Die Abstimmungsunterlagen sind oder werden gerade verschickt. Wann stimmen Sie eigentlich ab?
Markus Schneider: Ich bin noch einer von denen, die am Sonntagmorgen persönlich an die Urne gehen. Meistens nehme ich die Couverts meiner Kinder mit und werfe sie in den Briefkasten vor dem Wahllokal, trinke dann einen Kaffee in der Stadt und gehe wieder zurück ins Abstimmungslokal, um die Stimmung zu spüren.
Adrian Schoop: Da ich selber Präsident des Wahlbüros bin, werde ich mit den anderen Helferinnen und Helfern im Einsatz sein. Abstimmen werde ich brieflich und den Stimmzettel mit dem «Ja» einige Tage vor dem Abstimmungssonntag offiziell in den Briefkasten des Gemeindehauses einwerfen. Beim Ausfüllen werde ich positive Gedanken ausstrahlen.
Beschreiben Sie Ihre Gefühlslage.
Schoop: Ich spüre eine leichte Nervosität. Einerseits als Bürger von Turgi, aber auch als Gemeindeammann. Es ist schon etwas Historisches für Turgi – nach der Trennung von Gebenstorf 1884 wohl derjenige Moment, der am meisten für unsere Gemeinde ändert. Man heisst plötzlich Baden, wird ein Stadtteil. Wichtig ist, dass man endlich Klarheit hat.
Schneider: Es wird Zeit, dass der Tag X kommt. An diesem Projekt haben wir lange gearbeitet. Nun sitzt du da und wartest, was passiert … Wie bei jeder Abstimmung bin ich aber grundsätzlich optimistisch. Die Bevölkerung hatte uns mit 58 Prozent den Auftrag gegeben, einen Fusionsvertrag auszuarbeiten. Sämtliche Parteien, mit Ausnahme der SVP, stehen dahinter. Darum bin ich überzeugt, dass die Stadt weiss, welch zukunftsweisende Ausstrahlung diese Abstimmung in die Region und den Kanton hinaus hat.
Wie bereitet man sich auf Tag X vor?
Schneider: Man wappnet sich natürlich für beide Szenarien. Wir werden Statements vorbereiten und einen Zeitplan für den 12. März aufstellen.
Schoop: Es wäre aber ein schlechtes Omen, wenn man schon vor der Abstimmung darüber spricht, was bei einem Nein passiert. Im Gemeinderat Turgi haben wir zeitnah zur Abstimmung einen Tag für die Analyse und das weitere Vorgehen reserviert. Bei einem Ja könnte man den löschen, für diesen Fall ist ja alles aufgegleist.
Welches war für Sie das Highlight der zweijährigen Kampagne?
Schneider: Ich fand die Quartierspaziergänge extrem cool. Dabei habe ich in Turgi viele Orte entdeckt, die mich an bestimmte Quartiere in Baden erinnern.
Schoop: Ein für Turgi historischer Moment war, als wir der Bevölkerung an der Gemeindeversammlung direkt die Frage stellten, ob sie einverstanden damit ist, dass wir den Zusammenschluss vollziehen – und im gefüllten Saal gingen fast alle Hände in die Höhe. Ich gab Markus spontan einen Handschlag. Das war in meiner ganzen politischen Arbeit einer der emotionalsten Momente.
Schneider: Nicht zu vergessen: Da trafen zwei Exekutiven aufeinander, die nicht eingespielt waren, jede mit ihrer eigenen Haltung. Lauter Leithammel sassen da am Tisch. (Beide lachen.) Zu spüren, wie das Miteinander wächst und man gemeinsam an einem Strang zieht, das hat mich fasziniert. Es hat uns aber auch gefordert und war aufwendig, das darf man schon sagen, oder, Adrian?
Schoop: Vor allem wir beide hatten als Co-Chefs unzählige Sitzungen und lernten uns sehr gut kennen. Markus hatte manchmal das Gefühl, ich sei zu nervös und zu ungeduldig. Das ist generell ein Thema, an dem ich arbeite. Sicher habe ich das eine oder andere Mal auch gesagt, Gopfriedstutz, muss man da jetzt wirklich bei jedem Punkt ins kleinste Detail gehen? (Zu Schneider) Hast du dich eigentlich manchmal über mich aufgeregt?
Schneider: Das war halb so wild.
Wie präsent ist die gescheiterte Fusion mit Neuenhof im Jahr 2010, als die Badener Bevölkerung mit 24 Stimmen Unterschied überraschend Nein sagte?
Schneider: … das haben natürlich alle irgendwie noch im Hinterkopf.
Schoop: Wir haben aber auch versucht, daraus zu lernen.
Schneider: Damals hatte man alles vorbereitet und am Ende die Volksabstimmung durchgeführt. Diesmal prüften wir in einer ersten Phase die Grundlagen und fragten dann erst einmal die Bevölkerung, ob wir diesen Weg weitergehen sollen oder nicht. Das ist ein entscheidender Unterschied im Prozess. Dies hat eine andere Verbindlichkeit geschaffen. Ausserdem war Neuenhof damals extrem knapp. Darauf wollten wir es aber keinesfalls ankommen lassen.
Schoop: Die erste Volksabstimmung im Juni 2021 war schon gewagt, und das Ja war nicht selbstverständlich. Zumal man zu diesem Zeitpunkt noch weniger Informationen hatte. Danach hatten wir nochmals fast zwei Jahre Zeit, um weiter zu arbeiten und zu kommunizieren. Wir haben unsere Arbeit gemacht.
Schneider: Der 12. März wird zeigen, ob wir sie überzeugend gemacht haben …
Gemeinden wie Birmenstorf haben signalisiert, dass ein Zusammenschluss mit Baden bei einem Nein kein Thema mehr für sie ist.
Schneider: Wenn du als Stadt in zwei Fusionsabstimmungen Nein sagst, dann muss man dieses Thema in den nächsten Jahren nicht mehr rausholen. Wirklich nicht. Dessen muss man sich bewusst sein. Aber damals mit Neuenhof war auch eine andere Zeit, das politische Gefüge ein anderes. Wir beide leben im Jetzt und für unsere Zukunft. Unsere Aufgabe ist, das Beste für die Weiterentwicklung unserer Gemeinden zu schaffen. Darum müssen wir vorwärtsgehen, nicht zurückschauen.
Schoop: Es gibt x Beispiele, wo Turgi Baden Vorteile bringt und umgekehrt. Wir haben zum Beispiel eine spannende Firma, die in der ETH entstand und jetzt im Spinnerei-Areal angesiedelt ist. Die Anfrage ging an Baden, dort gab es aber keinen Platz. Ohne das Fusionsprojekt wären Markus und seine Kollegen wohl kaum auf die Idee gekommen, die Firma an Turgi zu verweisen. Wir haben ein riesiges Potenzial mit der neuen BNO, gerade im Bahnhofsgebiet. Und als Teil der Stadt Baden mit einem Steuerfuss von 92 Prozent sind wir viel attraktiver für neue Steuerzahler im mittleren und hohen Segment.
Schneider: Man muss in einem solchen Projekt beide Gemeinden gleich spüren. Beide Exekutiven haben sehr stark in diesem Prozess gezogen – ein wichtiges Signal für die Bevölkerung.
Schoop: Es war auch sehr wichtig, dass sich die Exekutive von Baden in Turgi gezeigt hat und umgekehrt. Wir waren bei Meilensteinen immer dabei, standen Rede und Antwort. Und wir in Turgi fühlten uns immer auf Augenhöhe behandelt.
Adrian Schoop, Hand aufs Herz: Sie würden nach elf Jahren nicht mehr in einer Exekutive vertreten sein. Ist da auch Wehmut dabei?
Schoop: Natürlich, ich habe es geliebt, Gemeindeversammlungen zu leiten. Diese direkte Demokratie mit Wortmeldungen werde ich vermissen, so wie die Arbeit mit meinem Ratskollegium. Aber ich bin gewählt, um das Beste für die Gemeinde zu machen, und die Fusion ist ganz klar das Beste für Turgi.
Sie, Markus Schneider, sind dann der Vorsteher der grössten Aargauer Stadt. Ein gutes Gefühl?
Schneider: (lacht) Die Aufgabe bleibt die gleiche. Es kommt ein Entwicklungsgebiet dazu, das ich extrem spannend finde. Ich glaube, der Badener Stadtammann wird im Kanton schon wahrgenommen. Die Region Baden mit 140 000 Menschen ist ein wichtiges Rückgrat im Kanton als Wirtschaftsregion. Nördlich von Zürich ist Winterthur eine eigenständig starke Region. Wir müssen auf der anderen Seite von Zürich eine ebenso starke Region formen können, die selbständig funktionieren kann und nicht nur im Sog der Grossstadt ist. Auch das Limmattal boomt im Moment extrem.
Schoop: Stellen wir uns vor, Spreitenbach fusioniert mit Neuenhof und Killwangen. Auch deshalb müssen Baden und Turgi gemeinsam ein Zeichen setzen, dass wir grösser denken wollen und weiter gehen wollen.
Alle Infos zur Fusion: baden-turgi.ch