«Der Preis hat mich sehr berührt»

Nach der Auszeichnung mit dem Prix Swissperform spricht Lale Yavas (44) über ihre Arbeit als Schauspielerin und ihre Wurzeln in Windisch.
Spielt gern immer wieder unterschiedliche Figuren: Schauspielerin Lale Yavas. (Bild: zvg | Jeanne Degraa)

Lale Yavas wirkte im Laufe ihrer zwanzigjährigen Laufbahn als Schauspielerin in Kinofilmen in Deutschland und in der Schweiz sowie in viel beachteten Fernsehproduktionen wie «Zeit der Wünsche», «Tatort Saarbrücken» und in zwei anspruchsvollen türkischen Primetime-Serien mit. Nun wurde sie an den Solothurner Filmtagen bei der Verleihung des Prix Swissperform mit dem Spezialpreis der Jury für ihre Rollen in der humorvollen SRF-Krimiserie «Die Beschatter» und im Stadt-Land-Drama «Neumatt II» (zweite Staffel ab 5. Februar, 20.05 Uhr) ausgezeichnet. Es ist Zeit, Lale Yavas zum Interview zu treffen.

Erste Schweizer Auszeichnung
Wir besuchen die gebürtige Windischerin, die mit ihrem Partner, einem Schriftsteller, schon lange in Zürich lebt, in ihrem Atelier in einem ehemaligen Kinderheim unweit des Stadions Letzigrund. «Ich habe mich heute hierher zurückgezogen, um mich in das Drehbuch eines ZHdK-Abschlussfilms zu vertiefen, in dem ich eine Bäuerin verkörpern werde», sagt Yavas, die in den letzten Tagen viele positive Reaktionen auf ihre vielschichtige und gefühlvolle Dankesrede bei der Verleihung des Prix Swiss­perform erhalten hat. «Der Preis hat mich sehr berührt, weil es meine erste Auszeichnung in der Schweiz war», erklärt Yavas. Als sie im Dezember erfuhr, dass sie ihn bekommen würde, schossen ihr viele Gedanken durch den Kopf: Ob sie ihn überhaupt verdient habe, ob er nicht nützlicher gewesen wäre, wenn sie ihn früher bekommen hätte, oder was sie als nicht mehr Zwanzigjährige über ihre Erfahrungen als Frau in diesem Beruf aussagen wolle. «Ich notierte in kurzen Sätzen, was mir beim Joggen oder Aufräumen einfiel, und verliess mich darauf, dass sich meine Rede daraus von selbst entwickeln wird, wenn ich unter Adrenalin auf dem Podium stehe.»

Durchbruch in Deutschland
Die Preise, die ihre Karriere lanciert haben, erhielt Yavas in Deutschland. Nach dem Besuch der Schauspielschule in Bern gewann sie ein Sat.1-Format für Nachwuchstalente, worauf sie bei einer namhaften Agentur unter Vertrag genommen wurde und die Hauptrolle in «Zeit der Wünsche» bekam. Der epische ARD-Zweiteiler erzählt vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund, wie die deutsche Industrie in den Sechzigerjahren in der Türkei Arbeitskräfte anzuwerben begann – eine dramatische Liebesgeschichte, in deren Mittelpunkt die junge Türkin Melike steht.

«Es war sehr anspruchsvoll, mich über Monate mit dieser Figur zu beschäftigen, zumal ich ihre introvertierte, starrköpfige Art als fremd empfand», erinnert sich Yavas, die eine besondere Verantwortung gegenüber ihrer Rolle und deren Authentizität spürte, da auch ihre Eltern zu jener Zeit als Emigranten aus der Türkei nach Windisch gekommen waren. Es gibt jedoch kaum Parallelen zwischen ihrer Mutter und Melike. «Es sind total unterschiedliche Charaktere, und die Sozialisierung der türkischen Einwanderer im Aargau war auch ganz anders als in Köln.» Wie, das zeigt die Ausstellung «Und dann fing das Leben an» bis zum 12. März im kHaus in Basel. Kuratorin Gaby Fierz und Porträtfotografin Ayse Yavas, Lales ältere Schwester, sammelten dafür bei Verwandten und Bekannten der siebzig türkischen Arbeitskräfte, die ihr Vater an Unternehmen im Aargau vermittelt hat, historische Dokumente und führten Gespräche.

Kindheit in Windisch
Lale Yavas wuchs in den alten Wohnblöcken im Reutenen-Quartier auf, die zu den Kabelwerken Brugg gehörten. Ihre Eltern arbeiteten dort in unterschiedlichen Schichten, damit sich immer jemand um die Kinder kümmern konnte. «Mein Vater hat uns gebadet, für uns gekocht, ist mit uns spazieren gegangen und hat mir alle Kartenspiele beigebracht», erzählt Yavas. «So führten meine Eltern – bedingt durch ihre Arbeitsrealität – eine selbst für Schweizer Verhältnisse sehr moderne Ehe. Sie machten auch die gleiche Arbeit, rochen nach der Schicht beide nach Gummi und Maschinenöl, erhielten aber nicht den gleichen Lohn.»

Lale ging nach der Bezirksschule Windisch, die sie als sehr streng empfand, auf die Kanti Wettingen. «Ich fühlte mich in dieser musischen Atmosphäre viel freier und spielte dort und bei ‹Zamt und Zunder› erstmals Jugendtheater. Mit einer Tanztheater-Gruppe trat ich sogar mal in der Badener Halle 36 auf.»

Erfüllung vor Erfolg
Obwohl Yavas sich über den Grimme-Publikumspreis für «Zeit der Wünsche» und ihre Nomination für den Undine Award für Jungschauspielerinnen sehr freute, galt ihr Streben anderem als der Wiederholung dieses Erfolgs. «Es war mir wichtiger, immer wieder ganz unterschiedliche Figuren zu spielen, als mich aus kommerziellen Beweggründen in eine Schublade stecken zu lassen, erklärt die Windischerin. «Nach der Fabrikarbeiterin Melike verkörperte ich im nächsten Film ‹Tod eines Keilers› lieber eine Ärztin.» Einen zweiten Grund verrät sie indirekt, als sie lachend erzählt, was der Regisseur Thomas Imbach einmal zu ihr gesagt hat: «Lale, müsstest du nicht etwas ehrgeiziger sein?»

Wie ihre Leistung in «Die Beschatter», wo Yavas eine warmherzige Imbissbesitzerin spielt, und in «Neumatt II», in der sie eine bösartige Supermarkt-Filialleiterin darstellt, zeigt, ist sie selbst bei der Interpretation von Nebenrollen sehr ambitioniert. Für einmal hat es sich sogar monetär ausbezahlt, ist der Prix Swissperform doch mit 10 000 Franken dotiert.

Lale Yavas ist am 5., 6., 8. und 9. Februar um 20.05 Uhr jeweils in einer Doppelfolge der SRF-Serie «Neumatt II» zu sehen.