Der Aufschrei in Birmenstorf war gross, als wenige Tage nach einer Referendumsabstimmung mit knappem Ja zum Kiesabbau in der Grosszelg bekannt wurde, dass die Merz-Gruppe an das Zürcher Familienunternehmen Eberhard verkauft ist. Man fühlte sich verschaukelt, hinters Licht geführt. «Wir wollten mit unserem Ja ein Unternehmen aus Gebenstorf und somit aus der Region unterstützen – Arbeitsplätze sichern», sagte ein Teilnehmer einer Informationsveranstaltung, zu der die Eberhard Holding in die Kiesgrube Niderhard eingeladen hatte. Rund hundert Personen nutzten die Gelegenheit, um bei Wurst, Bier und Mineralwasser mehr über Eberhard zu erfahren und natürlich zu seinen Beweggründen, Merz aufzukaufen. Auffällig: Vom Birmenstorfer Gemeinderat sowie von den führenden Köpfen des Komitees gegen den Kiesabbau war niemand zu sehen. Eberhard hingegen war mit mehren Mitgliedern der Familie und weiteren Kaderleuten anwesend.
Aufbereiten von Abbruchmaterial
Martin Eberhard ist in zweiter Generation Geschäftsführer der Firma. Sie ist Lieferantin von Roh- und Recyclingstoffen, aber ebenfalls ein Bauunternehmen mit Schwerpunkt beim Rückbau und Aufbereiten des Abbruchmaterials. Dazu gehört die Reinigung kontaminierter Böden. Es war Eberhard, der den Inhalt und das Erdreich der Sondermülldeponie Kölliken per Bahn abtransportiert und in seinen Anlagen dekontaminiert hat. Die Firma gilt als Pionierin der Kreislaufwirtschaft und produziert aus Bauschutt einen Kiesersatz. Mit Zement vermischt, entsteht sogenannter Zirkulit-Beton. «Leider benötigen wir weiterhin Kies», sagt Eberhard. Der Grund: «Zum einen wird mehr gebaut als abgebrochen. Zum anderen dachte man bis vor zwanzig Jahren bei der Konstruktion von Bauten nicht an deren Rückbau – viel Material kann nur einer Deponie zugeführt werden.» So kommt es, dass pro Jahr und Kopf der Bevölkerung eine Lastwagenladung Kies benötigt wird. Dementsprechend besitzt Eberhard Kieswerke, beispielsweise in Weiach an der Grenze zum Aargau.
Nachfolgeproblem gelöst
Deshalb also die Übernahme von Merz? «Wir hätten das Unternehmen auch ohne Grosszelg gekauft», sagt Eberhard und erzählt die Vorgeschichte. «Um Zirkulit in der ganzen Schweiz anbieten zu können, haben wir letztes Jahr Kontakte zu Betonwerken gesucht, um mit ihnen Partnerschaften aufzubauen.» Eine Adresse sei Merz in Gebenstorf gewesen, wo man sich anfänglich wenig interessiert gezeigt habe. Dann aber ein Anruf: Das Familienunternehmen Merz hat ein Nachfolgeproblem, weshalb die Firma Eberhard angeboten wurde.
Nachfolgeprobleme kennt Eberhard nicht. Nächstes Jahr übernimmt einer der Söhne von Martin Eberhard die Geschäftsführung. Weihnachten 2022 sei klar gewesen, dass man Merz übernehmen möchte. Da man nicht eine teure (die Kaufsumme ist nicht öffentlich) «Katze» im Sack kaufen wollte, waren weitere Abklärungen nötig, die sich über vier Monate hinzogen. «Es ist tatsächlich so, dass der Vertrag erst am 29. März – also nach der Abstimmung – unterzeichnet wurde», erklärt Eberhard. Ein Versammlungsteilnehmer meint: «Merz hätte uns vor der Abstimmung seine Verkaufsabsichten mitteilen müssen – das war nicht Sache von Eberhard.»
Wie geht es weiter? «Am Projekt Grosszelg und für Birmenstorf ändert sich nichts», sagt Eberhard. Gemeinsam mit der Richi AG aus Weiningen und der Knecht Bau AG aus Brugg wolle man den Kies abbauen. Was die Merz-Gruppe betreffe, würden alle Aktivitäten sowie die 70 Mitarbeitenden übernommen. Auch zur Grube Niderhard gab es Informationen. Der Kiesabbau wird eingestellt, die Grube aufgefüllt und das Land rekultiviert. «Ab 2032 gibt es hier wieder landwirtschaftliche Fruchtfolgeflächen.»