Baden macht Bitti­bätti zum Gesindel

In der Rubrik «Querbeet» beleuchten namhafte Autorinnen und Autoren ein von ihnen gewähltes Thema – und sorgen damit wöchentlich für Inspiration.

Die Leute sind verrückt, und die Welt ist sonderbar. Der Satz gilt – wohl zu allen Zeiten. Verrückt ist verrückt, da gibts im Grunde nichts zu erklären. Vernunft scheitert im Erhellen von Unvernunft. Manchmal aber wirkt im ganzen Irrwitz eine Sache noch kränker.

Zum Beispiel wenn man hört, dass am Rand von Ausschreitungen sogar Rettungskräfte und Feuerwehrmänner angegriffen werden. Ich habe bisher niemanden gefunden und in Hunderten von Kommentaren nichts gelesen, wie man sich das erklären könnte: Gewalt gegen Leute, die zu Hilfe eilen! Erscheint geradezu widermenschlich.

Das geschah hierzulande. Und es geschieht gerade wieder in Frankreich. Nachdem dort ein Polizist einen Siebzehnjährigen am Steuer eines Autos erschossen hatte, kam es zu Ausschreitungen. Der Mob der Banlieues zündete die Autos von ihresgleichen an: Nachbarn, Bekannte – nicht die Autos der Bourgeoisie. Sie zerstörten Busse und Trams, die das eigene Quartier erschliessen. Und am rätselhaftesten von allem: Sie fackelten zwanzig Bibliotheken ab. Diese waren, ganz im Sinn der Aufklärung, in den Quartieren eingerichtet worden, weil Bildung am besten aus Elend, Unmündigkeit und Leere hilft. Diesen Königsweg hinaus verbrannte der Ghetto-Pöbel sich selbst. Nicht blind, sondern willentlich.

Französische Intellektuelle reden jetzt von «De-Zivilisation» (ein Begriff des deutschen Soziologen Norbert Elias, 1939). Der Einzelne, die Einzelne hätten derart viele Freiheiten erlangt, dass sie Regeln nur noch in Wut versetzten, seien es Corona-, Verkehrs- oder nur Verhaltensregeln (im Zug etwa Käsefüsse nicht auf die Sitzbank zu legen). Eltern lehren der Brut halt keine Kinderstube, wenn sie selbst nicht stubenrein sind.

Frankreichs Präsident Macron richtete sich flehentlich an die Eltern. Die Stadt Baden agiert ähnlich: Hier stellte man Tafeln auf in der Fussgängerzone unter der Schulhauskreuzung, häufig Treffpunkt stumpfsinniger Rudel. Das sei eine «Respekt-Zone», heisst es jetzt auf Plakaten. Also keine wummernden Geräte, keine Abfälle, Raserei, Drohungen, Anmache, Zoten … Baden macht Bittibätti zum Gesindel.

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