Das Bundesparlament soll diesen Herbst neu besetzt werden. Fünf Ständeratskandidatinnen aus dem Aargau stellen sich der Wahl am 22. Oktober. Marianne Binder (Die Mitte), Irène Kälin (Grüne), Barbara Portmann (GLP) und Lilian Studer (EVP) fanden sich am letzten Donnerstagabend zum Podiumsgespräch in Lengnau ein, um ihre Zukunftsideen zu präsentieren. Gabriela Suter (SP) liess sich entschuldigen. Den Anlass organisiert hatten die Zurzibieter Frauen. Ziel des überparteilichen Vereins ist es, Frauen in Behörden und leitenden Funktionen im Zurzibieter Raum zu fördern und sie in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sichtbar zu machen.
Hohes Tempo vorgelegt
Nebst monatlich organisierten Anlässen, Veranstaltungen, Themenvorträgen und Treffen, die zum Austausch anregen und über die Region hinaus reichen, bietet er seit der Gründung im Jahr 2013 Beratung, Coachings und berufliche Begleitung und ein dichtes Jahresprogramm an. Angesichts jüngster Studien zweifellos von grosser Relevanz: Gemäss einem kürzlich publizierten Papier, das in Zusammenarbeit mit der ETH erstellt wurde, seien Frauen kaum in Führungspositionen anzutreffen, weil sie eine solche Stellung viel weniger anstrebten als Männer und die Untervertretung somit selbst gewollt sei.
Der Lengnauer Podiumsabend in der Aula im Schulhaus Rietwise stand hingegen im Zeichen der Schnelligkeit sowie der Ambitionen und widerlegte die Studienergebnisse deutlich. Zunächst hatte jede anwesende Nationalratskandidatin zwei Minuten Zeit, um ihr persönliches Profil und ihre politischen Prioritäten zu präsentieren.
Mit ihrer dynamischen Moderation legte Susanne Holthuizen aus Lengnau, die im Vorstand der Zurzibieter Frauen unter anderem für die Kommunikation verantwortlich ist, von Beginn an ein hohes Tempo vor. «Es ist höchste Zeit für Frauen aus dem Aargau», eröffnete sie den Podiumsabend. «Heute Abend haben wir ein Podium, das von Schnellrednerinnen und Schnelldenkerinnen besetzt ist.»
Den Nationalratskandidatinnen folgten die Anwärterinnen für den Ständerat auf das Podium. Auch sie lieferten in athletischer Manier Antworten auf Fragen, die zuvor vom Publikum, das überwiegend aus Frauen mit breiter Generationenstreuung bestand, schriftlich eingereicht worden waren.
Griffige Antworten
In mehreren Runden zogen Binder, Kälin, Portmann und Studer die Zettel aus der Plexiglaskugel und beantworteten frei in ihren zwei Minuten Redezeit diese Fragen, die aufgrund ihrer Vielfalt für eine angeregte Atmosphäre sorgten. Marianne Binder aus Baden, die im Siggenthal aufgewachsen ist und sich als «in der Mitte verortet» bezeichnet, machte den Anfang. Sie zog eine Frage zur Energieversorgung und -effizienz, die lautete, wie die Energieversorgung sicherzustellen sei. Mit ihrer prägnanten Antwort befand sich Binder sichtlich in ihrem Element. «Wir sind zu wenig schnell unterwegs, um die Energiestrategie umzusetzen», konstatierte sie ganz im Sinne der vitalen Geschwindigkeitsvorgabe, unter der sich das Podium bewegte. «Es dauert zu lang!» Sie habe keine Berührungsängste mit der Kernkraft und finde, eine Selbstversorgung sei möglich und solle intakt sein.
Lilian Studer klaubte eine Umweltfrage aus der Plexiglaskugel: Ist unsere Natur nicht auch so viel wert wie die Rettung einer Bank? «Noch viel mehr», lautete Studers lapidare Antwort. Ein Ja zur Klimaschutzinitiative sei unumgänglich. «Der Krieg hat im Parlament Diskussionen ermöglicht, die es vorher so nicht gab», was sie optimistisch stimme, so die EVP-Politikerin aus Wettingen. Die Grünliberale Barbara Portmann aus Lenzburg hatte sich zum Thema Angst zu äussern. «Die Furcht vor Verlust ist einfach grösser, als die Chance zu ergreifen, etwas weiterzuentwickeln», war ihre psychologisch gestützte Einschätzung auf die Frage, weshalb sich viele politische Kampagnen an Mechanismen bedienten, die Ängste in der Bevölkerung schürten. «Das ist nicht der richtige Ansatz», hielt Portmann fest, bevor die zwei Minuten Redezeit um waren.
Die erste Frage, mit der sich Irène Kälin auseinandersetzte, betraf das Gesundheitssystem. Wie es mit unserem Gesundheitssystem weitergehe bei den ständig steigenden Prämien. «Ein leidiges Thema. Die zunehmend spezialisierte Medizin braucht immer teurere Maschinen», sagte die Neu-Aarauerin Kälin und diagnostizierte damit ein Problem, das den ausufernden Kosten zugrunde läge. Das sei alles andere als patientenfreundlich. «Prävention kann helfen, Kosten zu verhindern oder zu senken», doch wie man die Dynamik brechen könne, sei auch ihr nicht klar, gab sie zu.
Verfremdung des Wissens
Mit einem brandaktuellen Thema befasste sich eine der nächsten Fragen an Marianne Binder. Ob die künstliche Intelligenz (KI) Chance oder Risiko darstelle? Die Nationalrätin der Mitte-Fraktion bewies Humor und sorgte für Erheiterung, als sie lebensnah von ihren Erfahrungen mit KI berichtete, als sie kürzlich eine Rede vorbereiten wollte. «KI verfremdet das Wissen», so ihre Antwort, die sie mit bewusstem Ernst abschloss.
Zum letzten Teil des Abends leitete Kälin charmant nach sachlicher Beantwortung über Steuergerechtigkeit mit einem «Zeit für Apéro» über. Nach der Verdankung der vier Ständeratskandidatinnen wurden die Nationalratskandidatinnen mit einer Endinger Nusstorte und Honig aus der Region beschenkt. Ein symbolisches Geschenk, um sie daran zu erinnern, dass sie weiter bienenfleissig unterwegs sein sollen. In kleinen Gruppen wurde am Apéro noch länger weiterdisktiert.