Die Sozialdienste des Kantons Aargau planen in den Liegenschaften Zelglistrasse 9 und Mülligerstrasse 11/13 eine Asylunterkunft für rund hundert Personen. Die Gemeinde Windisch wurde am 17. Februar bei einer Besprechung über die Pläne des Kantons, Asylsuchende an den genannten Adressen unterzubringen, informiert. Während dieses Treffens haben laut Aussage der Gemeinde Windisch die anwesenden Gemeindevertreter den Kanton ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Liegenschaften vermieten seien und es die Gemeinde nicht akzeptiere, wenn für die Unterbringung von Asylsuchenden Mieterinnen und Mieter auf die Strasse gestellt würden.
Mieter erhielten die Kündigung
Diese Haltung kommunizierte der Gemeinderat gegenüber dem kantonalen Sozialdienst wenige Tage darauf nochmals schriftlich und erwähnte explizit, er sei zu informieren, bevor weitere Schritte unternommen würden. Nichtsdestotrotz erschienen am 24. Februar erste Mieterinnen und Mieter der betroffenen Liegenschaften mit einer Kündigung auf der Gemeindeverwaltung.
Die Gemeindeverwaltung und der Gemeinderat zeigten sich schockiert «über die Art und Weise, wie mit den Bürgerinnen und Bürgern umgegangen wurde». Negativ überrascht vom Verhalten des Kantons, entschied der Gemeinderat deshalb, sich am 27. Februar mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit zu wenden und das kantonale Vorgehen publik zu machen. Eine grosse mediale Resonanz mit nationaler Reichweite und erste politische Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten.
Kanton nimmt keine Stellung
Der Kanton selbst schwieg bis zum Redaktionsschluss dieser Zeitung vom Dienstagabend gegenüber dem Gemeinderat wie auch gegenüber der Presse eisern. Lediglich ein knapp verfasstes Statement erreichte die Medien auf Anfrage hin am Montagabend. Darin bestätigt der Kantonale Sozialdienst (KSD) den Eingang des Briefs vom 22. Februar, in dem der Gemeinderat Windisch nach der Sitzung vom 17. Februar seine ablehnende Haltung gegenüber den für die betroffene Mieterschaft einschneidenden Massnahmen schriftlich festhielt. Im sechszeiligen Statement des KSD heisst es, der Brief werde in den nächsten Tagen beantwortet, und der KSD wolle im Weiteren «die bestehenden Differenzen nicht über die Medien austragen».
Der Gemeinderat Windisch zeigt sich äusserst irritiert über das bisherige Verhalten und Vorgehen des Kantons. «Wir gingen davon aus, dass der Plan nochmals abgewägt und weiter besprochen wird», sagt Marco Wächter, Gemeindeschreiber Windisch, der die Pressemitteilung, hinter der die Gemeinderäte geschlossen stehen, gemeinsam mit Heidi Ammon unterzeichnet hat. «Es ist uns schleierhaft, aufgrund welcher Rechtsgrundlage die 49 Kündigungen ausgestellt wurden», so Wächter.
Überfüllte Asylzentren
Weil per Ende Februar die Plätze in den Aargauer Asylzentren voll sind, rief der Kanton Aargau kürzlich die Notlage aus. Eine neue Verordnung erlaubt als äusserstes Mittel die Beschlagnahmung privater Liegenschaften. Im erwähnten Statement der Unterabteilung Asyl des Kantonalen Sozialdiensts ist festgehalten, dass es um eine «reguläre Anmietung zweier Altliegenschaften geht, deren Sanierung in nächster Zeit bevorsteht – und nicht um eine Beschlagnahmung». Wie der Gemeindeschreiber bestätigt, wurden keine Alternativen wie anderweitige geeignete Liegenschaften oder die Nutzung von unterirdischen Sanitätsstellen diskutiert oder geprüft, deren Nutzung gemäss Regierungsrat zusammen mit der Bekanntgabe der Notlage im Vordergrund zu stehen habe. Dass der Kanton nun so weit gehe, sogar bewohnte Liegenschaften anzumieten und dafür Mietverträge kündigen zu lassen, löse beim Gemeinderat grosses Befremden aus. «Von Zurückhaltung und Verhältnismässigkeit ist in diesem Fall nichts zu spüren.»
Der Gemeinderat fühlt sich vom Kanton übergangen. «Weder der Gemeinderat noch die Gemeindeverwaltung wurden vorher über den Vollzug der Kündigungen in Kenntnis gesetzt», erklärt das Gremium in seinem Schreiben. Man erwarte vom Kanton, einen konkreten Grund für die Kündigungen zu nennen und diese mindestens wieder rückgängig zu machen, fordern Wächter und Gemeindepräsidentin Ammon öffentlich.
Bei den betroffenen Mietparteien in den Liegenschaften einer Schwyzer Immobilienfirma handelt es sich um Personen mit tieferem Einkommen. «Wo sollen diese Menschen unterkommen, wenn sie sich bereits diese günstige Wohnung nur knapp leisten können?», fragt der Gemeinderat.
Vermieterin meldet sich zu Wort
Bei den Menschen, die der Kanton im Asylzentrum in Windisch unterbringen will, handelt es sich nicht um Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine oder anderen Kriegsländern, sondern um regulär Asylsuchende, sagt Marco Wächter. «Mit dem Vertreiben von sozial Schwächeren aus ihren Wohnungen zur Unterbringung von Asylsuchenden wird das Problem lediglich verlagert», analysiert der Gemeinderat die Lage. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, um die Flüchtlingskrise gemeinsam zu lösen, sehe aus seiner Sicht definitiv anders aus.
Am Dienstagabend hat sich die Liegenschaftsbesitzerin nun gegenüber dem SRF Regionaljournal Aargau Solothurn zu Wort gemeldet. Sie betont, es handle sich um die Kündigung von 32 Wohneinheiten, die nicht zwecks Vermietung an Flüchtlinge erfolgte. «Die Kündigungen wurden einzig und alleine ausgesprochen, da die bestehende Liegenschaft ihren baulichen Lebenszyklus erreicht hat», so das Unternehmen gegenüber SRF. Noch diese Woche wolle die Immobilienfirma zusammen mit der Gemeinde Windisch offene Fragen der Mieterschaft beantworten.