«Oft sind wir der Lichtblick des Tages»

Die Arbeit von Spitex-Mitarbeitenden findet in der Privatsphäre der Klienten statt. Für einige ist der Spitex-Besuch der Kontakt zur Welt.
Spitex-Mitarbeiterin Elena Meyer besucht bis zu 15 Klienten pro Tag. (Bild: cd)

Elena Meyer ist diplomierte Pflegefachfrau HF und arbeitet seit gut sieben Jahren bei der Spitex Region Brugg. «Ich kann es mir nicht vorstellen, in einem Spital zu arbeiten», sagt die 24-jährige. «Das Unterwegssein gibt mir ein viel freieres Arbeitsgefühl», erklärt sie zu Beginn ihrer Spätschicht an diesem Nachmittag. «Wir machen genau das Gleiche wie Pflegefachpersonen in den Spitälern oder Pflege- und Altersheimen, nur im privaten Umfeld der Klientinnen und Klienten.»

Sicherheit geben
Der zentrale Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Tätigkeit von Spitex-Mitarbeitenden umfasst die fachgerechte, bedarfsorientierte Hilfe und Pflege zu Hause. Dazu gehören unter anderem die Unterstützung bei der Körperflege von Langzeitpatientinnen und -patienten sowie spezialisierte Leistungen im Bereich der Wundversorgung, Psychiatrie und Palliative Pflege.

«Oft wird auch nur schon unsere Anwesenheit sehr geschätzt», berichtet Meyer. «Das gibt einfach Sicherheit», weiss die Pflegefachfrau aus Erfahrung. Die rund 30 Mitarbeitenden des Teams Zentrum Spitex Region Brugg AG pflegen und betreuen Klientinnen und Klienten aus den Gemeinden Brugg, Hausen und Windisch. Weitere Stützpunkte befinden sich in Lupfig, Schinznach-Dorf und Rüfenach. Die sechs Teams sind im ganzen Einzugsgebeit tätig. Auf ihren Runden durch die Quartiere, die Meyer fast das ganze Jahr hindurch mit dem Velo unternimmt, besucht die in Windisch Aufgewachsene, die sich in allen Einsatzgemeinden sehr gut auskennt, zwischen acht und fünfzehn Klientinnen und Klienten pro Tages- oder Abendschicht. «Gerade die Klienten, die wir seit Jahren betreuen oder deren Partner oder Partnerinnen wir bereits begleitet haben, kennt man mit der Zeit und weiss um Vorlieben, Eigenheiten und charakterliche Eigenschaften», erzählt Meyer, die sich der sozialen Seite ihrer Arbeit nebst der medizinischen Facharbeit sehr bewusst ist. «Für viele Alleinstehende ist der Besuch eines Spitex-Mitarbeitenden der Lichtblick des Tages.»

Pflegefachfrau Elena Meyer nimmt eine Wundintervention vor. (Bild: cd)

«Es ist eine gute Woche»
Den ersten Termin auf der heutigen Runde durch die Quartiere von Hausen führt die Spitex-Pflegefachfrau zu einem Klienten, der ein Stoma hat. «Bei diesem Klienten werde ich den Beutel wechseln und die Haut auf der Bauchdecke rund um den künstlichen Darmausgang kontrollieren und desinfizieren», erklärt Meyer auf dem Weg zum Haus durch den weitläufigen Gemüsegarten, in dem die Beete und Rabatten angelegt sind wie in einer Gärtnerei. Die Frau des Rentners öffnet die Tür. Wo ihr Mann gerade sei, wisse sie nicht, «vermutlich im Garten, er kommt gleich», sagt sie, als der Klient bereits im Türrahmen steht.

Routiniert bereitet Meyer das nötige medizinische Material vor, legt es auf dem Tisch aus und plaudert dabei  mit dem Klienten. Sie fragt nach seinem Befinden, erkundigt sich, ob es Probleme oder Ungewöhnliches zu berichten gebe. «Es geht mir gut, ich habe eine gute Woche», gibt dieser zu Protokoll. Mit geübten Handgriffen löst Meyer das Versorgungssystem, das die Haut rund um das Stoma vor Kontakt mit Stomaausscheidungen schützt, desinfiziert die Stelle mit Spray, Watte und Wattestäbchen und setzt ein neues Versorgungssystem an. Zweimal pro Woche sind diese Wechsel durch die Mitarbeitenden der Spitex nötig, die Beutel wechselt der Klient selbst. Nachdem die Pflegefachfrau noch ein paar Fragen an den  Klienten gerichtet hat, klappt sie ihr Tablet auf, notiert in der Patientendokumentation Angaben wie Dosierungen von Medikamenten und weitere Anmerkungen oder Hinweise, sodass ihre Kolleginnen und Kollegen beim nächsten Besuch Bescheid wissen und immer auf dem neuesten Informationsstand sind.

Arbeiten im Zeitfenster
Auf ihren täglichen Runden zu den Klientinnen und Klienten melden die Spitex-Mitarbeitenden ihren Besuch in einem ungefähren Zeitfenster morgens, vormittags oder nachmittags an. «Anders ginge das nicht, wir können nicht auf die Minute genau sein», berichtet Meyer auf dem Weg zur nächsten Klientin, bei der sie eine Wundintervention vornimmt. Danach klingelt sie bei einem weiteren Haus. Der Mann, ein Krebspatient, braucht seine tägliche Spritze. Die Pflegefachfrau nimmt die Injektion in den Bauch des Klienten im Wohnzimmer vor. «Sie und Ihre Kolleginnen machen das immer so gut», versichert der Klient, als Meyer den Verlaufsbericht ausfüllt und die gebrauchte Spritze in einem Recyclingbehälter entsorgt, den der Klient schon auf dem Tisch bereit gestellt hat. Bei der Verabschiedung reicht ihr der Mann die Hand. «Bis zum nächsten Mal.»

Tausende Pflegestunden
Die Mitarbeitenden der Spitex leisten Tausende von Pflegestunden pro Jahr. Allein bei der Spitex Region Brugg waren es 2022 für die Altersgruppe 80 plus 42 954 Stunden, bei den 65- bis 79-jährigen 13 854 und bei den 5- bis 64-jährigen 12 127 Stunden. Das ergibt ein Total von 68 935 Stunden. Die Arbeit findet im Verborgenen statt und ist nur anhand der vor den Häusern parkierten Autos oder der blauen Pflegekittel sichtbar, wie sie Elena Meyer auf den Wegen während ihrer Arbeit trägt.