Das ganze Bild als Vorbild zeigen

Die frisch gekürte Weltcup-Goldmedaillengewinnerin Elena Quirici erzählt, was im Sport zählt: Nebst Disziplin ist es Authentizität.
Elena Quirici zeigt ihre neues Weltcup-Goldmedaille. Als Trainerin ist ihr das Strahlen in den Gesichtern der Kinder in ihrer Karateschule Gold Wert. (Bild: cd)

Elena Quirici begrüsst mit festem Händedruck, einem warmen Lächeln und geradem, direktem Blick. Mit diesem Blick hat die Spitzensportlerin auch ihren Sport im Visier: Karate. Vor wenigen Tagen ist die 28-jährige Sportlerin vom Weltcup in Kairo zurückgekehrt. An ihrem ersten Wettkampf im Jahr 2023 holte Elena Quirici dort am 29. Januar die Goldmedaille. Mit ihrem fünften Premier-League-Sieg ist sie die erfolgreichste Schweizer Karatekämpferin aller Zeiten. 

Die Freude ist zurück
Die Freude über den Erfolg am Weltcup wird getragen von einer weiteren Freude. «Ich habe dadurch, dass wir die Karateschule eröffnet haben, mich selbst und die Freude am Sport wiedergefunden», sagt Quirici. Die Begeisterung der hochmotivierten Kinder im Alter von drei bis zwölf Jahren, die sie in ihrer Karateschule unterrichtet, seien eine echte Inspirationsquelle, so die Spitzensportlerin.

Das Dojo hatte sie im Dezember 2021 zunächst als persönlichen Trainingsraum eingerichtet, um mit internationalen Athleten zusammenzuarbeiten und sie zu betreuen. Die Karateschule für Kinder haben Elena Quirici und ihr Partner Raul Cuerva Mora, der ebenfalls Karatewettkämpfer ist, dann ein knappes Jahr später, Ende 2022, gegründet.

Ihr Partner ist seit gut zwei Jahren auch ihr Coach. Kennengelernt haben sie sich im Vorfeld der Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele 2020. «Mit ihm habe ich jemanden an meiner Seite, der sowohl mich kennt als auch den Sport und das Leben als Spitzensportlerin versteht», sagt Quirici. Etwas Besseres als diese Konstellation hätte ihr während der schwierigen Zeit, in der sie sich unter Corona-Bedingungen auf die Olympischen Spiele vorbereitete, gar nicht passieren können, sagt sie rückblickend mit einem feinen Lächeln.

Qualifikation für Olympia
Die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio beschreibt Quirici als sehr herausfordernd. «Ich wurde zu einer Maschine, die optimal funktionieren musste.» Sie habe nur noch die Ziele vor Augen gehabt, die sie sich für Tokio gesteckt hatte, und alles andere verdrängt, auch die Signale, die darauf hindeuteten, dass es ihr nicht immer gut ging in jener Zeit.

Erst als die Olympiade vorüber war, konnte sie sich wieder damit befassen, wie es ihr wirklich ging. «Ich habe mir die Zeit dafür gegeben, darüber nachzudenken, wer ich bin, was ich will und was mich erfüllt», blickt die Karatekämpferin zurück. Dabei sei ihr klar geworden, dass es zentral für sie ist, anderen etwas zurückzugeben, zumal denjenigen, die sie als Vorbild gewählt haben.

Elena Quirici in Action am Olympia-Qualifikationsturnier. (Bild: zVg)

Authentizität vorleben
Sie selbst sei von gewissen ihrer Vorbilder enttäuscht worden. «Ich möchte die Rolle ernst nehmen, und das bedeutet, dass ich meine Erfahrungen teile», ist das Credo der Athletin. Dazu gehöre es auch, offen über die schwierigen Seiten im Spitzensport zu reden. Neider oder Rückschläge gehören dazu, auch Phasen, in denen es nicht so läuft, wie man es will, seien normal. «Authentisch zu sein, das ist das Wichtigste, wenn man eine Vorbildfunktion hat, und dazu gehört es, das ganze Bild zu zeigen.» Darüber hält Quirici auch Vorträge in Schulen und Firmen. «Vorbilder im Sport sind enorm wichtig», sagt sie über ihre Aufgabe.

Fokus in Person
Von sich selbst sagt Elena Quirici, dass sie sehr fokussiert sei. «Wenn ich etwas will, erreiche ich es immer auf irgendeine Art und Weise.» Im Karate und in ihrer Disziplin Kumite sei es elementar wichtig, dass man sich fokussieren könne.

Schon als Vierjährige wollte sie mit auf die Tatami-Matte, genau wie ihre Mutter, eine Karatelehrerin, und ihre beiden älteren Brüder, die den Kampfsport damals schon ausüben konnten. Den ersten Wettkampf bestritt sie als 6-Jährige. «Seitdem ist Karate meine Passion», erzählt sie Sportlerin über ihren Werdegang. Geboren in Bidogno im Tessin und aufgewachsen in Schinznach-Bad, besuchte Quirici nach der Schule die United School of Sports und absolvierte dort eine KV-Ausbildung.

Von ihrem Vater, einem ehemaligen Spitzensportler im Eishockey, habe sie bestimmt den Kampfgeist, sagt die Karatemeisterin, die auf die Unterstützung der ganzen Familie in ihrer Sportkarriere zählen kann. «Meine Mutter ist bei allen Turnieren dabei, und meine Brüder sind die grössten Fans», berichtet die Schinznacherin.

Der Heimat verbunden
An den Olympischen Spielen verpasste die ehrgeizige Athletin mit dem fünften Rang nur knapp Edelmetall, brachte jedoch ein Olympisches Diplom mit nach Hause. «Ich hätte sehr gern eine Medaille für die Schweiz geholt», gibt sie zu. An der Schlusszeremonie der Olympische Spiele wurde sie zur Fahnenträgerin für die Schweizer Delegation auserwählt. Die enorme Unterstützung, die ihr gezeigt wurde, berührt sie nach wie vor. «Die Freude am Sport und den Einsatz für mein Land konnte ich zum Ausdruck bringen», berichtet sie und erzählt vom grossen Empfang, der ihr am Flughafen Zürich und insbesondere in Schinznach bereitet wurde. «Wenn Karate wieder olympisch wird, plane ich neu», verrät Quirici. Als Trainerin bleibe sie dem Karatesportauf jeden Fall treu, versichert die Vorzeigeathletin.