Das Haus des Schweizerbauern neben dem Vindonissa-Museum an der Laurstrasse in Brugg war ein zweifaches Geschenk: Es wurde durch Spenden finanziert und dem Schweizerischen Bauernverband 1948 als Jubiläumsgabe zu seinem 50-jährigen Bestehen vermacht. Der stattliche Bau hatte auch eine doppelte symbolische Bedeutung. Er war das erste grössere Objekt, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Brugg verwirklicht wurde, und seine Schöpfer – allen voran der damalige Direktor des Bauernverbands, Professor Oskar Howald, der Vater des kürzlich verstorbenen ehemaligen Brugger Stadtammanns Hans-Peter Howald – verstanden ihn als Wahrzeichen für die Bedeutung des Bauernstands.
Alle Erwartungen übertroffen
Die Idee für das Projekt kam Oskar Howald im Sommer 1944, als die Hoffnung auf das Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs und damit die Erwartung auf den Sieg der aufbauenden über die zerstörenden Kräfte stieg. Der Moment war günstig, um ein Zeichen zu setzen, denn die Landwirtschaft hatte mit der «Anbauschlacht» die Ernährung der Bevölkerung im bisherigen Kriegsverlauf sichergestellt und damit viel Respekt erlangt. Howald fand breite Unterstützung, auch bei prominenten Persönlichkeiten. Ein Komitee wurde gebildet, das eine Sammlung zur Finanzierung des Bauvorhabens lancierte.
Alle landwirtschaftlichen Vereinigungen, Tausende Einzellandwirte sowie der Landwirtschaft nahestehende Firmen und Organisationen bekamen einen Prospekt mit einem Spendenaufruf. Das Ergebnis übertraf die Erwartungen. 3200 Vereinigungen und 17 536 Einzelzeichner sicherten 758 483 Franken zu. Mit weiteren Erträgen und Naturalspenden kamen letztlich 828 023 Franken zusammen. Sie deckten den Grossteil der Baukosten von 935 000 Franken, einschliesslich des Bauplatzes von 50 000 Franken.
Platznot noch und noch
Ursprünglich war das neue Verwaltungsgebäude entlang der Pestalozzistrasse geplant, gegenüber dem vom Bauernverband benützten Privathaus von Professor Laur. Weil die Spenden aber reichlicher als erwartet flossen, konnte der Neubau anstelle der ehemaligen grossen Scheune und in Verbindung zum Schilplinhaus als geschlossene Baugruppe konzipiert werden. Das Schilplingut war 1810 vom Metzger, «Rothaus»-Wirt und Händler Jakob Schilplin, als Nachahmung des Palais Frölich (das heutige Stadthaus) erstellt und 1928 vom wachsenden Bauernverband gekauft worden. Der Sitz des 1897 gegründeten Schweizerischen Bauernverbands und des Bauernsekretariats, der administrativ-agrarpolitischen Stabsstelle und der wissenschaftlichen Fachabteilung war 1900 von Bern in das damals 2000 Einwohner zählende Brugg in eine Liegenschaft zwischen der Museums- und der Altenburgerstrasse verlegt worden. Aber bald herrschte Platzmangel. Deshalb kaufte der Bauernverband 1919 zusammen mit dem Zentralverband der Schweizerischen Milchproduzenten das Postgebäude – die heutige Alte Post – an der Hauptstrasse. Das deckte den Raumbedarf aber nicht lang, weil dem Bauernverband im Zweiten Weltkrieg zusätzliche Landesversorgungsaufgaben erwuchsen. Das rief nach einem zentralen Verwaltungsneubau.
Das Haus und «Der Sämann»
Das Projekt wurde erst mit der gesicherten Finanzierung durch die Spendensammlung in Angriff genommen und die Trägerschaft einer Stiftung übertragen, die das Liegenschaftsportefeuille des Verbands bis heute verwaltet. Das Landwirtschaftliche Bauamt übernahm die Projektierung und veranschlagte die Baukosten auf eine Million Franken. Im April 1947 erfolgte der Spatenstich. Schon Mitte August – gegen Ende des heissesten «Jahrhundertsommers» – wurde der Dachstock aufgerichtet. Im Juli 1948 fand die Einweihung statt. Redner würdigten das Haus des Schweizerbauern als Symbol der Einigkeit des Bauernstands und der von ihm hochgehaltenen Werte.
Die Stadt Brugg schenkte 3000 Franken zur Verschönerung der Eingangshalle. Die Aargauer Regierung spendete als «Kunst am Bau» das Sgraffito-Wandbild «Der Sämann» des wegen seines Stils zeitweise verfemten, aber letztlich international berühmten Künstlers Wilhelm Schmid, der 1892 in Remigen zu Welt kam und 1971 in Brè bei Lugano starb. Einer der besten Kenner seines Nachlasses, den die Stadt Lugano verwaltet, ist der frühere Brugger Arzt Fritz Senn-Gersbach. Aber «Der Sämann» wurde 1977 vom Haus des Schweizerbauern entfernt, weil er anscheinend nicht mehr gefiel – ein Banausenakt. Wilhelm Schmid durfte noch ein intimes Carnotzet (Weinstübchen) der damaligen Verbandsleitung mit Tessiner Motiven bemalen. Ob sie noch existieren, entzieht sich den Augen der Öffentlichkeit.
Nach wie vor Schaltzentrale
Im Neubau gab es anfänglich keinen Personenlift, dafür einen von Hand betriebenen Aktenaufzug. Das Erdgeschoss des Ostflügels belegte der Schweizerische Schlachtviehproduzentenverband. Im ersten Stockwerk ist noch heute die Direktion und ein damals von den Spitzenverbänden der schweizerischen Wirtschaft ausgestatteter Konferenzraum untergebracht. Das zweite Obergeschoss beherbergte früher die Preisberichtsstelle. Im Haus logierten ausserdem das Landwirtschaftliche Bauamt, der Schweizerische Landfrauenverband, das Schweizerische Heimatwerk und das Sekretariat des 1948 in Brugg gegründeten Verbands der Europäischen Landwirtschaft (CEA), der 2004 mit anderen europäischen Institutionen fusionierte und wegzog.
Das 75-jährige Haus den Schweizerbauern befindet sich in einwandfreiem Zustand. Es hat einige Umbauten erfahren. Auch der Hausherr wandelte sich und mit ihm die Belegung des Gebäudes. Bauernverband und Bauernsekretariat sind vereint und heute in sieben Dienstleistungsbereiche gruppiert. Der Versicherungsbereich Agrisano ist in einem eigenen Gebäude beim FHNW-Campus in Windisch und Agriexpert mit dem ursprünglichen Schätzungsamt im benachbarten neuen Laur-Park untergebracht.
Aber nach wie vor befindet sich der offizielle Sitz des Schweizerischen Bauernverbands als einer der einflussreichsten Wirtschaftsorganisationen des Landes im Haus des Schweizerbauern an der Laurstrasse. Von dort aus wird nationale Politik gemacht, was die Bauernhauptstadt Brugg jedoch nur am Rande zur Kenntnis nimmt.