Winterhochwasser hat stark zugenommen

Anschwellende Flüsse sind eine grosse Gefahr und können viel Schaden anrichten – Starkregen ist für unsere Infrastruktur aber gefährlicher.
Im Surbtal hat man gegen Überflutungen Staustellen eingerichtet. (Bild: bkr)

Heute vor einer Woche: Hochwasser am Wasserschloss. Die Stroppelinsel (Gemeinde Untersiggenthal), wo sonst Rinder weiden, war in der Flut nur noch zu erahnen. Die Wassermengen waren für diese Jahreszeit so gross wie seit 80 Jahren nicht mehr. Der weitgehend militärisch genutzte Au-Schachen in Brugg stand ebenfalls unter Wasser. Die Brücken zwischen Untersiggenthal und Turgi waren gesperrt – ebenso die Spinnereibrücke Gebenstorf–Windisch. Entlang der Ländistrasse schützen orange Beaver-Schläuche das Hinterland und dessen Bauten. «Sie wurden», sagt Marcel Biland, Chef des Regionalen Führungsorgans (RFO) Brugg, «vom kantonalen Katastrophen-Einsatzelement in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Zivilschutz, der Feuerwehr Brugg und mit Leuten des Waffenplatzes montiert.» Bereits vor einer Woche beschränkten sich dank diesem Hochwasserschutz die Arbeiten der Einsatzkräfte auf gelegentliche  Kontrollgänge. Inzwischen hat sich die Lage entspannt, dennoch haben die kantonalen Stellen beschlossen, die Beaver-Schläuche vorläufig zu belassen. Sicher ist sicher.

Der Grund für diese Situation ist ganz klar das Wetter: Regen und Schneeschmelze in den Bergen. Aber auch Eingriffe des Menschen in die Natur sind ein wesentlicher Faktor. Seit der Juragewässerkorrektion (1891) fliesst die Aare durch den Hagneckkanal in den Bielersee. Mit ihr wurde dafür gesorgt, dass grosse Moore als Ackerflächen genutzt werden konnten. Zum grossen Hochwasserproblem für die Aare wird unterhalb des Bielersees die Emme. Das normalerweise beschauliche Flüsschen, das im Sommer sogar immer wieder austrocknet, kann bei Gewittern, aber ebenfalls bei Dauerregen zum reissenden Strom anschwellen und die Aare überlasten.

Orange Beaver-Schläuche schützen entlang der Ländistrasse in Brugg das Hinterland vor dem Hochwasser. (Bild: bkr)

Starkregen als grosse Gefahr
Eine noch grössere Gefahr für unsere Wohnzonen geht von Starkregen aus. Auch diese Ereignisse haben zugenommen. Verstärkt wird das Schadenspotenzial durch eine Versiegelung der Böden durch Bauten und Strassen. Wo genau in einer Gemeinde Risiken bestehen, darüber gibt eine kantonale Gefahrenkarte Auskunft. In Ehrendingen ist beispielsweise das Unterdorf ein Hotspot, für dessen Sanierung entsprechende Gelder im Finanzplan zu finden sind und in absehbarer Zeit investiert werden sollen. Nördlich von Ehrendingen fliesst die Surb, die das Wasser links und rechts des Tals aufnimmt. Damit es hier nicht mehr zu grossen Überschwemmungen mit grossen Schäden kommt, hat man östlich der Tiefenwaag und unterhalb des israelitischen Friedhofs (zwischen Lengnau und Endingen) Staustellen eingerichtet, mithilfe deren das Wasser in die Äcker lässt.

In Wettingen können Starkregenfälle am Lägernhang zur Ansammlung von grossen Wassermengen führen, die sich im Eigital bündeln und via Dorfbach konzentriert auf das Siedlungsgebiet treffen. Zur Entlastung hat der Einwohnerrat im November einen Bruttokredit von 27,6 Millionen Franken gesprochen. Mit diesem Geld wird primär ein Entlastungskanal vom Dorf hinunter zur Limmat gebaut. Die gute Nachricht für die Wettinger Finanzen: Netto muss die Einwohnergemeinde für 9,94 Millionen Franken aufkommen. Bund, Kanton, ein Fonds der Limmatkraftwerk-Betreiberin EWZ und die Aargauische Gebäudeversicherung (AGV) beteiligen sich mit 17,7 Millionen Franken.

Wer bezahlt die Schäden?
Die AGV beteiligt sich nicht von ungefähr an den Kosten. Bei ihr sind im Kanton Aargau sämtliche Gebäude obligatorisch versichert – und die Anstalt muss für Hochwasserschäden aufkommen. Anders im Bereich des Hausrats. Wie die meisten Kantone kennt der Aargau hier kein Versicherungsobligatorium. Übrigens: Der viele Regen der letzten Tage hat auch etwas Gutes. Er hebt den Grundwasserspiegel an. In Villnachern (Stieracker) zum Beispiel hat dieser inzwischen den höchsten Stand des ganzen Jahres 2023 erreicht.