Barocke Perle an Weihnachten

In der katholischen Kirche Brugg erklingt an Weihnachten eine Messe aus dem Jahr 1709, die noch nie in der Schweiz aufgeführt wurde.
Giuseppe Raccuglia, leitender Kirchenmusiker des Pastoralraums Brugg-Windisch. (Bild: pwf)

Am Weihnachtsmorgen erlebt die «Missa Uno» des italienischen Komponisten Giovanni Battista Bassani (1650–1716) in der Brugger St.-Nikolaus-Kirche mit grösster Wahrscheinlichkeit ihre Schweizer Uraufführung. Doch im Tiefland von Bolivien, in den Kirchen der früheren Jesuiten-Missionen, erklang sie ohne Zweifel schon einmal vor fast 300 Jahren. Die «Missa Uno» ist eine von sechs Bassani-Messen, deren Noten wohl im Gepäck der Missionare um 1730 nach Südamerika gelangten. Stark bearbeitete Abschriften dieser Sakralmusik wurden vor rund vierzig Jahren bei der Restauration der aus Holz gebauten Missionskirchen wiederentdeckt.

Geeignet für Kirchenchöre
Der Autor dieser Zeilen brachte die rekonstruierte Partitur einer dieser Messen vor einigen Jahren von einer Bolivienreise zurück und übergab sie Giuseppe Raccuglia, dem leitenden Kirchenmusiker des Pastoralraums Brugg-Windisch. Dies weckte Raccuglias professionelle Neugier: Seine Recherchen führten ihn bald zum Original, zur Sammlung «Acroama Missiale» aus dem Jahr 1709, von der je ein Exemplar in der Zentralbibliothek Zürich und in der Bayrischen Staatsbibliothek aufbewahrt wird. «Ich finde diese Musik einfach einmalig. Sie ist sehr transparent, ja kristallklar. Es sind einfache Harmonien und eingängige Melodien», sagt Raccuglia begeistert. Er erachtet die Messen aus der Barockzeit als sehr geeignet für ambitionierte Kirchenchöre. Er entschloss sich deshalb, die Noten neu aufzubereiten auf der Basis der Originale, die in Faksimile im Internet verfügbar sind, und die Musik in Gottesdiensten in Brugg auch zu Gehör zu bringen.

Die Aufarbeitung der Messen ist eine sehr aufwendige Arbeit. Dass das Notenbild des Originals komplett anders aussieht als die heutige Notenschrift, ist noch das kleinste Problem. Nein, Raccuglia muss das ganze Werk mit allen Chor-, Solo- und Instrumentalstimmen von Grund auf Schritt für Schritt neu aufbauen. Denn publiziert wurden die Werke damals nur in den Einzelstimmen, nicht auch als Partitur mit allen Stimmen. Die Stimmen übertrug Raccuglia nicht handschriftlich, das hätte viel zu lang gedauert. Dafür gibt es heute Computerprogramme, welche die Eingaben direkt am Bildschirm in Noten umsetzen.

An Ostern dieses Jahres erklang unter der Leitung von Giuseppe Raccuglia die «Missa Due» von Giovanni Battista Bassani. An Weihnachten bringen nun Solistinnen und Solisten, die katholische Chorgemeinschaft Brugg-Windisch und Musikerinnen und Musiker der Schola Cantorum Basiliensis die «Missa Uno» zu Gehör. Die Aufführung von weiteren Messen des italienischen Barockkomponisten ist vorgesehen.

Sonntag, 25. Dezember, 11 Uhr
St.-Nikolaus-Kirche, Brugg