Möglichkeit, auf die Ausführungen der jeweils anderen Parteien einzugehen. Den Beginn macht wiederum die Staatsanwaltschaft. Diese nutzt ihren zweiten Wortbeitrag vor allem dafür, noch einmal zu betonen, dass verschiedene Indizien dafür sprächen, dass es sich bei dem Vorfall am Berghang um ein absichtliches Schubsen durch den Beklagten gehandelt habe. Er sei deshalb auch in diesem Punkt schuldig zu sprechen.
Der Vertreter der Privatklägerschaft bedankt sich zunächst für die Anerkennung der Zivilforderungen durch die Verteidigung, bevor er sich erneut ausführlich dem Mord am Bruggerberg zuwendet. Er moniert wiederum die besondere Grausamkeit der Tathandlungen und die offensichtlich fehlende Reue des Beschuldigten. Dabei habe der Angeklagte als Motiv für sein äusserst brutales Verhalten nichts besseres angeben können, als dass er neidisch auf die Lebensumstände seines Opfers gewesen sei, dass es ihm dreckig gehe und sich sein Opfer nun ebenso fühlen solle. Ein besseres Motiv für die Tötung des eigenen Freundes, insbesondere auf so brutale Weise, konnte auch im Prozess bisher nicht gefunden werden. Die Frage nach dem Warum kann deshalb nach wie vor nicht zufriedenstellend beantwortet werden.
12.26 Uhr: Nun erhält auch die Verteidigung die Möglichkeit, ihr Plädoyer zugunsten des Beschuldigten vorzutragen. In der Hauptsache werden die Vorwürfe gegen den Angeklagten nicht beanstandet. Sowohl die Tötung des jungen Mannes durch den Angeklagten als auch die Qualifikation der Tat als Mord werden von der Verteidigung nicht bestritten. Der Angeklagte sei deshalb wegen Mordes zu verurteilen.
Die Verteidigung gibt aber zu bedenken, dass der Beschuldigte unter erheblichen psychischen Störungen litt und leidet, die sich negativ auf seine Frustrationstoleranz und seine Impulskontrolle ausgewirkt haben. Neben des jugendlichen Alters des Geständigen sei auch seine unterdurchschnittliche Intelligenz bei der Würdigung der Straftaten zu berücksichtigen. Der Angeklagte lebe im Hier und Jetzt, sei primär auf die Befriedigung seiner aktuellen Bedürfnisse fokussiert und mache kaum längerfristige Pläne. Laut Verteidigung sei bei den Tathandlungen des Beschuldigten deshalb von impulsiven Handlungen auszugehen, und nicht von kaltblütig geplanten Taten.
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung sind sich einig, dass den Umständen und Taten des Beschuldigten nur durch eine Freiheitsstrafe in Kombination mit einer Massnahme gebührend Rechnung getragen werden kann. Lediglich in der Antwort auf die Frage, welche Massnahme für den Angeklagten geeignet sei, herrscht Uneinigkeit. Die Verteidigung fordert für ihren Klienten eine Massnahme für jugendliche Straftäter nach Art. 61 StGB sowie eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren.
Abgesehen davon fordert die Verteidigung einen Freispruch für den versuchten Mord anlässlich der Bergwanderung im Tessin. Die Beweislage zu dem Vorfall sei uneindeutig, das Aussageverhalten des Angeklagten sei in sich widersprüchlich. Weil weitere Beweise, die den Vorwurf belegen würden, fehlen, sei der Beschuldigte in diesem Punkt im Zweifel für den Angeklagten freizusprechen. Des Weiteren anerkennt die Verteidigung die zivilrechtlichen Ansprüche der Privatklägerschaft.
11.53 Uhr: Nach den Ausführungen der Staatsanwaltschaft ist die Reihe am Vertreter der Privatklägerschaft, sein Plädoyer zu halten. Dieser setzt sich mit seinen Ausführungen vor allem dafür ein, den zivilrechtlichen Ansprüchen der Angehörigen des Opfers zum Durchbruch zu verhelfen.
Detailliert beschreibt er, wie sehr die Eltern und Schwestern des Opfers unter dem Verschwinden ihres Angehörigen litten. Und wie sehr sie heute noch unter den besonders grausamen Umständen seines Todes zu leiden haben. Alle Familienangehörigen des Opfers benötigten nach dem Vorfall psychische Betreuung in unterschiedlich intensiven Therapien. Auch heute vergehe kaum ein Tag, an dem die Angehörigen den Getöteten nicht schmerzlich vermissen würden.
Aus diesen Gründen fordert die Privatklägerschaft für die Angehörigen des Opfers neben Schadenersatz und Parteienentschädigungen auch Genugtuung für erlittenes seelisches Leid im Umfang von insgesamt 210 000 Franken.
10.13 Uhr: Der Gerichtssaal in Schafisheim ist heute lockerer besucht als gestern. Vor allem der Bereich für Zuschauende ist im Gegensatz zum Vortag lichter besetzt. Auch heute ist der Angeklagte wiederum nicht persönlich vor Gericht anwesend.
Der zweite Prozesstag im Tötungsdelikt Bruggerberg beginnt mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Diese wirft dem Beschuldigten besondere Grausamkeit bei der Tötungshandlung vor. Er habe gewusst, dass sein Opfer in der Höhle sterben würde, und sich vorgestellt, dass der Eingeschlossene dort verhungern oder verdursten würde. Auch das Verhalten des Beschuldigten nach dem Verschütten der Höhle zeige die besondere Schwere der Tat. Obwohl er nach dem Zuschütten der Höhle wiederholt am Tatort gewesen sei, habe er nichts unternommen, um sein Opfer wieder zu befreien. Stattdessen habe er auch dann noch weiteres Material auf den Höhleneingang gehäuft – was der Beschuldigte inzwischen allerdings bestreitet.
Grundsätzlich hält die Staatsanwaltschaft fest, dass sich der Angeklagte kurz nach seiner Verhaftung durchaus kooperativ und geständig gezeigt hat, was strafmindernd zu berücksichtigen sei. Im Lauf des Verfahrens wollte er sich dann plötzlich nicht mehr an Einzelheiten zu den Vorfällen erinnern, was auch dem Aussageverhalten des Beschuldigten am ersten Prozesstag entspricht. Auffallend sei dabei laut Staatsanwaltschaft, dass die vom Beschuldigten behaupteten Erinnerungslücken sehr selektiv zu seinen eigenen Gunsten ausfielen.
Auch betreffend den Mordversuch anlässlich der Bergwanderung im Tessin sieht die Staatsanwaltschaft den vollendeten versuchten Mord als gegeben. Der Täter habe sein Opfer in Tötungsabsicht einen 270 Meter langen Steilhang hinuntergestossen. Der Geschädigte sei dabei nur durch Glück an einer Stelle hängen geblieben, von der er von der Rega gerettet werden konnte. Auch hierbei habe der Beschuldigte heimtückisch gehandelt, indem er sein Opfer überraschend von hinten geschubst hat.
Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes, Mordes und der weiteren Delikte (Hausfriedensbruch, Diebstahl) von 16 Jahren und vier Monaten. Ausserdem fordert sie für den Beschuldigten die Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB.