Im Rausch der Sauserfreinächte

Solang im Herbst die Trotten knarren, sind Freinächte angesagt: Dieser Grundsatz gilt im Schenkenbergertal noch heute.
Historischer Weinbau an erstklassiger Lage mit Aussicht: Römerrebberg in Oberflachs. (Bild: zVg)

Der Name des kleinen, geschützten Seitentals der Aare weist schon darauf hin, dass hier ritterliche Schenken am Werk waren. Ob es bereits vor der Römerzeit Rebbau gab, ist nicht erwiesen, aber die Römer brachten ihre südliche Weinkultur mit über die Alpen. Auch die Kyburger und Habsburger Herren liebten den Wein und liessen sich den Zehnten (Steuern) in Form von Wein entrichten.

Im 19. Jahrhundert erreichte der Weinbau im Aargau seinen Höchststand, die Rebfläche stieg von 1857 bis 1881 von 2268 auf 2681 Hektar. Angebaut wurde im Tal vor allem der Gutedel (auch Chasselas oder Schenkenberger Rebe genannt). Das Eindringen der Reblaus machte der Weinbauhochblüte im Aargau ein Ende. Erst in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts entstand eine neue Weinbaukultur mit neuen Rebsorten und neuen Rebenanlagen im Aargau, was zum Stand von 265 Hektar führte, einem Zehntel der Fläche von 1881.

Pressen die ganze Nacht hindurch
Zur Zeit des Höchststands des Rebbaus im 19. Jahrhundert wurden noch alle Arbeiten von Hand gemacht. Es gab keine Elektrizität, keine Motoren, kein Wasseranschluss in den Häusern und Trotten. Das Pressen der riesigen Mengen von Trauben mit den alten Baumtrotten dauerte mehrere Wochen. In der heutigen Gemeinde Schinznach gab es in Schinznach-Dorf sieben und in Oberflachs/Kasteln fünf Trottengebäude mit einer oder zwei Pressen. Die ganze Nacht wurde die gewaltige Traubenmenge auf den grossen Baumtrotten oder den kleineren Spindelpressen verarbeitet.

Alte Baumtrotte bei der Weinbaugenossenschaft in Schinznach-Bad. (Bild: AK)

In den Trottenräumen herrschte emsiges Treiben, Rebbauern kamen mit ihren Trauben, vier bis sechs Männer waren abwechselnd am Pressen. Petrollaternen beleuchteten den Raum spärlich, ein offenes Feuer schützte vor der Herbstkälte. Und überall standen Holzbottiche mit Traubenmost in verschiedenen Gährungsstadien. Das Treiben und der junge Wein lockten natürlich Besucher und Weinkäufer an, die degustierten oder Abwechslung suchten. Bei der Vernehmlassung zur neuen Aargauer Verfassung von 1870 machte der Kreis Veltheim (erweitertes Schenkenbergertal) die Eingabe, dass bezüglich des Kleinverkaufs des Weins durch Eigengewächswirtschaften – sogenannte Buschwirtschaften – die alte Regelung gewährt werde. Dem wurde entsprochen. Das nächtliche Trotten und der Eigengewächsverkauf blieben auch in der neuen Verfassung, und da die Gemeinderäte lokale Freinächte bewilligen konnten, stand den Sauser Freinächten weiterhin nichts im Weg. Sie wurden zur herbstlichen Tradition und von den Wirten mit urchigen Metzgeten verbunden. Vereine hatten den Sauserbummel durch das nächtliche Schenkenbergertal fest in ihrem Programm.

Wochenende vom 12. bis 14. Oktober
Wochenende vom 19. bis 21. Oktober Schenkenbergertal