De gustibus non est …

In der Rubrik «Querbeet» beleuchten namhafte Autorinnen und Autoren ein von ihnen gewähltes Thema – und sorgen damit wöchentlich für Inspiration.
In der Rubrik «Querbeet» beleuchten namhafte Autorinnen und Autoren ein von ihnen gewähltes Thema – und sorgen damit wöchentlich für Inspiration.

De gustibus non est … na, Sie wissen schon, über Geschmack lässt sich nicht streiten. Doch, und wie! Dauernd geben wir Geschmacks- und Werturteile ab, obwohl wir wissen, dass sie in Dialogsackgassen stecken bleiben werden.

«Wie finden Sie mein neues Kleid?» – «Na ja, etwas gewagt.»– «Und mein neues Parfüm?» – «Also, ich weiss nicht.» Eine Frage des Geschmacks halt: Boucheron oder Acqua di Parma? Boccherini oder Wagner? Fussball oder Tennis? Jaguar oder Maserati? Hund oder Katze? Pizza mit oder ohne Rucola? Brugg oder Windisch? Picasso oder Klee? Dichter in Hosen oder Frauenkleidern? Lametta oder Liechtli vor Weihnachten? Oder die Qual der Wahl zwischen 15 Staubsauger- und Büchsenraviolimarken oder Zahnbürsten. Wir müssen permanent urteilen, meist über Banales wie Schweizer Farbfernsehen (SRF) oder Schlankheitspillen, die eh nichts nützen. Oder wir diskutieren über diesen Lindemann von Rammstein, diesen grölenden Unterweltler, diesen Söldnerführer des miesen Geschmacks. Sie wissen nicht, wer das ist? Seien Sie froh und hoffen Sie auf Goethes innigen Wunsch, der Erdkreis möge von edlen, hilfreichen und guten Menschen besiedelt sein. «Denn das allein unterscheidet ihn von allen Wesen, die wir kennen.» Meinte er da die gesamte bekannte Zoologie oder auch die menschliche Manege, von der wir täglich beglückt werden. So etwa von den Trugdolden-Züchtern der Werbebranche, den Kaffeesatz-Interpreten der Prognosen-Industrie, den Jongleuren der Finanzwirtschaft und den Seiltänzern der Politik. Mit erlesenem Geschmack haben nicht alle Volksvertreter intime Beziehungen, denken wir an ihre Garderobe. An die graue Mäuserichkluft von Monsieur, an die Vorhangstoffgarderobe von Madame und an die durchlöcherte Jeanskluft von Mademoiselle. Nun gut. Solange die allgemeine und persönliche Ethik stimmt, betrachten wir Geschmacksfragen als ästhetische Nebensache; aber bitte nur, wenn das Auge nicht leiden muss. Tut es das doch, sagen wir mit Vehemenz: Über den Gustibus lässt sich mit Lust und Laune streiten.

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