1970 feierlich eingeweiht, ist die KVA Turgi in die Jahre gekommen und muss ersetzt werden. Einen Neubau an die Hand nehmen oder eine Kooperation mit der Limeco in Dietikon und der KVA Buchs eingehen – und an einem dieser Standorte eine Gross-anlage realisieren? Letzteres ist am Veto des Kantons Zürich gescheitert, und der Vorstand der KVA Turgi hat eine Machbarkeitsstudie für eine eigene neue Anlage in Auftrag gegeben. Die ergibt Sinn, nicht zuletzt deshalb, weil die Fernwärme Siggenthal AG und die Regionalwerke AG standortgebundene Abnehmer der ohnehin anfallenden Verbrennungsenergie sind.
Also ein neues Werk am bisherigen Standort? Auf der Basis dieser Idee wurden vier Varianten mit nicht weniger als 30 Untervarianten geprüft, mit dem Ziel, während des Neubaus die bestehende Anlage so gut wie möglich weiterbetreiben zu können. Das Gelbe vom Ei war keiner der Pläne. Das Ei des Kolumbus wurde in einer zusätzlichen Variante gefunden. Diese sieht einen Neubau auf dem Areal der benachbarten Abwasserreinigungsanlage (ARA) vor. Das bedingt allerdings, dass Teile der ARA räumlich verschoben werden müssen, was die KVA mitzufinanzieren hat.
Insgesamt geht es für die neue KVA um geschätzte Investitionskosten von 325 Millionen Franken. Die Mehrkosten für den Standort ARA-Gelände betragen im Vergleich zu einer anderen Variante ungefähr 10 Prozent. Allerdings – so die Botschaft an die Abgeordneten – wird der Zusatzaufwand durch die während der Bauzeit weiter fliessenden Erlöse und andere Vorteile mehr als aufgewogen. Die Abgeordneten sollen an ihrer Versammlung am 27. September für die Ausarbeitung des Projekts 17 Millionen Franken bewilligen – von der Summe her kein Problem. Die KVA Turgi verfügt über Eigenmittel in Höhe von 135 Millionen Franken.
Höhere Fernwärmetarife
Anders sieht es bei der Realisierung der neuen Anlage aus, die auf 325 Millionen Franken geschätzt wird. Der Betrag soll während rund 20 Jahren in den laufenden Rechnungen abgeschrieben werden. «Das bedingt höhere Tarife für die Energielieferungen der KVA», sagt der Badener Stadtrat Philippe Ramseier in seiner Funktion als Präsident des Gemeindeverbands KVA Turgi. Während die Stromerlöse durch die jeweilige Situation am Markt vorgegeben und kaum beeinflussbar sind, besteht bei den Fernwärmetarifen ein Optimierungspotenzial. «Heute liefert die KVA Turgi Fernwärme zu im nationalen Vergleich sehr tiefen Preisen», stellt Ramseier fest. Und die Anlieferpreise für den Kehricht? Müssen die ebenfalls angehoben werden? Ramseier ist optimistisch. Ausschliessen könne man nichts. Aber er geht davon aus, dass sich die Kosten des Neubaus nicht in den Tarifen für die Verbandsgemeinden niederschlagen.
Das hat damit zu tun, dass das V in KVA heute nicht mehr für Verbrennung, sondern für Verwertung steht. Der Ofen der Anlage produziert die bereits erwähnte Fernwärme und elektrische Energie. Mit dem Neubau kann die energetische Nettoeffizienz (ENE) des Werks – bei gleichbleibender Verbrennungskapazität von 120 000 Tonnen im Jahr – von heute 60 auf 90 Prozent gesteigert werden. Die ENE ist ein Mass für die Effizienz, mit der eine KVA die im Abfall enthaltene Energie in nutzbare Energieformen wie Strom und Wärme umwandelt. Mit anderen Worten: Die neue KVA kann um einen Drittel mehr geldwerte Energie liefern als die bisherige.
«Power to Gas»
«Hinzu kommt», so Ramseier, «dass wir aus ARA – sie liefert Biogas – und KVA einen Clean-Energy-Hub entwickeln wollen.» Zu einem solchen gehören Solaranlagen auf den Dächern der Anlagen. Ramseier denkt aber ausserdem an «Power to Gas». Bei dieser Technologie wird überschüssiger Strom aus Photovoltaikanlagen in Wasserstoff umgewandelt. In Kombination mit dem Klimagas CO₂ kann man aus dem Ökowasserstoff Methan herstellen. Um dieses anschliessend nutzen zu können, wird das Methan in das Gasnetz eingespeist, in dessen Speichern es auch gelagert werden kann.