Ein Flechtwerk aus Schicksalen

Als einziges Kino der Schweiz empfängt das Odeon zur Filmpremiere «Der Zopf» Buchautorin und Regisseurin Laetitia Colombani zum Gespräch.
Szene aus dem Film «Der Zopf»: Smita und ihre Tochter. (Bild: zVg)

Zum Internationalen Frauentag am 8. März lädt das Kulturhaus Odeon zu einem besonderen Anlass ein. Zur Filmpremiere von «Der Zopf» («La Tresse») wird Laetitia Colombani, die sowohl als Romanautorin zeichnet als auch Regie führte, zum Gespräch auf die Odeon-Bühne treten. «Diesem Umstand haben wir zu verdanken, dass sich die französische Botschafterin Marion Paradas mit Entourage für einen Filmbesuch im Odeon angekündet hat», so Stephan Filati, Betriebsleiter Cinema Odeon, über den hohen Besuch. Marion Paradas ist seit dem 1. August 2023 designierte Botschafterin Frankreichs in der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

In drei Erzählsträngen geflochten
Drei Leben, drei Frauen, drei Kontinente – drei Schicksale, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Obwohl Smita, Giulia und Sarah sich nie begegneten, sind ihre Leben auf bewegende Weise miteinander verwoben und ihre Schicksale ineinander verflochten: In Indien träumt Smita davon, dass ihre Tochter in die Schule geht und so dem Elend, in das sie als Unberührbare hineingeboren wurde, entkommt. Sie opfert ihr Haar in einem Tempel. In Italien übernimmt Giulia die Perückenwerkstatt ihres Vaters, der nach einem Unfall im Koma liegt, und stellt dabei fest, dass das Familienunternehmen hoch verschuldet ist. In Kanada soll die renommierte Anwältin Sarah zur Partnerin der Kanzlei befördert werden, als sie die Diagnose einer schweren Krankheit erhält.

Die Erzählstruktur des gleichnamigen Romans ist szenisch aufgebaut und wie ein Film angelegt. Jedes Kapitel endet mit einer Enthüllung, wie bei einer Serienepisode. Trotzdem hat Autorin Laetitia Colombani die filmische Umsetzung ihres Buchs beim Schreiben nicht bereits angelegt oder überhaupt in Betracht gezogen. «Ich wollte die Geschichte in Romanform schreiben, als ich noch als Drehbuchautorin und Regisseurin tätig war, weil ich dachte, dass eine Verfilmung ohnehin zu schwierig sei», erzählt die Autorin. Nach 15 Jahren des Drehbuchschreibens habe sie eine neue literarische Gattung ausprobieren wollen, die ihr völlige Freiheit gab. «Eine Romanautorin muss sich nicht die Fragen der Verkörperung, der Kosten für die Inszenierung und den Schwierigkeiten bei der Umsetzung stellen und Geldgeber oder Agenten überzeugen – und diese Freiheit hat mich beflügelt.» Auch bei der Adaption des Romans für den Film habe sie sich völlige Freiheit zugestanden, erzählt Colombani: «Adaptieren bedeutet, eine Wahl zu treffen. Ich fühlte mich wohl, denn als Autorin des Romans und des Films wusste ich, was mir beim Erzählen wichtig war, das hat mich geleitet.» Die Zusammenarbeit mit ihrer Mit­autorin Sarah Kaminsky habe ihr geholfen, diese Adaptionsarbeit mit dem Auge einer Aussenstehenden zu betrachten. «Sie hatte mehr Abstand als ich und half mir bei den Entscheidungen, stellenweise vom Roman abzuweichen.»

Bereits die Bucherscheinung 2017 war auf grosse Resonanz gestossen. «Damit hatte ich nicht gerechnet», sagt die Autorin. «Noch viel weniger aber damit, dass etwa 15 Produzenten mich kontaktieren und mir anbieten würden, den Roman zu verfilmen», gibt sie zu. «Ich bin überzeugt, hätte ich die Geschichte zuerst in Form eines Drehbuchs geschrieben, hätte man mir gesagt, dass das Projekt zu kompliziert sei, um es zu verwirklichen.»

Das Projekt ist umgesetzt. Der Film erschien im November 2023 in Frankreich, die Musik dazu komponierte Ludovico Einaudi. Als Regisseurin verlieh Laetitia Colombani der Filmadaption ihres Romans nochmals ihre Handschrift. Sie spinnt im episodisch erzählten Drama «Der Zopf» ein haarfeines Netz aus den Schicksalen der drei Frauen. «Keratin ist ein sehr widerstandsfähiges Material, und mir gefiel die Idee von feinem und starkem Haar, das auch als Metapher für meine drei Figuren steht.»

Freitag, 8. März, 17.30 Uhr
Kinovorführung mit anschliessendem Filmgespräch, Odeon Brugg