Der Waffenplatz wird ihm fehlen

Adrian Gerwer prägte zwanzig Jahre lang den Waffenplatz. Zu seinem Abschied überreicht er ein Geschenk mit Wachstumspotenzial.
Berufsunteroffizier Adrian Gerwer: «Mein Feingefühl im Umgang mit Menschen habe ich mir nie ausreden lassen». (Bild: cd)

Zum Gespräch bittet Adrian Gerwer in einen Aufenthaltsraum der Kaserne Brugg. Als er im Sessel gegenüber Platz nimmt, fragt er, ob er die Jacke ausziehen könne. Die Frage ist im Kontext seines beruflichen Wirkens zu sehen: Adrian Gerwer diente fast 40 Jahre lang in der Schweizer Armee. In den letzten 20 Jahren war der Waffenplatz sein Arbeitsort. Hier ist das Kommando der Genieschule 73 stationiert, das schweizweit für die Ausbildung aller Geniefunktionen verantwortlich ist. «Der Waffenplatz in Brugg ist einer der ältesten Genie-Ausbildungsstätten europaweit», sagt der Berufsunteroffizier. Gerwer hat ihn massgeblich mitgeprägt – und hinterlässt ein sichtbares und lebendiges Legat.

Der letzte Streich
Am 30. Juni, seinem letzten Arbeitstag bei der Schweizer Armee, wird der Adjutant, der kürzlich seinen 60. Geburtstag feierte, ein letztes Mal in offizieller Funktion auf dem Waffenplatz antreten. Es wird der Tag sein, an dem der Birmenstorfer in einem auserwählten Kreis sein letztes Projekt abschliessen wird: die Einweihung der Adjutanten-Baumallee auf der Schacheninsel. «Sie wurde für den unermüdlichen Einsatz der ehemaligen und aktiven Adjutanten auf dem Waffenplatz Brugg angelegt», erklärt Gerwer. Denn zum 111-Jahr-Jubiläum der Kaserne Brugg wurde zwar der Kommandanten gedacht, nicht jedoch der Adjutanten. Gerwer, der den Grossanlass 2009 organisierte, beschloss damals, den Leistungen seiner Berufskollegen ebenfalls ein Zeichen zu setzen und liess die Bäume vor zehn Jahren pflanzen. «Es wird eine Überraschung für alle Adjutanten sein», verrät Gerwer.

Von 1983 bis 2023 erlebte der Berufsunteroffizier, der privat den Verein Convoy to Remember, das grösste internationale Militäroldtimertreffen der Schweiz, gegründet hat, auf dem Waffenplatz Brugg exakt 80 Rekrutenschulen. «Ich durfte insgesamt 36 Jahre lang dem Vaterland als Berufsmilitär dienen und war als Waffenplatzadjutant 20 Jahre lang auf dem Waffenplatz tätig. Und ich hatte die Ehre, 15 Kommandanten zu dienen», so die Zusammenfassung seiner Karriere in Zahlen. Gerwer ist jedoch nicht nur ein rationaler Denker, der das Organisieren als eine seiner grössten Stärken nennt. Vielmehr bezeichnet er sich als Menschenfreund. «Um die Verbindung zwischen Politik, Behörden der Stadt Brugg, Gemeinden und den Natur- und Umweltschutzorganisationen bis zum Wasserschlossdekret und einen guten Draht zur Nachbarschaft zu pflegen, braucht es Herzblut und Freude am Umgang mit Menschen.» Auf dem Waffenplatz kommen viele Interessen aus unterschiedlichsten Welten zusammen. «Man muss mit den Menschen reden, ihre Sicht hören wollen und sie abholen. Das ist mir in meinem Berufsleben oft gelungen.» Mit seinem Verhandlungsgeschick und seinem diplomatischen Gespür hat der gelernte BBC-Maschinenschlosser, der 1987 mit der Ausbildung zum Instruktor der Schweizer Armee seine militärische Karriere begann, viel bewegt. Zu seinem Vermächtnis gehört ausserdem die Ausbaggerung der Aare im Jahr 2011 bei der Einmündung mit der Reuss. 25 000 m3 Geschiebe wurden damals ausgehoben. Gerwer hatte dafür die grössten Bagger der Schweiz nach Brugg geholt. «Das Projekt gehört zu meinen eindrücklichsten technischen Erlebnissen», kommentiert er die organisatorische und logistische Mammutleistung. Auch der Bau des Mülimattstegs, der Windisch mit der Schacheninsel verbindet, ist eines von Gerwers Grossprojekten mit bleibendem Charakter.

Das Militär habe ihm ein erfülltes Berufsleben geschenkt, unterstreicht der Birmenstorfer am Vorabend seiner Frühpensionierung seine Erzählungen. «Ohne Kameraden, Freunde im In- und Ausland und ein grosses Netzwerk kann man aber keine Höchstleistungen vollbringen», sagt der fünffache Grossvater.

Schwierige zivile Kleiderwahl
Danach gefragt, was der Abschied von der Kaserne emotional in ihm auslöse, überlegt der 60-Jährige einen Moment. «Der Waffenplatz wird mir fehlen», sagt er dann mit Bedacht. Dass mit Patrick Masson seine Nachfolge geregelt sei, der sein Werk auf dem Waffenplatz weiterführen werde, bedeute ihm viel. «Es war mir wichtig, unseren Waffenplatz an eine Persönlichkeit zu übergeben.» Darauf, frei über seine Zeit verfügen zu können, freue er sich am meisten. In den letzten 20 Jahren sei ihm ein strenger Takt auferlegt worden. Am Morgen des 1. Juli wird Adrian Gerwer zum ersten Mal in 36 Jahren nicht seine Militäruniform anziehen. Das Ritual verband bislang Privat- und Berufsleben. «Das wird am 1. Juli mein Problem sein: Was ziehe ich an?»