Es dunkelt schon bald, als Michael Zehnder nach Feierabend auf der Terrasse seines Räbhüsli sitzt und den Weitblick über den Flugplatz Birrfeld bis ins Mittelland geniesst. «Für mich ist das ein idealer Ausgleich zum manchmal hektischen Berufsalltag», sagt der CEO eines grossen Baudienstleisters. Zehnder ist mit dem Rebbau aufgewachsen, bereits seine Grosseltern haben diese Privatparzelle bewirtschaftet. Auf dem Tisch steht eine Flasche «Birmenstorfer Pinot noir Auslese». Hier wird Blauburgunder und Riesling-Silvaner angebaut. Gut die Hälfte des Rebbergs am Berg und im Nettel – rund fünf Hektaren – gehört der Ortsbürgergemeinde Birmenstorf. Einen Teil der Reben bewirtschaftet sie selbst, der Rest wird verpachtet. In besseren Zeiten waren die Parzellen heiss begehrt. «Es gab Wartelisten», erinnert sich Zehnder, Mitglied der Ortsbürgerkommission. Tempi passati. «Heute müssen wir dankbar sein, wenn sich jemand interessiert.»
Inserat brachte keinen Erfolg
Als vor einem Jahr zwei Grundstücke frei wurden, suchte die Kommission sogar per Inserat nach interessierten Pächtern. Leider ohne Erfolg: «Seither bewirtschaften wir diese mit der Ortsbürgerkommission selbst, aber das ist nur eine Übergangslösung, denn der Aufwand neben unseren eigenen Reben ist zu gross», sagt Zehnder.
Nun sind per 1. Januar 2024 weitere Parzellen am Hang Richtung Baldegg mit Flächen von 6 bis circa 15 Aren zu pachten. Meist werden sie nach vielen Jahrzehnten altershalber abgegeben. Alle sind «bestückt», das heisst, neben Rebstöcken ist die Infrastruktur mit Drahtanlagen vorhanden, und es sind keine weiteren Investitionen nötig. «Eine der Parzellen verfügt sogar über ein Rebhäuschen. Solche dürfen nach der heutigen Bauordnung im Rebberg gar nicht mehr neu erstellt werden», erkärt Zehnder. Lediglich der Pachtzins von circa fünf Franken pro Are und Jahr wird fällig. Eher ein symbolischer Betrag.
Der Arbeitsaufwand im Rebberg ist überschaubar: «Von Mai bis Mitte August sollte man einmal pro Woche hier sein», meint Zehnder. Im Frühling gilt es, die Reben zurückzuschneiden. Und sobald Triebe wachsen, muss man diese «erbrechen» – überzählige Triebe werden ausgebrochen, damit eine lockere Laubwand entsteht und der Rebstock nicht durch zu viele Trauben belastet wird.
Gute Kameradschaft
Danach muss man die Zweige laufend in die Drahtanlage einschlaufen, damit die Reben nicht wild wuchern. Im Juli/August wird in der Traubenzone ausgelaubt. Weiter müssen die Reben, je nach Sorte und Witterung, acht- bis zehnmal gegen Mehltau gespritzt werden. Das Gras wird mit einem Fadenmäher periodisch gemulcht. «Wir haben hier am Berg eine schöne Gemeinschaft, man kennt und unterstützt sich, hilft sich mit Material aus oder bildet Spritzgemeinschaften», sagt Michael Zehnder. Ebenso unterstützt die Weinbaugenossenschaft die Pächter bei Bedarf mit Informationen.
Unter den Hobbywinzern sind sowohl Einzelpersonen als auch Pärchen oder ganze Familien sowie Kollegengruppen, die gemeinsam eine Parzelle als Hobby bewirtschaften. Anfänger sind ebenfalls willkommen. Für sie bietet die Weinbaugenossenschaft Einsteigerkurse an, bei denen die Neulinge das ganze Jahr begleitet werden. Dabei kann das Gelernte direkt im eigenen Rebberg angewendet werden. Reben seien jedoch generell sehr geduldig, weiss Michael Zehnder: «Man kann eigentlich nichts falsch machen, ausser man macht gar nichts. Dann können sich Schädlinge einnisten und auf benachbarte Reben übergreifen. Das wäre nicht gut.»
Momentan sind die Reben wieder voll mit prallen, beinahe reifen Weintrauben. Es ist Erntezeit – der eigentliche Höhepunkt im Rebjahr. «Die Trauben können der Weinbaugenossenschaft im Dorf geliefert werden. Sie verarbeitet und vermarktet sie», schildert Zehnder. Obwohl man frei sei bei der Wahl des Kelterers, werde es aber begrüsst, wenn man die Weinbaugenossenschaft Birmenstorf berücksichtige.
Räbhüslifäscht wieder 2024
Die Genossenschaft organisiert zudem etwa fünf Anlässe im Jahr. Alle zwei Jahre, immer Mitte August, wird das Räbhüslifäscht durchgeführt, bei dem die 20 verschiedenen Häuschen in ihren Beizli Gäste bewirten. Das nächste findet am 9./10. August 2024 statt. «Unser Rebberg ist mit einer Art Rundstrasse sehr gut erschlossen. Viele Birmenstorferinnen und Birmenstorfer nutzen den Weg für einen Spaziergang durch die Rebberge», so Michael Zehnder. Er hofft, dass sich bis Ende Jahr doch noch Interessierte melden. «Denn sonst werden wir nicht darum herumkommen, gewisse Rebparzellen brach zu legen. Das wäre schade, auch für das Erscheinungsbild. Lücken in den Rebbergen sehen nicht schön aus.»
Nach der Ernte passiert im Rebberg nichts mehr bis im kommenden Frühling. Ein idealer Zeitpunkt für einen Einstieg! Interessierten gibt der Birmenstorfer Gemeindeschreiber Manuel Brunner unter Telefon 056 201 40 65 oder gemeindekanzlei@birmenstorf.ch Auskunft.