Drei Chöre, drei Generationen

Drei Lengnauer Pfarreichöre feiern am Sonntag mit dem gemeinsamen Konzert «Kirchengesang im Laufe der Zeit» ihre runden Geburtstage.
Die drei Dirigierenden in der Kirche St. Martin: Andrea Graf, Miriam Schmidli und Alwin Müller. (Bild: is)

100 Jahre Kirchenchor, 50 Jahre Jugendchor, 40 Jahre Singkreis: Am kommenden Sonntag feiern gleich drei Chöre der Pfarrei St. Martin Lengnau Jubiläum. Wie bereits beim 90-jährigen Bestehen 2013 geben die drei Chöre ein gemeinsames Konzert in der Kirche St. Martin. Unter dem Titel «Kirchengesang im Laufe der Zeit» nehmen sie die Zuhörenden auf eine musikalische Reise durch fünf Epochen mit. Zur Konzerteröffnung erklingt einstimmiger Gesang aus der Gregorianik (ab 6. Jahrhundert n. Chr.), zum Ausklang eine Komposition aus dem 21. Jahrhundert. Dazwischen zeigen die Chöre aus drei Generationen mit ihrem Programm die grosse Vielfalt des Kirchengesangs: Werke aus dem Frühbarock, dem Barock, der Klassik, der Romantik und der Neuzeit. Begleitet werden die Chöre von einem Ad-hoc-Orchester mit Streichern und Bläsern sowie von Kathrin Müller (E-Piano und Orgel).

Angebot für jedes Alter
Kirchlicher Gesang hat in Lengnau eine lange Tradition. «Hier gibt es wirklich für alle Generationen ein ­Angebot, vom Kleinkind bis zu den Ältesten», sagt Jugendchor-Dirigentin Miriam Schmidli (21). Lang gab es allerdings nur den Kirchenchor. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) beschloss grundlegende Reformen der Messliturgie – unter anderem war erlaubt, künftig Gottesdienste in der Landessprache abzuhalten. «Damals wurden viele Kindermessen neu komponiert», weiss Alwin Müller, der Dirigent des Singkreises.

Gemeinsam mit seiner Frau Erika hatte er 1973 den Jugendchor für Kinder und Jugendliche ab der 3. Klasse gegründet, der im Dorf grossen Anklang fand. «Wir hatten teilweise fast 50 Kinder», erinnert sich der ehemalige Lehrer. Als nach einigen Jahren bei den ersten Jungen der Stimmbruch einsetzte, musste eine Anschlusslösung gefunden werden. 1983 wurde deshalb der Singkreis als vierstimmig ­gemischter Chor ins Leben gerufen. Dort finden junge Erwachsene einen Platz, die buchstäblich zu «alt» für den Jugendchor sind. Dabei habe er beim Aufbau von altersgerechten Gruppen ein wenig auf den Turnverein mit den verschiedenen Riegen geschielt, gibt Alwin Müller zu: «Ich hoffte, dass wir von dort weitere Sängerinnen und Sänger rekrutieren könnten.»

Coronapandemie überstanden
Dieser Plan ging ziemlich auf. Alle drei Chöre hatten stets genug Mitglieder – sogar als rundherum viele Ensembles während der Coronapandemie eingingen. «Wir sind dankbar und stolz, dass wir das überstanden haben», ergänzt Michaela Schwenk, die Präsidentin des Kirchenchors Cäcilia. Der Zufall wollte, dass Dirigentin Andrea Graf kurz vor Ausbruch von Covid nach 20 Jahren die Leitung des Gospelchors Spirit of Hope abgegeben hatte, die sie gemeinsam mit dem Lengnauer Christoph Wieder innehatte. Dadurch war Graf frei für ein neues Engagement. «Ein Glücksfall für uns», sagt Präsidentin Schwenk.

Obwohl der Kirchenchor immer noch 25 aktive Sängerinnen und Sänger hat, die mittwochs von 20 bis 21.30 Uhr proben, kennt man auch Nachwuchssorgen. Um neue Mitsingende zu erreichen, lädt der Kirchenchor regelmässig Gastsängerinnen und -sänger projektbezogen ein – in der Hoffnung, dass diese nach einigen Monaten bleiben. Ebenso freut sich der Singkreis (20 Mitglieder) über neue Mitsingende. Beim Jugendchor geben viele das Singen auf, sobald sie in die Lehre oder in die Kantonsschule kommen. Aber auch der Ruf, etwas «verstaubt» zu sein, haftet den Pfarreichören an. «Viele sagen, sie würden gern singen – aber ‹sicher nicht in der Kirche!›», weiss Präsidentin Schwenk. Miriam Schmidli bedauert, dass junge Menschen heutzutage vielfach keinen Zugang mehr zur Kirche hätten: «Dadurch erhalten sie gar nicht mehr die Möglichkeit, kirchliche Musik zu entdecken», bedauert die angehende Studentin, die selbst seit der Kindheit in Chören singt. Mit dem Jugendchor studiert sie neben kirchlichen Gesängen immer wieder weltliche und moderne Lieder ein.

Beitrag zum Dorfleben
Die Bande zur katholischen Pfarrei seien eng, wie Alwin Müller darlegt: «Wir dürfen die Räume im Pfarreizentrum für die Proben gratis nutzen, und die Dirigenten werden von der Kirchgemeinde bezahlt. Im Gegenzug tragen wir mit unserem Gesang in Gottesdiensten oder bei anderen Anlässen viel zum Pfarrei- und zum Dorfleben bei.» So tritt der Jugendchor bei der Einstimmung in den Advent mit dem Singhöck, dem Kinderchor, der Singschar und mit Religionsklassen auf, und auch am Dorffest 1225 Jahre Lengnau gab es ein Konzert. Schliesslich seien öffentliche Auftritte eine Möglichkeit, neue Mitglieder für das Singen im Chor zu begeistern, sagt Dirigentin Andrea Graf.

So hoffen alle Beteiligten am Jubiläumskonzert auf viele Zuhörende, die sich mit ihnen auf die musikalische Reise begeben. Krönender Abschluss wird das Lied «Jesus Christ you are my life» des italienischen Geistlichen Marco Frisina (68) bilden, bei dem alle 56 Stimmen der drei Chöre gemeinsam ertönen. Gelegenheit zum Austausch bietet sich nach dem Konzert, die katholische Kirchgemeinde offeriert einen Apéro.

Sonntag, 3. Dezember, 17 Uhr
Kirche St. Martin, Lengnau