Man könnte den Eindruck gewinnen, dass bald die ganze Welt nur noch rein elektrisch fährt. Doch diese Wahrnehmung täuscht. Zwar verbreiten sich derzeit die batterieelektrischen Autos in einigen europäischen Ländern recht schnell, auch bei uns, schliesslich hat das EU-Parlament in Brüssel vorgegeben, dass ab 2035 nur noch Neuwagen mit einem batterieelektrischen Antrieb verkauft werden dürfen. Die Schweiz würde sich dieser Bestimmung unterwerfen. Hingegen ausserhalb West- und Zentraleuropas und abgesehen von Kalifornien und einigen Metropolen in China ist die Elektrifizierung des Strassenverkehrs noch lang kein Thema. Wenn überhaupt je.
Stellt man sich das auf einer Weltkarte vor, wird schnell klar: Der Bereich, in dem batterieelektrische Fahrzeuge selbst in Jahren weiterhin kein Thema sein werden, weil sie aufgrund der Infrastruktur oder der mangelnden Stromversorgung, aber ebenso wegen der wirtschaftlichen Situation schlicht nicht realistisch sind, ist erdrückend gross. Da die CO2-Emissionen aus diesen Gebieten enorm hoch sind, muss für den Rest der Welt eine Lösung gefunden werden. Elektrisch fahren kann man nämlich auch ohne teure Riesenbatterien, gut ausgebaute Stromnetze und aufwendige Ladestationen.
Vielerorts sind E-Fuels die Lösung
In diesen Gebieten könnten mittelfristig E-Fuels eine gute Lösung sein. Das hat mit elektrisch Fahren nichts zu tun, E-Fuels sind synthetisch hergestellte Treibstoffe, auch Synfuel genannt. Mit ihnen können allerlei Verbrennungsmotoren betrieben werden, vom einfachen Benziner über Dieselmaschinen aller Art bis zu Jetantrieben in Flugzeugen. Bereits 2010 gelang es Forschenden der ETH Zürich, sogenanntes Synthesegas oder Syngas im Labor herzustellen; Syngas ist der Grundstoff, aus dem die unterschiedlichen E-Fuels raffiniert werden. Es handelt sich dabei um Kohlenwasserstoffe, die mit Strom aus Wasser und CO2 hergestellt werden. Wird dazu «grüner» Strom wie Wind- oder Sonnenenergie eingesetzt und das benötigte CO2 aus der Atmosphäre gelöst, sind E-Fuels bei der späteren Verbrennung fast komplett CO2-neutral.
Das Schweizer Unternehmen Synhelion will 2025 eine erste kommerzielle Produktionsanlage für E-Fuels in Spanien mit einer Produktionskapazität von 875 Millionen Litern pro Jahr in Betrieb nehmen. Als Energiequelle nutzt Synhelion Solarwärme aus konzentriertem Sonnenlicht. Das ETH-Spin-off plant, die Produktionskapazität bis ins Jahr 2040 auf 50 Milliarden Liter zu erhöhen – genug für den gesamten Flugverkehr Europas. Denn gerade in den Bereichen des Verkehrs, wo Batterien technisch keinen Sinn ergeben wie im Flug-, Schwer- oder Schiffsverkehr, sind E-Fuels bei uns eine sehr spannende Lösung. Hinzu kommen die riesigen Regionen wie Indien, Südostasien, Afrika oder grosse Teile Lateinamerikas, in denen die E-Mobilität noch lang kein Thema sein wird.
Als «Killerargument» gegen die E-Fuels wird oft ihr schlechter Wirkungsgrad angeführt. Es stimmt schon: Die «Well-to-Wheel»-Bilanz der synthetischen Treibstoffe ist miserabel – um ein Auto zu bewegen, wird je nach Quelle das Fünf- bis Siebenfache an Energie benötigt als bei einem batterieelektrischen Auto. Nur: Wenn regenerative Energie in Gegenden aufgefangen wird, in denen sie sonst ungenutzt verpuffen würde, und man diese dann in synthetische Treibstoffe umwandelt, wird der Wirkungsgrad von E-Fuels hinfällig. Und wenn man sie in Bereichen oder in Regionen einsetzt, in denen der batterieelektrische Antrieb nicht durchsetzungsfähig ist, können synthetische Treibstoffe erheblich zur CO2-Reduktion beitragen.
Der Wasserstoff polarisiert
Eine weitere Alternative zum batterieelektrischen Antrieb ist der Wasserstoffantrieb. Wasserstofffahrzeuge sind Elektroautos. Sie werden also rein elektrisch angetrieben, der Strom dafür wird aber direkt an Bord in einer Brennstoffzelle durch die Elektrolyse von gasförmigem oder flüssigem Wasserstoff erzeugt. Die Herstellung des Wasserstoffs ist jedoch sehr energieaufwendig, was von Kritikern gern als Totschlagargument angeführt wird. Wird dazu nur «grüne» Energie verwendet, relativiert sich das.
Der Wasserstoffantrieb dürfte in Zukunft vor allem im Schwerverkehr eine bedeutende Rolle spielen, wo Batterien schlicht zu gross, zu schwer und zu teuer sind. Doch es gibt auch Autohersteller, die fest an den Wasserstoff glauben. Derzeit sind in der Schweiz erst zwei Personenwagen mit Wasserstoffantrieb auf dem Markt: der Toyota Mirai und der Hyundai Nexo. Der Stellantis-Konzern setzt auf leichte Nutzfahrzeugmodelle mit Brennstoffzelle und will ab diesem Jahr drei Modelle anbieten. Andere Hersteller haben intensiv an dieser Antriebsform geforscht, Pläne angekündigt und sie wieder verworfen – doch aktuell arbeiten wieder mehrere Marken wie BMW, Mercedes oder VW am Thema Wasserstoff. Wie sich dieser Antrieb in Zukunft entwickeln wird, ist kaum absehbar.
Die Aussenseiter
Eine Variante der Wasserstoff-Brennstoffzelle ist die Methanol-Brennstoffzelle. Damit will der ehemalige Audi-Entwickler Roland Gumpert eine umweltfreundlichere und praktischere Alternative zum batterieelektrischen Antrieb gefunden haben. Methanol ist eine Art veredelter Wasserstoff und kann wie E-Fuels aus dem CO2 der Atmosphäre hergestellt werden. Wird dazu ausschliesslich regenerative Energie benutzt, ist es ebenfalls CO2-neutral. In der Brennstoffzelle wird das flüssige Methanol aufgespalten, das CO2 wird zurück in die Umwelt entlassen, während der übrig bleibende Wasserstoff mit dem Sauerstoff aus der Luft reagiert und so Strom erzeugt. Vorteile sieht Gumpert vor allem in der höheren Sicherheit und im einfacheren Betanken gegenüber dem Wasserstoff. Derzeit zeigt aber kein Autohersteller Interesse an dieser Antriebsform.
Immer wieder mal ins Spiel gebracht wird der Solarantrieb. Das wäre wohl die umweltfreundlichste Form des Elektroantriebs – doch technisch aktuell nicht realistisch umsetzbar. Bis anhin sind alle Start-ups, die ein Serienauto mit Solarantrieb realisieren wollten, gescheitert. Weder Sono Motors aus Deutschland noch das niederländische Unternehmen Lightyear haben ihre angekündigten Modelle in die Serienproduktion gebracht, beide Projekte mussten wegen Finanzierungsproblemen eingestellt werden. Andere, wie der dreirädrige Apetra oder der winzige Squad aus den USA, können nicht als vollwertige Autos gezählt werden. In diesem Bereich hat die Elektromobilität also nach wie vor viel Potenzial.
Natürlich laufen weltweit viele andere Entwicklungsprojekte, es wird in Zukunft weitere gute Alternativen zum batterieelektrischen Antrieb geben. Wenn man das Problem der hohen CO2-Emissionen des Verkehrssektor als globales Problem erkennt und nicht auf die eigene Region beschränkt, wird klar: Technologieoffenheit ist eine wichtige Grundvoraussetzung zur Lösung des Problems. Nur so werden für die verschiedenen Anforderungen weltweit die passenden Lösungen gefunden. Es bleibt zu hoffen, dass das auch die Politik in Brüssel erkennt.