«Ich mag Buchstaben und Farben»

Rebecca Froelich führt ein Unternehmen für Maschinenbau. Ihr Druckerei-Atelier in der Spinnerei ist reines Hobby und gut für die Seele.
Buchstabenschatz in der Spinnerei. In ihrem Druckerei-Atelier in der Spinnerei Turgi lagert Rebecca Froelich Tausende von Bleibuchstaben in allen Schriftarten und Grössen. (Bild: is)

In dem kleinen Raum im dritten Stock der Spinnerei Turgi riecht es nach Farbe und Lösungsmittel. Rebecca Froelich fährt mit einem Farbroller über den Druckstock, die sie zuvor auf der dem Druckbett der Hochdruckmaschine eingerichtet hat. Dann betätigt die 32-Jährige mit beiden Händen die Kurbel, und die grosse Rolle setzt sich in Bewegung. Das eingespannte weisse Papier wird über den eingefärbten Druckstock gerollt und bedruckt. Fertig ist der Wunschzettel für Weihnachten! Der Testlauf für das kommende Wochenende ist geglückt: Dann können Besucherinnen und Besucher am Tag der offenen Tür in der Spinnerei bei Rebecca Froelich ihren individuellen Wunschzettel drucken.

Das Druckerei-Atelier ist eines von rund 30 Ateliers, Büros, Praxen und Geschäften, die am Tag der offenen Tür in der Spinnerei ihre Räumlichkeiten für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Rebecca Froelich organisiert den Anlass gemeinsam mit Schmuckdesignerin Yasmin Yahyah und Mirjam Knecht Wäger (Glückchenfüller). Etwa die Hälfte der 60 Mietparteien – Hebammen, Fotografinnen oder Yogastudios bis zu Architekten – nehmen an den «Spinnereien 2.0» teil. Um die Vielseitigkeit abzubilden, sind Gäste wie Urs Landis mit seinem Strickwarenlabel «Herr Urs» eingeladen. Das Motto auf fünf Etagen lautet «Güxle, käfele, pläuderle und chrömle». Der Erlös aus dem Kuchenverkauf im «Kafi» wird an Hungerprojekt Schweiz gespendet.

Vorbereitungen auf der Hochdruckmaschine: Rebecca Froelich trägt Farbe auf die Buchstaben auf, bevor sie mit der Walze darüberfährt und das eingespannte Papier bedruckt. (Bild: is)

Lehre als Polymechanikerin
«Bei der Eröffnung der Spinnerei Turgi 2021 war das grosse Gebäude eher anonym. Wir vom OK haben gemerkt, dass das Interesse der Menschen in der Region an der Spinnerei gross ist und wollen uns öffnen. Ebenfalls möchten wir den Mieterinnen und Mietern eine Plattform bieten, sich untereinander besser kennen zu lernen. Wir sind sehr divers», erklärt Rebecca Froelich, die seit der Eröffnung im Februar 2021 hier ansässig ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen Mietern nutzt sie ihr Atelier aber ausschliesslich als Hobbyraum und nicht für wirtschaftliche Zwecke. «Das Atelier habe ich für meinen Seelenfrieden», erklärt die zierliche Frau, die gemeinsam mit ihrem Bruder Florian eine Metall- und Maschinenbaufirma im Stroppelareal in Untersiggenthal mit vier Mitarbeitenden führt.

Aufgewachsen ist Rebecca Froelich in Nussbaumen. Ihr Vater Christoph hat die heutige Froelich AG 1999 als mechanische Werkstatt gegründet und 2018 an seine Kinder übergeben, Rebecca übernahm die Geschäftsführung. Sie hat ursprünglich eine Lehre als Polymechanikerin gemacht. «Ich habe nie dem gängigen Rollenbild entsprochen», sagt sie. «Bei der Arbeit habe ich mir das technische Verständnis für diese Maschinen angeeignet, denn eines unserer Produkte sind Tiefdruckpressen und deren Zubehör», erklärt Rebecca Froelich und kramt in einer der vielen flachen Schubladen in ihrem Atelier. Sie bergen einen wertvollen Schatz: Tausende von Bleibuchstaben – in unterschiedlichen Schriftarten und Schriftgrössen, «sicher zwei bis drei Tonnen schwer», schätzt die Besitzerin.

Ihr Hobby und das ganze Material inklusive passender Werkzeuge hat Rebecca Froelich vor drei Jahren von ihrem Grossvater übernommen, der in Brugg lebt. «Als meine Grosseltern aus dem Haus auszogen, war eine Option, alles zu entsorgen. Das konnte ich nicht zulassen», erzählt sie energisch. Auch Druckstöcke aus Holz oder Linoleum stellt sie her. Mindestens einmal pro Woche verbringt sie einen Abend in ihrem Atelier, um den Berufsalltag hinter sich zu lassen. Seit einiger Zeit wohnt sie zudem privat in Turgi.

Fertig ist der Wunschzettel – Weihnachten kann kommen! (Bild: is)

Es gibt nur einen Versuch
Sie liebe Buchstaben und Farben und mache das, wonach ihr gerade der Sinn stehe, sagt Froelich. «Vor allem arbeite ich mit Text.» An den Wänden hat sie Drucke mit Sprüchen, Kalender aufgehängt. «Manchmal drucke ich Begriffe, Assoziationen zu einem Thema, das mich beschäftigt. Dabei ist oft der Weg das Ziel, und es gibt nur einen Versuch.»

Obwohl Hoch- und Tiefdruck ein altes Handwerk sind, lässt sich auch die Generation der Digital Natives noch dafür begeistern. Bei den letzten zwei Anlässen der Spinnerei habe sie ganz viele Kinder im Atelier gehabt, erzählt Rebecca Froelich. Zum Prozess gehört ausserdem das Putzen der Buchstaben nach dem Druck, mit Lösungsmittel und Terpentin, und sie dann wieder am richtigen Ort, in der richtigen Schublade einzusortieren. Ein Geruch, der bei älteren Besuchenden Erinnerungen an alte Zeiten auslöst: «Diese stehen dann mit glänzenden Augen in meinem Atelier.»

Spinnereien 2.0
Samstag, 9. September, 12 bis 18 Uhr
Sonntag, 10. September, 11 bis 17 Uhr
Spinnereistrasse 5, Turgi