Ein Lehrjahr für Politikeinsteigerinnen

Am Internationalen Tag der Frau fand im Odeon in Brugg der geschlossene Startanlass für ein weiteres Jahr von Mentoring Aargau statt.
Die künftigen Tandems der Mentorinnen und Mentees, die nun gemeinsam ein Jahr lang unterwegs sein werden, anlässlich des Startanlasses im Odeon Brugg.(Bild: zVg | Anne Zwahlen, Frame Photography)

Am vergangenen Freitag begegneten sich im Rahmen von Mentoring Aargau die Mentorinnen und Mentees zum Teil zum ersten Mal und konnten sich gegenseitig kennenlernen. Während eines Jahres werden gestandene Politikerinnen ihr Wissen nun an junge Politikeinsteigerinnen weitergeben und sie als Mentorin begleiten und betreuen.

Das politische Handwerk lernen
Den Programmhöhepunkt des Anlasses bildeten die Schilderungen von Mentorinnen und Mentees des Durchführungsjahrs 2023. Eindrücklich erzählten sie von ihren persönlichen Erfahrungen. Die Politikerin Simona Brizzi (SP), Nationalrätin aus Ennetbaden, berichtete davon, wie sie ihre junge Mentee das erste Mal für ein gegenseitiges Beschnuppern in Aarau getroffen habe. Mittlerweile sei ihre Mentee gerade in einem Austauschjahr in Neuseeland. Sie habe die sehr interessierte Mentee an Sitzungen und Events mitgenommen, und als es darum gegangen sei, an ihren politischen Vorstössen zu wirken, habe sie von der jungen Frau gern die eine oder andere Anregung angenommen. Schliesslich gehe es um ein Geben und Nehmen. Auch hätten sie sich oft zusammen beraten, und für ihre Mentee sei es aufschlussreich gewesen, Brizzis Wahlkampf zu verfolgen. Das lehrreiche Jahr, das viel zu schnell vorbeigegangen sei, sei für beide äusserst bereichernd gewesen. Sie habe der ambitionierten Frau einiges hinsichtlich des politischen Handwerks aufgezeigt und mit auf den Weg geben können sowie Ratschläge darüber, wie man in der Politik Fuss fasse.

Carol Ponkeu, eine ehemalige Mentee, berichtete ebenfalls äusserst beflügelt von ihrem Mentoringjahr, das sie miterleben durfte. Die Neugierde für politische Aktivität sei bei ihr definitiv geweckt worden, und sie sei persönlich in diesem Jahr noch mehr gereift. Schön sei gewesen, dass sie mit ihrer Mentorin nicht nur politisch unterwegs gewesen sei, sondern dass auch private Themen Platz gehabt hätten. Sie zeigte sich sehr dankbar, dass sie am Programm teilnehmen durfte.

Besuch im Bundeshaus
Nach den eindrücklichen Erzählungen der beiden Referentinnen wurden die Teilnehmerinnen aufgefordert, von ihren eigenen politischen Erfahrungen zu berichten, wie sie überhaupt in die Politik gelangt seien und was für einen Schlüsselmoment es gegeben habe. Die persönlichen Berichte waren äusserst amüsant, zum Teil überraschend ehrlich und sorgten für einiges Gelächter und fröhliche Stimmung. Elisabeth Burgener (ehemalige Grossrätin und Grossratspräsidentin sowie Coaching und Mitgründerin von Mentoring Aargau), Gertrud Häseli (Frauenzentrale Aargau, ebenfalls Mitgründerin) sowie Amanda Sager-Lenherr (Frauen Aargau, dritte Mitgründerin) stellten anschliessend die Jahresplanung 2024 vor. Auf dem Programm steht unter anderem ein gemeinsamer Besuch im Bundeshaus in Bern. Zudem finden unter dem Jahr, im Mai und im September, zwei weitere Austauschtreffen in der Frauenzentrale Aarau statt.

Im Anschluss an den knapp zweistündigen, äusserst informativen Anlass wurden die Anwesenden eingeladen, sich den Film «Der Zopf» von Laetitia Colombani anzuschauen.

Der Film ist eine emotionale Ode an die Kraft der Frauen und den hohen Stellenwert weiblicher Solidarität. Laetitia Colombani, die 48-jährige französische Schauspielerin, Regisseurin, Drehbuchautorin und Schriftstellerin, war vor Ort und lud vor Filmbeginn zu einem halbstündigen Gespräch ein, an dem Frankreichs Botschafterin Marion Paradas teilnahm (siehe auch Seite 5). Nach dem eindrücklichen, fast zweistündigen Film mit Podiumsanlass gönnten sich einige Teilnehmerinnen noch einen Schlummertrunk an der Odeon-Bar und liessen diesen wunderbaren Frauentag ausklingen.

Der nächste Start in ein weiteres Mentoring-Aargau-Jahr ist im Frühjahr 2025.

Elife Biçer, Mentee (Bilder: isp)

«Ich bin durch einen Aufruf bei Instagram auf Mentoring Aargau aufmerksam geworden. Da ich mich politisch mehr engagieren möchte, erachtete ich diesen Aufruf als sehr passend. Ich bin zuversichtlich, dass ich nun etwas mehr hinter die Kulissen einer politischen Tätigkeit blicke und mein Netzwerk vergrössere: Wie lerne ich zum Beispiel, wirksam aufzutreten, aktiv auf Leute zuzugehen oder Initiative zu ergreifen? In meiner Familie habe ich keine politischen Vorbilder, deshalb ist das Mentoringprogramm für Frauen eine wichtige Unterstützung, um Erfahrungen zu sammeln und sich auszutauschen. Meine Mentorin Nora Langmoen (SP Aargau) habe ich bereits kennengelernt, und der erste Austausch mit ihr war vielversprechend. Ich freue mich auf das kommende Jahr.»

Elisabeth Burgener, Mentorin

«Einen wunderbaren, kraftvollen Start in unser zweites Mentoringjahr dürfen wir hier am Internationalen Frauentag im Odeon in Brugg erleben. 14 Frauentandems – so bunt und vielseitig wie unsere Gesellschaft – schicken wir heute auf ihre einjährige Reise. Mein erster Eindruck ist geprägt von ­Begegnungen mit selbstbewussten und motivierten Frauen ­verschiedenen Alters, die Lust haben, Neues kennenzulernen und mitzugestalten: in der Politik, in der Verbands- oder in der gemeinnützigen Arbeit. Ich freue mich sehr, weiterhin dieses Projekt und vor allem die Frauen zu begleiten und zu unterstützen und auf die vielen Begegnungen und den Austausch, was auch mich für meine Engagements immer wieder von Neuem motiviert und mir Energie gibt.»

Karin Koch Wick, Mentorin

«Ich nehme das erste Mal an diesem Mentoringjahr teil, und meine Mentee habe ich bereits kennengelernt. Ihr werde ich ­sicher die Gelegenheit geben, dass sie an der einen oder anderen Grossrats- beziehungsweise Fraktionssitzung dabei sein kann. In persönlichen Gesprächen werden wir uns einigen und herausfinden, was für Interessen oder Erwartungen ihrerseits noch bestehen. Ich bin zudem in einigen anderen Ämtern aktiv politisch unterwegs und kann ihr viel Wissenswertes und Lehrreiches weitergeben. Sich politisch zu engagieren, ist äusserst abwechslungsreich. Das ist keine so trockene Angelegenheit, wie viele oft meinen. Meine Mentee wird garantiert wertvolle Beziehungen knüpfen können, und ich werde sie mit vielen Leuten zusammenbringen, die sie auf ihrem Mentoringjahr begleiten werden.»

Gertrud Häseli, Mentorin

«Es ist gut, dass wir dieses Projekt lanciert haben. Insbesondere in Bezug auf die Wahlen. Letztes Jahr fanden Nationalratswahlen statt. In diesem Jahr stehen die Grossratswahlen an, und nächstes Jahr kommen die Gemeindewahlen auf uns zu. Es ist wichtig, dass Frauen gestärkt werden und in der Politik und in Ämtern Fuss fassen und ihre Namen auf Listen setzen lassen. Ich bin Mitglied in der Projektleitung der Frauenzentrale Aargau. Sie engagiert sich für die Gleichberechtigung auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Es geht unter anderem um Lohngleichheit, familienexterne Kinderbetreuung, Anerkennung der Care-Arbeit und Verhinderung von Gewalt gegen Frauen. Mit einer angemessenen Frauenvertretung versprechen wir uns eine bessere politische Aner­kennung dieser Themen. Von der Gleichberechtigung werden Frauen und Männer gleichermassen profitieren.»

Manuela Morelli, Mentee

«Durch Publikationen habe ich vom Mentoringprogramm erfahren, und das hat bei mir eine grosse Resonanz ausgelöst. Ich musste nicht lang zögern und habe mich gleich angemeldet. Meine Mentorin ist Marianne Binder (Ständerätin, Die Mitte). Ich bin aktiv im Verein Femmes Sapiens Brugg unterwegs. Der Verein bezweckt das historische Vermächtnis von Frauen der Region Brugg und von weiteren Bezirken in einer Plattform aufzubereiten und sichtbar zu machen. Diese interessante Mitarbeit im Verein enthält auch politische Aspekte, die ich in diesem sicher lehrreichen Jahr jetzt ausbauen und ausweiten kann. Es ist wichtig, dass wir Frauen noch mehr motivieren, wenn es darum geht, unsere Mitmenschen für Politik zu begeistern. Ich bin beruflich als Mentorin unterwegs und bestärke gern Frauen, insbesondere ab und in der Lebensmitte. Denn je älter Frauen werden, umso unsichtbarer scheinen sie in der Wirtschaft und der Gesellschaft zu sein. Ich will sie sichtbarer machen. Unbedingt. Ich freue mich sehr auf dieses garantiert spannende Jahr, das mir bevorsteht.»