Willi Wengi, der ehemalige Präsident der Finanzkommission (Fiko), blickt bei seinem Abschied auf erfüllte Jahre zurück. Sucht er Übersicht und die Distanz, die das Gesamte ins Blickfeld rückt, steigt er auf den Bruggerberg. «Der Hexenplatz ist mein persönlicher Lieblingsort», sagt der FDP-Politiker. «Aus der Metaebene sieht alles anders aus», stellt er immer wieder fest, und zitiert Goethe: «Ein Problem zu lösen heisst, sich vom Problem zu lösen.» Vom Hexenplatz aus überblicke man fast das ganze Gemeindegebiet. «Ausserdem sieht man über die Gemeindegrenzen hinaus», sagt Wengi und unterstreicht die Aussage mit einer Geste, die in die Ferne weist.
Lieblingsort Lesezimmer
Auf seine 25 Jahre bei der Fiko der Einwohnergemeinde blickt Willi Wengi auch von weiteren Orten aus zurück, die er besonders mit seiner Epoche bei der Finanzkommission verbindet. «Das Lesezimmer neben dem Stadthaus ist für mich der Ort der Arbeit, die meisten Sitzungen fanden hier statt», sagt der Brugger. «Früher lagen hier Zeitungen und Zeitschriften auf, das Lesezimmer war für alle geöffnet – und gleich nebenan war die Ausnüchterungszelle», erinnert sich Wengi an vergangene Zeiten zurück.
Zwei Plätze, die sich früher auf Windischer Gebiet befanden, haben für den Einwohnerrat einen hohen Erinnerungswert. Zum einen das Markthallenareal, das Brugg und Windisch einst gemeinsam kauften – zunächst als strategische Landreserve – und später bei der FHNW-Standortwahl dem Kanton schenkten. Und dann die Mülimatt, die einen reinen Brugger Landkauf darstellte. «Für Brugg waren das strategisch gute Entscheide» erklärt Wengi freudig. «Und die Fiko war eng daran beteiligt.»
Per Ende 2021 demissionierte er als Fiko-Präsident und übergab das Amt an seinen Nachfolger Reto Bertschi (SP). An der nächsten Einwohnerratssitzung vom 20. Januar findet die Ersatzwahl für den frei werdenden Mitgliedssitz in der Fiko statt, den bis Ende 2022 Wengi innehatte.
Über die Parteigrenzen hinaus
Kaum jemand politisiert schon so lange wie der Brugger. In beiden ständigen Finanzkommissionen der Stadt, nämlich derjenigen der Einwohner- und derjenigen der Ortsbürgergemeinde, hat der Politiker gewirkt. Acht Jahre amtete er dabei für die Fiko der Stadt als Aktuar und stand dieser zwölf Jahre lang als Präsident vor. Der Finanzexperte sass ausserdem in der Steuerungskommission der IBB bis zu deren Privatisierung Ende 2001 und ist seit 2020 Revisor der Sozialen Dienste der Region Brugg.
Über die Gemeinde- und auch über seine Parteigrenzen hinaus – über beide blickt er selbst gerne – hat der Unermüdliche aufgrund seiner langjährigen Verdienste, seines Fachwissens und seiner politischen Erfahrung Anerkennung erlangt. Die FDP bedankte sich kürzlich bei ihm und würdigte seine Verdienste: Willi Wengi habe die einzige ständige Kommission des Einwohnerrates stets mit Umsicht geführt, so die Partei.
Während seiner langen Amtszeit bei der Fiko oblagen Wengi Geschäfte wie Rechnungs- und Budgetprüfungen, danebst Prüfungen von Einbürgerungsgesuchen und Landgeschäften, die er oft auch nachts bearbeitete.
Um die halbe Welt für die Arbeit
Willi Wengi ist Brugger Ortsbürger. «Ich bin hier geboren», erzählt er stolz. Sein Geburtshaus befand sich an der Badenerstrasse. Bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr verbrachte er dort seine Kinder- und Jugendjahre. Danach zog die Familie ins Westquartier.
Nach seinem Studium begann er 1981 als Ingenieur bei der damaligen BBC und verliess später Brugg. Zwanzig Jahre lang reiste er für das Technologieunternehmen ABB um die Welt, lebte ein paar Jahre in Saudi-Arabien an verschiedenen Orten, dann in Kairo, den USA und in Kanada. Der Experte setzte weltweit – von Alaska bis Neuseeland – Gasturbinen und Gaskombikraftwerke in Betrieb. Während der Berufsjahre als Ingenieur gehörten Problemlösungen zu seinem täglichen Brot. «Wenn ich nicht weiterkam auf einer Baustelle, bin ich auf den Kamin geklettert oder in arabischen Ländern auf den Wasserturm», erzählt Wengi mit Verweis auf Goethes Aphorismus, der ihn schon viele Jahre begleitet. Das ständige Reisen verlangte ihm einiges ab. «Man ist nirgends zu Hause», so Wengi über seine Zeit als Industrievagabund.
Rückkehr zu den Wurzeln
Seine definitive Rückkehr nach Brugg erfolgte 1989: «Ich bin gern heimgekommen.» Ab 2000 führte er bei der Firma Ferag AG seine berufliche Karriere zwanzig Jahre lang weiter, zehn davon als Personalleiter. Er heiratete und wurde Vater zweier Kinder. «Alle sieben Jahre habe ich etwas anderes gemacht», stellt Wengi im Rückblick auf die Fülle seiner beruflichen Erfahrungen fest, die er stets in Führungspositionen gesammelt hat. «Ich setze gern etwas um, und dazu gehört es vermutlich, die Führung zu übernehmen», überlegt Willi Wengi, der zudem im Militär Oberstleutnant war.
Sich selbst bezeichnet Willi Wengi als Generalisten. Probleme lösen und dann etwas bewegen, das war ihm stets wichtig – und es ist ihm leicht gefallen. «Ich bin Ingenieur für Inbetriebsetzungen. Ich merke, wo die Fehler sind, und korrigiere sie, damit etwas richtig laufen kann», analysiert er seine Fähigkeit. Wann er sein politisches Talent erkannte? «Mein Deutschlehrer an der Bezirksschule Brugg hat mir prophezeit, dass ich einmal Politiker werden würde», lacht Wengi.
Bei seiner Arbeit und seiner politischen Tätigkeit liess sich der Ingenieur immer von der Begeisterung leiten. «Zuerst muss die Freude da sein», ist der FDP-Einwohnerrat überzeugt. «Erst dann kann sich Erfolg einstellen.» Er habe das Glück gehabt, dass sich das in seinem Leben so fügte. «Die Kommissionsarbeit ist die Essenz des Einwohnerrats», hält Wengi fest. Darum sei er so gerne in einer Kommission tätig. «Da arbeitet man mit Vertreterinnen und Vertretern aus verschiedenen Parteien zusammen und setzt sich mit anderen Meinungen auseinander.» Dieser Austausch finde so nur in der Kommission statt, sagt Willi Wengi. «Das hat mir gefallen.» Es sei bei der Zusammenarbeit stets hart in der Sache, jedoch fair zum Gegenüber zu- und hergegangen.
Brugg ist Herzensangelegenheit
Der Spass an der Sache hat ihn immer begleitet. Erkennbar ist dies am feinen Humor, der im Gespräch mit Wengi immer wieder aufblitzt, gerade bei der Wiedergabe einiger Anekdoten. Er betont, wie viele gute Erfahrungen und schöne Erinnerungen er gesammelt habe und wie viele interessante Menschen ihm auf seinem politischen Weg begegnet seien. «Ich habe tolle Bekanntschaften gemacht und Freundschaften gewonnen, die eine Bereicherung sind», bilanziert er.
Gerade die Zusammenarbeit mit der Finanz- und der Steuerverwaltung sei grossartig gewesen, hält der Einwohnerrat fest. Besonderer Dank für die Zusammenarbeit gebühre Stefan Huber und seinem Fiko-Vorgänger Leo Geissmann, betont Willi Wengi.
Im Einwohnerrat, wo er seit 1994 Mitglied ist, will Wengi weiterhin für die FDP politisieren. Und im Dezember 2021 wurde der 68-Jährige für weitere vier Jahre als Präsident der Finanzkommission der Ortsbürgergemeinde bestätigt. Das Amt sei eine Herzensangelegenheit, sagt er und präzisiert: «Vielmehr ist Brugg eine Herzensangelegenheit für mich.» Die FDP-Bezirkspartei Brugg nominierte Willi Wengi kürzlich als Kandidaten für die Nationalratswahlen. Offen für Neues blickt er auf das, was vor ihm liegt – vielleicht gar vom Hexenplatz aus.