«Meine Eltern machten nie Druck»

Als Bäckerssohn ist Joël Alt quasi in der Backstube auf­gewachsen. Nach Lern- und Wanderjahren kehrte er als Inhaber ins Surbtal zurück.
Joël Alt übernimmt oft um 1.30 Uhr die erste Schicht in der Backstube, damit die Auslieferung am Morgen bereit ist. (Bild: is)

Die Steinplatten des grossen Ofens in der Backstube strömen nachmittags um 14 Uhr noch eine wohlige Wärme aus. «Sie speichern die Hitze sehr lang. Morgen früh werden sie immer noch 80 Grad heiss sein», erklärt Joël Alt. Schon um 1.30 Uhr nachts wird der 30-jährige Bäcker-/Konditormeister wieder hier stehen, um die erste Schicht zu übernehmen. Später erledigt er Büroarbeiten, schult seine fünf Lernenden und telefoniert mit Handwerkern. Irgendwann am Nachmittag wird er heim nach Ennetbaden fahren und sich gegen Abend schlafen legen. «Lieber einmal richtig durchschlafen als zweimal mit Unterbruch», lautet seine Devise. So kann er zudem Zeit mit seiner sechs Monate alten Tochter Gueneth verbringen. Im Januar 2022 hat Joël Alt den Bäckereibetrieb seiner Eltern Ruedi und Jeannette mit total 25 Angestellten übernommen. Dazu gehören neben dem Hauptsitz in Endingen mit der Backstube zwei weitere Standorte in Ehrendingen: im Gewerbegebiet Böndlern sowie im Schmiedhof im Dorfzentrum.

Lehre auswärts absolviert
Dass er als Zweitältester von vier Geschwistern einst in die Fussstapfen der Eltern tritt, war allerdings lang nicht klar. Obwohl er quasi in der Bäckerei aufgewachsen ist: «Es gibt Bilder von mir, wie ich neben Apérogebäck friedlich im Kinderwagen liege.» Schon früh halfen die Kinder im Apéroservice mit. «Unsere Eltern waren zwar immer grosszügig, und wir durften essen, was wir wollten. Dennoch sind wir alle schlank geblieben», erzählt Joël Alt und ergänzt lachend: «Meine Kollegen haben die Grosszügigkeit natürlich geschätzt.»

Seine Lehre absolvierte er auswärts, in Niederweningen. Als sein Lehrmeister bei einem Motorradunfall ums Leben kommt, kann er die Ausbildung in Niederwil abschliessen. Nach einer Anstellung in der Aarauer Bäckerei zur Kettenbrücke geht er für ein Jahr nach Neuseeland, um sein Englisch zu verbessern. In Queenstown heuert er bei einem Produktionsbetrieb an, der Luxushotels beliefert.

Im Oktober 2021 steigt er im elterlichen Betrieb ein und sammelt in der Filiale Böndlern erste Führungserfahrung. Zwei Jahre lang besucht er die Hotelfachschule Belvoir Park in Zürich, um sich in Betriebsmanagement ausbilden zu lassen. Das fünf Monate lange Praktikum absolviert er auf einem Kreuzfahrtschiff zwischen Hongkong und Europa. In der Richemont-Bäckereifachschule in Luzern sammelt er prägende praktische Erfahrungen – und lernt dort seine Frau Myriam kennen. Vor drei Jahren wird die Nachfolge langsam zum Thema. «Meine Eltern haben mich aber nie unter Druck gesetzt», beteuert der 30-Jährige. Mittlerweile wohnen Ruedi und Jeannette Alt in Nidwalden, wo Ruedi Alt die Pensionierung geniesst. Jeannette Alt arbeitet am Freitag und Samstag noch an der Verkaufstheke in Endingen.

Nachhaltige Ideen
Sein Fachwissen aus der Ausbildung hat Joël Alt als neuer Chef Schritt für Schritt umgesetzt. «Ich wollte anfangs bewusst nicht viel ändern, sondern rotierte erst einmal in den Betrieben.» Mittlerweile ist der frische Wind aber gut zu spüren: Mit einer neuen Website, einer jährlich erscheinenden Hauszeitung, Präsenz auf Social Media sowie nachhaltigen Ideen will sich Beck Alt als «Genussplattform im Zurzibiet» positionieren. «In der Hotelfachschule lernt man, dass die Vision stärker im Vordergrund stehen muss als die Produkte», weiss Joël Alt. «Wir möchten den Leuten zeigen, dass wir uns Zeit für die Herstellung nehmen. Unsere Produkte sollen bekömmlich sein, auch für Menschen mit Unverträglichkeiten.»

Er hat unter anderem einen Brotfahrplan eingeführt, bei dem jeden Monat andere saisonale Brotspezialitäten wie «Alter Ruedi», «Heidewiibli» oder ein Dinkel-Tomaten-Brot angeboten werden. Der Chef legt Wert auf lokale Produkte. Das Dinkelmehl stammt vom Loohof in Endingen, und es wird möglichst wenig Foodwaste produziert: Essensreste, Rüstabfälle und Unverkauftes wird zu Biogas verarbeitet. Nicht verkauftes Brot geht als Tierfutter an Endinger Bauern.

Joël Alt hat weitere Pläne für die Zukunft. Gemeinsam mit seiner Frau, einer Sozialpädagogin, möchte er ein Inklusionscafé eröffnen. Und die Idee für «die perfekte Bäckerei», zu der er aber noch nicht mehr verraten will, trägt er seit geraumer Zeit mit sich herum. Bereits früher möchte er sich einen anderen Traum erfüllen: «Einmal Ferien bei einem Bäcker in Frankreich verbringen, um ein richtig gutes Baguette zu backen.»