Das Projekt Nationaler Zukunftstag entstand als «Nationaler Tochtertag» und wurde 2001 im Rahmen des Lehrstellenprojekts 16+ von der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten initiiert. Heute ist der Nationale Zukunftstag ein interkantonales Kooperationsprojekt der Gleichstellungsfachstellen und -kommissionen sowie der Partnerinnen und Partner etlicher Kantone, darunter der Aargau. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation unterstützt das Projekt Zukunftstag finanziell.
Informatik als Beispiel
Dass der Zukunftstag messbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, steht für Judith Schläppi, Mitarbeiterin beim Projekt «Nationaler Zukunftstag – Seitenwechsel für Mädchen und Jungs», ausser Zweifel. «Die positiven Auswirkungen des Zukunftstags zeigen sich in erster Linie anhand der Zahlen des Bundesamts für Statistik zur Berufswahl in der Schweiz», gibt Schläppi Auskunft. In mehreren Berufen sei in den letzten Jahren Bewegung in die Verteilung der Frauen- und Männeranteile gekommen. So ist in der Informatik der Frauenanteil bei den Eintritten in den letzten zehn Jahren von 9,7 Prozent (2012/13) auf 13,9 Prozent (2022/23) gestiegen. Auch bei den Berufen mit tiefem Männeranteil entwickeln sich die Zahlen positiv: Im Beruf Fachmann Betreuung Kinder ist der Männeranteil in den letzten zehn Jahren von 8,7 Prozent (2012) auf 17,7 Prozent (2022) geklettert.
Das Konzept Seitenwechsel
«Die Betriebe und Organisationen, die sich bei uns für den Nationalen Zukunftstag registrieren, bieten Spezialprojekte für Mädchen oder Buben an – abhängig davon, wie hoch der Frauen- beziehungsweise der Männeranteil im jeweiligen Beruf ist», sagt Schläppi. Diese Angebote laufen unter dem Aspekt «Seitenwechsel». Betriebe aus dem Bau- oder Ingenieurwesen, die traditionell einen hohen Männeranteil haben, organisieren für Mädchen Programme in Technik oder Informatik. «Buben wiederum haben die Möglichkeit, Workshops in den Bereichen Pflege, Betreuung, soziale Arbeit, Pädagogik, Ergotherapie oder Physiotherapie zu machen», erklärt die Projektmitarbeiterin.
Von diesem Konzept ist Michel Alraun, CEO und Co-Gründer der Film- und Videoagentur Maybaum AG in Baden, nicht vollends überzeugt. Von der Organisation des Nationalen Zukunftstags wurde er vor einigen Jahren angefragt, ob der Filmagentur Maybaum am Zukunftstag Kinder geschickt werden dürften, die an Filmberufen interessiert seien. «Weil die Filmbranche offenbar als von Männern dominiert gilt, kamen dann nur Mädchen.» Seit Jahren organisiert er den Zukunftstag in seiner Firma selbst. «Mädchen und Jungen sind willkommen», betont Alraun, der bestätigt, relativ viele Anfragen für Schnuppertage zu erhalten. Bei Maybaum findet deswegen zweimal pro Jahr ein Tag mit praktischem Programm statt, an dem Kinder Einblick in die Filmindustrie erhalten.
Schnuppern beim Zimmermann
Die Kinder der fünften und sechsten Klasse der Schule Bözberg bekommen am Zukunftstag frei, wenn sie einen Platz zum Schnuppern gefunden haben. «Um den Tag auch unbeschwert in Angriff zu nehmen, müssen die Kinder keinen schriftlichen Bericht oder dergleichen verfassen», sagt Schulleiter Markus Lang. «Sie erzählen jedoch nach der Rückkehr in der Klasse von ihren Erlebnissen. Das wird von den Kindern positiv aufgenommen und stösst auf grosses Interesse», hat Lang beobachtet. Von den insgesamt 23 Kindern der fünften und sechsten Klasse in Bözberg nahmen dieses Jahr 19 am Zukunftstag teil. Geschnuppert wurde im Altersheim, im Kindergarten, als Dachdecker und Zimmermann, bei der Polizei, in einer Filmproduktion und in einer Kabelfirma. Wer in der Schule blieb, repetierte mit der Lehrperson Unterrichtsinhalte. «So mussten die Zukunftstag-Teilnehmenden nichts nachholen», erklärt Markus Lang.
Die Schule Windisch sieht den Zukunftstag als bedeutende Möglichkeit, den Schülerinnen und Schülern Einblicke in verschiedene Berufsfelder zu geben und ihre Eltern oder andere Bezugspersonen im Berufsalltag zu begleiten. Den Schülerinnen und Schülern der fünften und sechsten Klasse wird an diesem Tag Freistellung vom regulären Unterricht gewährt. «Wir verfolgen das Ziel, Mädchen und Jungen früh für eine offene Berufswahl und die Vielfalt möglicher Lebensentwürfe zu sensibilisieren», resümiert Schulleiter Reto Geissmann. So würden die Kinder dazu ermutigt, die individuellen Interessen und Fähigkeiten unabhängig von geschlechtsspezifischen Stereotypen zu entwickeln, fügt Geissmann an.
Bei der Libs (Industrielle Berufslehren Schweiz) blickt man erneut auf einen erfolgreichen Zukunftstag zurück. An den Workshops, welche die ABB und ihre Partnerfirmen durchführten, nahmen 230 Schülerinnen und Schüler teil. «Besonders erfreulich waren die kreativen Fragen von den Kindern», sagt Andreas Guntern. «Ihre Neugier hat den Tag bereichert und unterstreicht, dass wir das Interesse an Technologie und Innovation wecken können.» Das Programm am Zukunftstag komme bei Mädchen wie Jungs sehr gut an, bestätigt Andreas Guntern.