Im Einklang mit den Wogen des Lebens

Jonas Studer ist Künstler, Pädagoge und begeisterter Surfer. Zur Ruhe kommt der Brugger im Berner Oberland und beim täglichen Yoga.
Hier kommen inspirierende Trouvaillen aus aller Welt zusammen: Jonas Studer in seinem Atelier im Kupperhaus. (Bild: aru)

Was auch immer Jonas Studer in seinem Leben widerfährt, er begegnet ihm mit offenen Augen und wachem Geist. Die Neugierde, die Begeisterungsfähigkeit und die Liebe zu den Menschen und zur Natur sind sein Antrieb, die Welt stets aufs Neue zu erkunden und zu erforschen. Das kommt nicht von ungefähr. Als er dreizehn Jahre alt war, starb seine Mutter – in seinen Armen. Es war ein prägendes Erlebnis, «tragisch und berührend zugleich», wie er sagt. «Ich hatte zwei Optionen: mich zu verschliessen oder mich zu öffnen.» Er wählte Letzteres. Seither lebt der 41-Jährige im Bewusstsein, dass das Leben jeden Moment zu Ende sein kann. «Wer weiss, vielleicht ist morgen alles vorbei», sagt er. «Aber heute bin ich da, und ich gebe alles, damit es ein toller Tag wird.»

Brugger Community als Basis
Das Erlebnis mit seiner Mutter hat ihn nicht nur geöffnet, sondern ihm auch ein starkes Vertrauen in seine Resilienz gegeben. Schon während seiner Schulzeit – er besuchte die Rudolf-Steiner-Schulen in Schafisheim und Zürich – zog es ihn in die weite Welt hinaus. Er war nicht nur auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, sondern ganz konkret nach den «besten Wellen». Seine Liebe zum Surfen hat er in Brugg entdeckt. Hier stellte er sich unter der alten Brücke auf einem Brett in die Wellen, hier stand er mit Kollegen ganze Nachmittage lang auf dem Skateboard und «surfte» durch die Tiefgarage. «Wir stellten uns vor, wir wären auf dem Meer», erinnert er sich lachend.

Seine Freude an der Bewegung lebte er nicht nur im Wasser, sondern auch beim Biken, Klettern und im Karate – in jungen Jahren gründete er mit einem Kollegen zusammen sogar eine eigene Karateschule in Gebenstorf. «Heute hat das Yoga den Kampfsport abgelöst», erzählt Jonas Studer und berichtet von seiner täglichen Praxis und seinen Aufenthalten in einem Ashram in Frankreich, «wo ich mich ganz auf den Moment konzentrieren und zur Ruhe kommen kann». Gemeinsam mit seiner Partnerin Sophie Bürgin, die er in Indonesien beim Drehen eines Dokumentarfilms kennengelernt hat, betreibt er eine Yogaschule in Wimmis im Berner Oberland. Das Haus mit dem nahen Pferdestall ist zu seiner Heimat geworden – nebst Brugg, «dem ich mich noch immer sehr verbunden fühle». Hier hat er sein Atelier im Kupperhaus, und im Hegel lebt sein mittlerweile 77-jähriger Vater, bei welchem er übernachtet, wenn er als Dozent für bildnerisches Gestalten an der Fachhochschule Nordwestschweiz tätig ist. «In Brugg erlebe ich das Gefühl von Community», sagt er. «Ich kann durch die Stadt gehen und treffe immer jemanden, den ich kenne.»

Aus Kindern werden Creators
Jonas Studer ist ein Menschenfreund. Dies war auch einer der Gründe, die ihn vor dem Abschluss der Hochschule der Künste Basel in den Lehrerberuf geführt haben. Die mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächer waren ihm nicht ganz so nah. «Ich blühte in den musischen Disziplinen auf», erinnert er sich. Er malte, machte Musik, tanzte und entwarf nach und nach neue Modelle für die Schule der Zukunft. Zusammen mit Sophie Bürgin leitet er in Thun erfolgreich das Projekt eduLAB. Hier ist er zu sechzig Prozent tätig, gibt Kurse und Workshops für Klassen und Einzelne. Statt stundenlang zu gamen, lernen die Schülerinnen und Schüler, wie man Spiele programmiert oder einen Roboter baut. «Bei uns sind die Kinder nicht Konsumenten, sondern Creators», betont Jonas Studer. Innovationen zu fördern, ist denn auch eine seiner Kernkompetenzen.

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Für Neuschöpfungen ist Jonas Studer auch als Kunstschaffender bekannt. Wie beim Surfen, das ihn unter anderem nach Neuseeland, Madagaskar, Indonesien, Peru und Australien führte, sucht er seine Herausforderungen immer wieder in neuen Wassern. Aktuell erkundet er die Welt der Pilze. Das Zentrum seiner Forschung ist in Brugg stationiert – in einem Labor in seinem Elternhaus. «Bin ich nicht zu Hause, ist mein Vater als Pilz-Nanny im Einsatz», schmunzelt Studer und berichtet vom grossen Potenzial der Mykologie. «Pilze sind sehr ähnlich wie wir», sagt er. «Sie arbeiten miteinander, können aber auch skrupellos sein.» Ihn beeindrucke das differenzierte Netzwerk, das sie mit der Natur um sich herum eingehen. «Die Gemeinschaft mit den Bäumen und anderen Pflanzen funktioniert wie eine Handelsplattform, eine Art Börse.» Pilze seien enorm anpassungsfähig und überlebten auch bei unwirtlichsten Bedingungen. «Sie wachsen sogar auf einem Zigarrettenstummel», schwärmt der Brugger Kunstschaffende.

Pilzkulturen setzt Jonas Studer unter anderem auf alten Agfachrome-Diapositiven an. «Dabei entstehen Abbilder des transformierenden Moments, in dem das Myzel sein erstaunlich adaptives Verhalten zeigt», erzählt er. «Dieses wird unserer Zivilisation mit grosser Sicherheit in der Zukunft noch dienlich sein.» Seine «Myzelografien» waren heuer in der Jahresausstellung im Aargauer Kunsthaus zu sehen. Und sie zieren die neuste Ausgabe der Brugger Neujahrsblätter, an deren Vernissage der vielseitige Künstler einen Einblick in sein Schaffen gibt. «Ein Pilzmyzel kann ewig leben», sagt er. «Das fasziniert mich.»