Glücksschmied fertigt Schuhe nach Mass

Die Arbeit mit Glücksbringern ist für Daniel Oetiker Alltag. Als Hufschmied liegt ihm vor allem das Glück der Pferde am Herzen.
Daniel Oetiker mit Hengst Albi. Der 24-jährige Hufschmied hat 2020 die Schweizer Berufsmeisterschaft Swiss Skills gewonnen. (Bilder: lho)

Wer ein Hufeisen findet, hat das Glück auf seiner Seite. Warum? Pferde waren schon immer wichtige Wegbegleiter des Menschen. Um ihre Hufe zu schützen, erfanden unsere Vorfahren das Hufeisen (siehe Infobox). So manifestierte sich bereits vor Jahrhunderten der Glaube, dass das, was diesen wertvollen Tieren Schutz verleiht, auch uns Menschen behütet und darüber hinaus Glück bringt.

«So fällt das Glück hinein»
Daniel Oetiker ist tagtäglich von solchen Glücksbringern umgeben. Der 24-Jährige arbeitet selbstständig als Hufschmied. Für ihn sollen die u-förmigen Eisen vor allem ihren eigentlichen Zweck erfüllen und die Pferdehufe schützen. Und doch: «Dass ich den ganzen Tag von Pferden umgeben sein darf, ist mein grösstes Glück.» Ob die Glücksbringerthematik in seinem Berufsalltag gar keine Rolle spielt? Er meint lächelnd: «Natürlich begleitet sie uns bei unserer Arbeit. Die Hufeisen müssen nämlich richtig herum aufgehängt sein.» In seinem Lieferwagen werden die Eisen deshalb mit der Öffnung nach oben gelagert. «So fällt das Glück hinein», erklärt Oetiker. In der Deutschschweiz werden die Eisen auf diese Weise aufgehängt, um als Glücksbringer zu wirken. In der Welschschweiz hingegen ist das anders. Dort werden die Pferdeschuhe mit der Öffnung nach unten angebracht. Der Gedanke dahinter: So kann das Glück ausströmen und sich in Haus und Hof verbreiten.

Landesweit nur sieben Lernende
Doch selbst wenn man im Hufschmiedberuf Tag für Tag mit Glücksbringern zu tun hat, ist die Arbeit vor allem eines: körperlich anspruchsvoll. Das ist einer der Gründe,
weshalb es in der Schweiz an Fachkräften und an Auszubildenden fehlt. Derzeit gibt es im ganzen Land lediglich sieben Lernende im ersten Lehrjahr. Mindestens deren 25 müssten es sein, um die Nachfrage an Fachleuten abzudecken. Dementsprechend ist Daniel Oetikers täglicher Zeitplan straff. Sein Arbeitsjahr 2024 beginnt am 2. Januar in der Pferde-Reha Laubberg in Gansingen, wo die Hufe von sechs Pferden neu beschlagen werden müssen. Alle sechs bis acht Wochen ist das der Fall. An diesem stürmischen Tag wird Oetiker von Flavio Hörger unterstützt. Der ebenfalls gelernte Hufschmied arbeitet mittlerweile als Pferdeosteopath in der ganzen Schweiz und geht Berufskollegen und -kolleginnen ab und an als Huf­heber zur Hand. «Das entlastet den Schmied bei seiner Arbeit», bemerkt Hörger und streicht dabei Hengst Albatross, dessen Hufe gerade neu beschlagen werden, beruhigend über die samtigen Nüstern.

Der junge Hufschmied Daniel Oetiker aus Hottwil hat vor vier Jahren die Schweizer Berufsmeisterschaft Swiss Skills gewonnen und sorgt täglich für das Pferdeglück. (Bild: LHO)

Handgeformtes Schuhwerk
Das Pferd wartet geduldig, während sein Huf geraspelt und schliesslich beschlagen wird. Dampf steigt vom unempfindlichen Huf, als der Grobschmied das heisse Eisen auf Albatross’ Huf legt. Zuvor wurde es im Ofen in Oetikers Lieferwagen bis zum Glühen erhitzt, damit es geformt und an den Huf des Pferdes angepasst werden kann. Der Pferdekenner erklärt: «Die Hufeisen sind für die Tiere wie für uns Menschen die Schuhe. Nur können sie sie am Abend nicht ausziehen.» Deshalb sei es umso wichtiger, dass die Eisen möglichst viel Komfort böten und Hufe sowie Pferdebeine allenfalls orthopädisch unterstützten. Das Wohlergehen der Pferde liegt Oetiker spürbar am Herzen – stets im Dienste des Glücks dieser edlen Tiere.

Nach dem Auf- und Absetzen des glühenden Eisens dampft der Huf leicht. (Bild: LHO)