Er war Brugger aus Leidenschaft

Max Kuhn ist 73-jährig gestorben. Er hinterlässt eine schmerzliche Lücke – in der Familie, in der Apotheke und in der Stadt.
Schwer fassbar: Brugg ohne Apotheker, Stadtförderer und Kulturmäzen Max Kuhn. (Bild: zVg)

Am diesjährigen Brugger Rutenzug vermisste man Max Kuhn in den Reihen der Stadtmusik. Der stadtbekannte Apotheker und Drogist fehlte am gewohnten Platz mit der Pauke in der äusseren Reihe der Marschformation. Erstmals seit Jahrzehnten nahm er nicht am Jugendfestumzug teil. Er beobachtete ihn mit letzter Kraft und mit Erstaunen – «Wie lang der ist!» – vom Fenster seiner Altstadtwohnung aus. Eine Woche später erlag er im Alter von 73 Jahren einer Krebserkrankung, die bei ihm erst vor neun Wochen ohne Voranzeichen diagnostiziert worden war. Sein Hinschied überraschte die Öffentlichkeit umso mehr, als er bis in die letzten Tage in seiner Apotheke und Drogerie am Bahnhofplatz stand.

Ein schwerer Verlust
Brugg ohne Max Kuhn: Das ist schwer fassbar. Es ist ein grosser Verlust für die Familie, für das zwanzigköpfige Team der Apotheke, für die Kundschaft – und für die ganze Stadt. Der Verstorbene war mit Leidenschaft Brugger: ein erfolgreicher Geschäftsmann und tatkräftiger Stadtförderer, eine unermüdliche Triebfeder gegen Trägheit und Stillstand sowie ein grosszügiger Kulturmäzen. Allerdings war er auch ein hartnäckiger Mahner, wovon das Stadthaus einiges abbekam. Denn Max Kuhns höhere «Drehzahl» stimmte oft nicht mit der gemäch­lichen Gangart der politischen Mühlen überein. Für die Stadt und viele Kreise wirkte er wie der Sauerteig bei Backwaren: Dank ihm gingen Pläne und Projekte auf.

Max Kuhn kam als Fünfjähriger 1955 mit den Eltern, welche die Drogerie Widmer an der Hauptstrasse in der Altstadt erwarben, nach Brugg. Er wuchs mit einem zwei Jahre jüngeren Bruder auf, besuchte die Brugger Schulen und lernte Drogist. Berufsbegleitend holte er bei der Akad die Matura nach, nahm 1974 an der ETH das Pharmaziestudium auf und begegnete im gleichen Studiengang seiner späteren Gattin Bernadette. Nach dem Staatsexamen und noch vor seinem Doktorat am Institut für Hygiene und Präventivmedizin heirateten die beiden, bekamen drei Kinder und schlugen als Apotheker-Ehepaar eine erfolgreiche Laufbahn ein.

Mit Hingabe Apotheker
Max und Bernadette Kuhn erweiterten die Drogerie, die Ende der Sechzigerjahre von der Altstadt an den Bahnhofplatz verlegt worden war, 1982 vorausschauend zur Apotheke-Drogerie. Diese aargauische Novität gab zu reden und versperrte Max Kuhn – nicht aber seiner Gattin – damals die Mitgliedschaft im Aargauischen Apothekerverband. Den Regierungsrat hinderte das freilich nicht, Max Kuhn zum Stellvertretenden Kantonsapotheker zu wählen. Er und seine Frau wurden auch in die periodische Apotheken-Visitation eingespannt. Dabei erkannte Max Kuhn mit seinem Sinn für praktische Lösungen rasch Verbesserungsmöglichkeiten im Kontrollverfahren.

Der Apothekerberuf war sein Leben, er übte ihn mit totaler Hingabe aus. Wie es alter pharmazeutischer Galenik-Tradition entsprach, stellte er selber gern Arzneien wie Augentropfen, Salben, Puder oder Sirup her. Mit seinem grossen Wissen in Chemie und Physik diente er der Stadt- und Stützpunktfeuerwehr Brugg als Chemie­experte. Einmal verhinderte er durch sachkundiges Eingreifen Schlimmeres bei einem Betriebsunfall in der Chemia Brugg. Während acht Jahren war er als Feuerwehrkommandant unter anderem mit dem Brandschutzaufbau in den neuen Habsburg- und Bözbergtunneln der Autobahn A3 befasst. Aber dann teilte das Versicherungsamt diese Aufgabe der Feuerwehr Frick zu, was Brugg zu Kuhns Verdruss den Stützpunktfeuerwehr-Status kostete.

Das «Odeon»-Meisterstück
Brugg hat einen seiner aktuell attraktivsten Treffpunkte Bernadette und Max Kuhn zu verdanken. Ohne sie gäbe es das Kulturhaus Odeon nicht. Als sie an einer von der Stadt am 23. Dezember 1996 einberufenen Sitzung erfuhren, dass die Liegenschaft Odeon beim Bahnhof abgerissen und gemäss der «City-Planung 68» durch eine Überbauung mit Einkaufszentrum, einer Neumarkt-Erweiterung, ersetzt werden solle, entschlossen sie sich, diese «städtebauliche Katastrophe» zu verhindern. Innert drei Wochen legten sie mit Unterstützung der Metron-Architekten eine Projekt-Alternative auf den Tisch. Sie kauften die Liegenschaft und bauten sie um. Die Betriebsführung des Kinotheaters Odeon mit Film, Kleinkunst, Musik und Lesung übernahm der Kulturverein Arcus, während sie selber anfänglich für den Gastrobereich sorgten. Darum bezweckt ihre Familien-AG neben dem Betrieb von Apotheke und Drogerie die «Führung einer Bar». Dem grosszügigen Engagement von Max und Bernadette Kuhn ist es auch zu verdanken, dass der Verlag der Effingermedien AG nach seinem Auszug aus dem Effingerhof ein neues Domizil im «Odeon»-Gebäude fand.

2006 konnten die Kuhns auch die dreieckige Restfläche zwischen der 1910 erstellten harmonischen Häuserzeile am Bahnhofplatz und dem ab­gedrehten, blechverkleideten Neumarktgebäude aus den 1980er Jahren mit dem von Architekt René Stoos entworfenen Geschäftshaus «Trigon» überbauen, das auch die Möglichkeit bot, die «Odeon»-Kulturräume zu erweitern. Allerdings mussten zunächst die in der Planungseuphorie der 1960er-Jahre entstandene City-Planung und ein Richtplan zu Fall gebracht werden. Darüber focht Max Kuhn manchen Strauss aus. Er war ein Fighter, aber immer sachbezogen und nicht nachtragend. Da und dort wünschte er sich mehr Effort von der Stadt. Ein Zusammenschluss der Zentrumsgemeinden Brugg und Windisch wäre ihm recht gewesen.

Was ihm am Herzen lag
Am Herzen lag Max Kuhn die Erhaltung und Nutzung der Bausubstanz in der Altstadt. Mit der Gründung der Genossenschaft Altstadt versuchte er leerstehende Gebäude zu aktivieren. Das erste Exempel, der Erwerb der Liegenschaft an der Hauptstrasse 66 neben dem Schwarzen Turm, bereitete allerdings zuerst Ärger, weil der «Number-One»-Wirt mit Schulden verduftete. Heute trägt das Gebäude mit dem Restaurant Papa Oro’s im Erdgeschoss viel zur Attraktivität der Altstadt bei. Ebenfalls erfreulich entwickelte sich ein anderes Anliegen von Max Kuhn: die neue gemeinsam betriebene Notfallapotheke und der zentrale Notfalldienst von sechs Apothekern der Region Brugg im medizinischen Zentrum «Süssbach».

Schliesslich bildete die Stadtmusik ein Stück von Max Kuhns Leben. Er stand seit dem 17. Altersjahr in ihren Reihen, erlebte mit ihr Höhen und Tiefen, war viele Jahre Vizepräsident und natürlich längst eidgenössischer Musikveteran. Aus dem Tambour – seit der Kadettenzeit – wurde später ein Paukist und schliesslich ein Perkussionist. Ein Hochgefühl in seiner Musikantenkarriere erlebte er, als ihm zum 60. Geburtstag im KKL Luzern vier Kesselpauken (Timpanis) übergeben wurden – geschenkt von seiner Gattin Bernadette.

Die Abschiedsfeier für Max Kuhn findet am 16. August um 14 Uhr in der Stadtkirche Brugg statt.