Kontakt durch Bilderbücher

Wertschätzung und Vertrauen: Dafür steht die Schule Au-Erle ein. Mit einem speziellen Projekt hat sie soziale und methodische Kompetenzen gefördert.
Gespannt hören die Kindergartenkinder zu, wie eine Schülerin der sechsten Klasse ihnen ein Bilderbuch erzählt. (Bild: zVg)

Selbstwirksamkeit erlangen, Lese- sowie Sprachkompetenzen anwenden und reflektieren, Herausforderungen annehmen und konstruktiv damit umgehen: Diese Ziele setzte sich im vergangenen Schuljahr die Klasse 6b von Rebecca Senn und Andreas Peier. Auf die Umsetzung können die Schülerinnen und Schüler stolz sein.

Bereits am Anfang des Schuljahrs hatte die Klasse mit einem zyklusübergreifenden Projekt im Sportunterricht positive Erfahrungen gemacht. Die älteren Schülerinnen und Schüler einer Abschlussklasse der Realschule führten über ein Quartal in Kleingruppen mit der sechsten Klasse Sportstunden durch. Nun durften die Schüler und Schülerinnen in die Kindergärten Sommerhalde, Weiermatt und Au gehen und den Kindergartenkindern ein ausgewähltes Bilderbuch erzählen.

Lesekompetenzen entwickeln
Bevor es jedoch so weit war, war einiges an Vorbereitungen nötig. In der Stadtbibliothek stand eine Fülle von Bilderbüchern zur Verfügung. Bei der Auswahl konnten sich die Schülerinnen und Schüler mit der neuen Bibliothek vertraut machen und passende Bilderbücher auswählen. Das Projekt fand im Rahmen der Leseförderung statt und dauerte über ein ganzes Schulquartal. In der Übungsphase galt es, das Erzählen oder das Vorlesen des Bilderbuchs vorzubereiten. Erzähle oder lese ich in Schriftsprache oder Schweizerdeutsch? Wie organisiere ich die Sitzordnung? Wie reagiere ich auf unkonzentrierte oder impulsive Kinder? Die Videoanalysen und Partnerarbeiten halfen den Schülerinnen und Schülern, diese Fragen im Vorfeld zu klären.

In der Umsetzungsphase erzählten die «grossen Kinder» ihr Bilderbuch den kleinen Kindern in einem der Kindergärten zweimal in verschiedenen Kleingruppen. Diese Phase wiederholten und festigten sie mit zwei weiteren Bilderbüchern. So konnten die Schülerinnen und Schüler eine Beziehung zu den Kindergartenkindern aufbauen und das Vorlesen reflektieren und weiterentwickeln.

Noemi hat «ihren» Kindergartenkindern beispielsweise das Bilderbuch «König Nesselbart» erzählt. Sie kennt das Buch aus ihrer Kindheit, ihre Mutter hatte es ihr damals vorgelesen. Für die Schülerin war das Projekt eine Auflockerung im Schulalltag. Weil sie sehr gern liest, hat sie schon vor dem Projekt verschiedenen Kindern aus der Bekanntschaft vorgelesen.

Wertvolle Beziehungen knüpfen
Mariamis letztes Bilderbuch war der «Grüffelo». Ein Buch, das sie in den USA als kleineres Kind kennengelernt hat. Auch Mariami hat einen guten Draht zu jüngeren Kindern. Es machte ihr Spass, das Vorlesen zu perfektionieren. Es war für sie eine interessante Herausforderung, mit der Kindergruppe durch das Bilderbuch ins Gespräch zu kommen. Eines der drei Bücher von Gabriel war «Bär mag es bunt». Das Buch hat ihn angesprochen, weil er den Kindern konkrete Beobachtungsaufträge geben und mit ihnen am Wortschatz arbeiten konnte.

Stelian gefiel von seinen drei Büchern «Wenn Bären baden» am besten. Stelian hat die Geschichte gewählt, weil sich die Kinder mithilfe des Buchs mit dem sozialen Aspekt des Teilens auseinandersetzen konnten. Stelian konnte im Laufe des Projekts sein Vorlesen verbessern. Nun freut er sich über den persönlichen Kontakt und die gewonnene Beziehung zu den jüngeren Kindern, die in seiner Nachbarschaft wohnen.

Die Klasse ging hoch motiviert an dieses Projekt heran. Die Freude auf die gemeinsamen Vorlesestunden war riesig – bei den «Grossen» wie bei den «Kleinen». Ebenfalls waren die Rückmeldungen der Kindergartenlehrpersonen durchweg positiv. Es besteht sogar der Wunsch, dass dieses Projekt regelmässig wiederholt wird.

Weitere Lernziele wurden im Rahmen des Vorleseprojekts auch für die Kindergartenkinder erfüllt. Das Vorlesen von Bilderbüchern ist eine wertvolle Aktivität, welche die intellektuelle, emotionale und soziale Entwicklung der Kinder fördert. Es ist eine Möglichkeit, die Bindung zwischen Erzählendem und Zuhörendem zu stärken und gemeinsam Freude an Geschichten zu haben. Während des Vorlesens findet eine aktive Sprachförderung statt. Wortschatz und grammatische Fähigkeiten werden gleichermassen gefördert. Das Vorlesen kann sogar als Vorstufe des Lesens bezeichnet werden, da es die Freude und das Interesse am Lesen weckt.