Kranke Bäume sind nicht mehr zu retten

In Brugg müssen demnächst sechs kranke Bäume gefällt werden, vier davon im Gebiet Schönegg. Ein Rundgang mit Jonas Stucki und Alois Murer.
Verbunden mit den grünen Riesen. Wer Alois Murer auf einem Rundgang durch Brugg begleitet, könnte stundenlang zuhören. (Bild: aru)

Wenn Alois Murer und Jonas Stucki von Bäumen erzählen, wird einem warm ums Herz. Schnell wird klar: Der schweizweit bekannte Baumpflegespezialist aus Schmiedrued und der Leiter Werkdienst, selbst ursprünglich gelernter Landschaftsgärtner und Grünflächenspezialist, geben einen Baum nicht leichtfertig auf. «Fällungen gehen mir emotional nahe», sagt Stucki. Und weil das auch bei vielen Menschen aus der Bevölkerung der Fall ist, führen er und Murer die Presse zu den sechs kranken grünen Riesen, die in den nächsten zehn Tagen weichen müssen. «Mir ist wichtig, den Menschen Zeit zu geben, sich von den Bäumen zu verabschieden», so der Leiter Werkdienst.

Kampf ums Überleben Als Erstes führt der Baumrundgang zur Laurstrasse 11. Im Garten der städtischen Villa, die vom Familienzentrum genutzt wird, steht eine rund 80-jährige Fichte. Der Blick in die Krone zeigt: Der Baum ist im oberen Drittel tot. «Die Fichte ist ein Flachwurzler», erklärt Spezialist Alois Murer. Die extrem trockenen Monate hätten ihr stark zugesetzt. «Aufgrund des Wassermangels kommt der Baum zunehmend in Panik, und er wird anfällig für Schädlinge.» Kein Wunder also, dass sich der Kupferstecher, ein Borkenkäfer, im oberen Teil des Baums eingenistet hat. «Als erste Massnahme scheidet der Baum Harz aus, um sich zu schützen», erklärt der ausgewiesene Baumpflegespezialist. «Doch dies ist ihm aufgrund des Wassermangels nicht möglich.» Deutlich zu sehen sind der Nadelverlust und die übermässige Zapfenbildung – eine der letzten Massnahmen, die der Baum ergreift. «Er merkt, dass es zu Ende geht», so Murer. «Doch bevor er aufgibt, sorgt er mit letzter Kraft für Nachkommen.» Exakt dasselbe Phänomen zeigt eine Fichte auf der Brunnenmühlewiese, die ebenfalls gefällt werden muss. Er wird nicht ersetzt, derjenige an der Laurstrasse hingegen schon.

Jonas Stucki und Alois Murer vor der kranken Esche im Schöneggpark. (Bild: aru)

Erfassung im Baumkataster
Fichten gehören zu denjenigen Baumarten, die als Flachwurzler mit dem Klimawandel nicht überall zurechtkommen. «Jungbäume können sich hier deutlich besser adaptieren als alte», erklärt Alois Murer und holt zu einem kleinen Exkurs über die generelle Flexibilität der Natur aus. «Wenn wir den Wald beobachten, sehen wir, wie klug die Pflanzen nach und nach auf Umweltbedingungen reagieren.» Dies können sie in von Artenvielfalt geprägten Gemeinschaften jedoch besser als in den Monokulturen und Solitärpflanzungen der Städte. Heute müsse man die vor wenigen Jahren gepflanzten reinen Platanen- oder Eichenanlagen in den Grossstädten oft fällen, fügt Jonas Stucki an. «Mit den veränderten Klimabedingungen und der Globalisierung treten auch neue Schädlinge auf, mit denen man nicht gerechnet hat», so der Leiter Werkdienst. Die Stadt Brugg beobachte sehr genau, was Zürich und weitere urbane Gebiete ausprobieren und erforschen. «Als kleine Stadt orientieren wir uns an der Pionierarbeit der grossen», so Stucki. Neu werden alle Massnahmen, die an den rund 1400 Bäumen, für welche die Stadt auf öffentlichem Grund und in den Anlagen der eigenen Liegenschaften zuständig ist, vorgenommen werden, in einem Baumkataster erfasst. «So kann die Stadt Brugg den Baumbestand professionell unterhalten und weiterentwickeln», erklärt der Leiter Werkdienst.

Buchen leben in Gemeinschaft
Der Rundgang führt zum aktuell gesunden Baumbestand des Buchen-dreiecks am unteren Ende der Laurstrasse und weiter zum Schönegg-Parkplatz. Hier zückt Alois Murer sein Sackmesser und klopft «wie ein Specht» an die Rinde einer Buche. «Der schlechte Zustand zeigt sich am hohlen Klang», erklärt er. Der Baum sei ihm sofort aufgefallen – er habe viele Äste verloren, zeige keine Zuwachsstreifen, habe Verletzungen und sei fast komplett ausgefault. «Bei starkem Wind fällt er um», prophezeit der Spezialist, der für die Stadt Brugg bereits viele Gutachten erstellt hat. «Dieser Baum hat nur überlebt, weil er durch die Gesellschaft mit den anderen Bäumen geschützt ist.» Solitär hingegen steht die junge Trauerweide, welche mit ihren Ästen der darunter platzierten Bank Schatten spendet. Vor zwei Jahren sind hier zwei grosse Äste runtergefallen – für Jonas Stucki Anlass genug, den Gesundheitszustand des Baums zu überprüfen. «Hier war der Weidenbohrer am Werk», erklärt Alois Murer. Der einheimische Nachtfalter, «fast so gross wie eine Fledermaus», lege seine Eier unter die Rinde. Daraus entwickeln sich fingerdicke Raupen, welche so grosse Löcher ins weiche Holz des Baums fressen, dass dieser nicht überleben kann. «Von aussen ist das kaum zu sehen», sagt Murer. Und Jonas Stucki ergänzt, dass die Sicherheit gerade bei einem Ort wie dem Kinderspielplatz äusserste Priorität hat.

Kletterbaum für die Kinder
Um die Kinder gehts auch bei der Hainbuche, die eng mit einer an der Eschentriebsterbe erkrankten Esche verwachsen ist und gefällt werden muss. «Dass wir die Esche wegnehmen, kommt der Buche zugute», sagt Murer. Und somit auch den Kindern. «Aufgrund ihrer Robustheit sind Hainbuchen wunderbare Kletterbäume», weiss der Spezialist.

Der emotionalste Moment kommt für die beiden Fachleute zum Schluss. Bei der grossen Esche an der Altenburgerstrasse hat der Lackporling gewirkt. Der Pilz zersetzt den Baum vom Kernholz aus. «Spätestens wenn der Stamm eine Buchtung macht, weiss ich: Er ist sehr schwach», erklärt Murer. «Dass dieser grosse Baum, der zum Charakter des Parks beiträgt, weichen muss, schmerzt mich», fügt Jonas Stucki an. «Hier entsteht eine richtige Lücke.» Die Bäume im Schöneggpark werden vorerst nicht ersetzt, da die Umgestaltung des Parks sowie die Erneuerung des Spielplatzes und des Gebäudes aktuell auf der politischen Agenda stehen.

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Alois Murer bei der Buche auf dem Schöneggparkplatz. (Bilder: aru)

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Die Esche links von der Hainbuche wird entfernt.

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Die Trauerweider bei der Schönegg wird gefällt.

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Im oberen Drittel ist die Fichte tot.

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Jonas Stucki und Alois Murer vor der befallenen Fichte an der Laurstrasse 11.

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