«Als Schiri reicht Herumstehen nicht»

Antonio Angelicchio ist seit über 20 Jahren Karatekampfrichter. Dafür muss er fit bleiben und stets den neuesten Stand der Reglemente kennen.
Schiedsrichter Antonio Angelicchio. (Bild: zVg)

Antonio Angelicchio, am Sonntag, 10. März, findet der grösste nationale Karatenachwuchsevent im ­Aargau statt. Im Sportausbildungszentrum Mülimatt in Windisch werden sich ungefähr 500 Karatekas im Alter von 6 bis 13 Jahren in den Disziplinen Kata und Kumite messen. Was ist der Unterschied?
Die Kata ist ein genau festgelegter Ablauf von Abwehr- und Angriffstechniken. Sie wird ohne Gegner ausgeführt. Kumite ist der klassische Kampf zwischen zwei Karatekas.

Welche der beiden Disziplinen ist schwieriger zu schiedsrichtern?
Bei der Kata gilt es zu verstehen, was sie zum Ausdruck bringen will. Dabei kommen langsame sowie schnelle Bewegungen vor. Es ist nicht ganz einfach, alle erlaubten 102 Katas zu kennen. Durch Ausbildung und viel Erfahrung weiss ein Kampfrichter, wo die Schwierigkeiten liegen, und erkennt zudem stilfremde Katas. 

Welche Bewertungskriterien gibt es bei der Kata?
Standfestigkeit, Timing und Synchronität, korrekte Atmung, Fokus (Kime), Geschwindigkeit … Die Aufzählung ist nicht vollständig. Der gesamte Katalog an Kriterien ist sehr umfassend und wird jährlich angepasst. Es ist ein eigenes Reglement, das weltweit gültig ist. Die Bewertung erfolgt mit Noten zwischen 5 und 10.

Gibt es Momente, in denen Sie als Schiedsrichter daran zweifeln, den richtigen Entscheid getroffen zu haben?
Es gibt bestimmte Momente, in denen ich sehr selbstkritisch bin und die Situation mehrmals vor meinem geistigen Auge abspiele. Im Wettkampf muss jeder Kampfrichter innerhalb von Sekundenbruchteilen entscheiden. Zum Glück gibt es Seitenkampfrichter, die unterstützend mithelfen.

Auf welche Hilfen kann sich ein Karateschiedsrichter ausserdem verlassen?
Als Schiedsrichter reicht es nicht, einfach auf der Kampffläche zu stehen. Ich muss die Techniken kennen, und das bedingt, dass ich selbst trainiere. Auf der Wettkampffläche sind jeweils sechs Schiedsrichter bei einem Kampf im Einsatz. Vier Eckenschiedsrichter, ein Hauptschiedsrichter und ein sogenannter Kansa, der darauf achtet, dass das Reglement umgesetzt wird und die Punkte und allfällige Strafen korrekt protokolliert werden.

Muss sich ein Schiedsrichter in die Karatekas hineinversetzen können, oder braucht es im Gegenteil viel Distanz zum Wettkampfgeschehen?
Es braucht beides. Meine Wettkampferfahrung hilft mit, das Geschehen besser von aussen zu beurteilen. Ich denke, dass man als Kampfrichter ein Gespür dafür entwickelt, wann es noch fair und wann es gefährlich für die Wettkämpfer wird.

Werden Junioren und Juniorinnen im Karate anders beurteilt als ­erwachsene Athletinnen und Athleten?
Ja, es gibt mehrere Unterteilungen. Grundsätzlich ist Jugendlichen bis 18 Jahre der Kontakt zum Kopf verboten. Eine Aufgabe der Kampfrichter ist es, die Wettkämpfer vor Verletzungen zu schützen. Die Technik ist entscheidend, nicht die Berührung. Damit der Punkt vergeben wird, muss das Potenzial erkennbar sein: Ob die Technik eine Wirkung erzielt hätte, wäre sie durchgezogen worden. Der Niederschlag ist in unserem Karate nicht erlaubt.

Sie üben Karate seit mehr als 33 Jahren aus und sind seit über 20 Jahren Kampfrichter. Hört man irgendwann auf, die Wettkämpfe zu zählen?
Ich durfte schon an einigen Meisterschaften teilnehmen. Ich war an Schweizer Meisterschaften sowie an internationalen Meisterschaften als Kampfrichter im Einsatz. Ich habe nicht mitgezählt, aber in über 20 Jahren kommt einiges zusammen.

Wie und wann fanden Sie zum Karate?
Schon als Kind hat mich Kampfkunst interessiert. Ich wurde bereits beim ersten Kursbesuch mit dem Karatevirus infiziert und bin bis heute nicht mehr davon losgekommen. Karate ist mehr als nur ein Sport. Für mich ist es eine Lebenseinstellung. 

Was fasziniert Sie am Schieds­richtern?
Die Herausforderung an sich und die Ausbildung. Ich muss immer am Puls der neuesten Anpassungen sein. Auf der Kampffläche muss ich mein Bestes geben, damit der bessere Wettkämpfer gewinnt. Als Schiedsrichter muss ich mindestens gleich fit sein wie die Athletinnen und Athleten. Ich muss das Kampfgeschehen genauestens beobachten, muss die Eckenschiedsrichter und die Uhr im Blick haben. Dazu muss ich versuchen, die beste Position zu haben, damit mir nichts entgeht. Ausserdem muss ich das Reglement im Kopf haben.

Müssen Sie manchmal die Trainer zurechtweisen?
Das kommt vor. Wenn sie zum Beispiel im Wettkampfeifer zu laut werden.

Wie lang dauert ein Karatekampf im Durchschnitt?
Ein Wettkämpfer, eine Wettkämpferin ist in der Regel zwei bis drei Minuten im Einsatz. Als Kampfrichter bin ich den ganzen Tag im Einsatz. Es ist wichtig, die Aufmerksamkeit hochzuhalten. Körperliche und geistige Fitness helfen ungemein.

Werden Sie am 10. März wieder den ganzen Tag als Schiedsrichter im Einsatz stehen?
Ich werde leider an diesem Anlass nicht als Kampfrichter dabei sein. Da das Turnier von unserem Verband organisiert und durchgeführt wird, übernehme ich als Vorstandsmitglied des Neuen Aargauischen Karate-Verbands (NAKV) den Bereich Gastronomie und bin für die Verpflegung zuständig. Ich wünsche meinen Kampfrichterkollegen ein gutes Auge.

Sonntag, 10. März, ab 9 Uhr
Mülimatt, Gaswerkstrasse 2, Windisch