Die erlesene Lokalvergangenheit

Die neue Ausgabe der «Nachlese» liegt vor. Am Sonntag wurde sie der erwartungsvollen Bevölkerung in der Turnhalle Oberflachs vorgestellt.
In der neuen «Nachlese» ist der Geigenbauerin Lejla Fasler ein besonderes Kapitel gewidmet (BILD: ZVG | BILD: THERES SCHERER)

Jahresrückblicke sind gewiss lokal bedeutungsvoll, regional allenfalls interessant, global betrachtet aber unerheblich. Das gilt wohl auch für die «Nachlese Schinznach 2023», die sich mit unterschiedlicher Textqualität, mit aussagestarken Bildern reichhaltig und gehaltvoll in schlichtem Schwarz-Weiss präsentiert. Und durchaus logisch ist es, wenn diese lokalen Neujahrsblätter im Weinbaudorf als «Nachlese» offeriert werden, in der «dörfliches Leben und Geschehen im Jahreslauf» erstaunlich ausgedehnt und detailfreudig nachgezeichnet werden. Hier nun als kleine Rezension ein Blick ins Innere.

Historisches
Weniger lokal als vielmehr global regt das Vorwort eine Diskussion über unsere Neutralität und einen helvetischen Alleingang an, das offenbar zum Wohl des Landes und des beschaulichen Schinznach. Unter dem Titel «Schloss Kasteln – eine Kurzgeschichte in Bildern und Texten» lernt man die grafischen Darstellungstechniken von Jeanmarie Feeit bis Emil Anner kennen. Und vergessen soll nicht sein, dass das Schulheim Schloss Kasteln früher einmal im Volk als Drohkulisse gegen die bösen Buben galt. Dass einem ermatteten Ritter nach der Jagd das Bad in dem damals noch siedend heissen Quelltümpel nicht gut bekommen war, überliefert die Sage von der Schinznacher Heilquelle.

Es folgt die Geschichte über «Die Herrmann und die Stoll Stiftung», die «fähige Jünglinge oder Töchter unterstützt, die einen wissenschaftlichen oder gewerblichen Lehrberuf erlernen wollen». Wie sich das Dorf Schinznach baulich verändert hat, beschreibt ein gut bebilderter Bericht der Bauverwaltung, die allein für das Jahr 2023 total 71 Baugesuche ausweist.

Zoologie und Botanik
Als invasive Herausforderung sieht man den «niedlichen» Waschbären. Die schädlichen Folgen seiner Verbreitung beschreibt ein kritischer Artikel. Aber ebenso ein in der Schweiz äusserst seltenes Insekt, die Goldschwebfliege (Callicera spinolae), erfährt eine ausserordentliche Widmung, weist sie sich doch als Indikator für eine hohe Biodiversität aus.

Beruf und Gewerbe
Ein Firmenporträt fehlt ebenfalls nicht, und zwar jenes der 1962 gegründeten Tief- und Gartenbaufirma Gebr. Käser AG in Oberflachs, die 2012 ihr 50-Jahr-Jubiläum mit Baggerwettbewerb, Musik und Hüpfburg feiern konnte. Berichtet wird zudem von der neuen Biogasanlage auf dem Aarhof des Bauern Willi Hartmann, die Strom produziert.

Seit 35 Jahren existiert an der Unterdorfstrasse 35 das von Ruedi Ellenberger gegründete Reisebüro Acapa mit Iata-Buchungslizenz. Weder Fleisch, Würste noch anderes mehr bietet künftig der Dorfladen & Metzg von Walter und Jacqueline Suter an. Sie haben nach 30 Jahren diesen in die neu gegründete Schenkenberg Primefood AG überführt. Ein besonderes Kapitel räumt die «Nachlese» der Geigenbauerin Lejla Fasler ein, die sich von einem Stradivari-Cello aus dem Jahr 1698 inspirieren liess, selbst eines herzustellen, und das zu ihrer Berufung gemacht hat.

Sport und Kultur
Wie steht es mit der Oberflachser Jugend? Offenbar gut, denn am Lupfiger Kreisturnfest soll sie «gesprungen, geworfen, gerannt, gehüpft, geturnt, gekämpft, gelitten, geschwitzt und alles gegeben haben». Resultat: hohe Gesamtnote von 29,06 Punkten. Und auch das: Seit 2007 wohnt in Schinznach ein nicht ganz unbekannter Rennfahrer der GT4-Klasse. Er heisst Jean-Luc D’Auria, rast für Emil Frey Racing, und Le Mans, Monza und Bahrain sind für ihn keine Fremdwörter. Ein Sonderkapitel befasst sich mit der Kulturstätte «De Schopf». Es handelt sich um ein Schrauberparadies, wo junge Leute Motorräder reparieren können und sogar schon mal eine Harley restauriert haben.

Politik und Verwaltung
«Aus der Ratsstube» heisst der Abschnitt, bei der die «Nachlese» Demissionen und Neugewählte im Gemeinderat aufzeigt. Ferner erwähnt sie detailliert nicht wenige personelle Wechsel in der Verwaltung nach einer umfassenden Analyse im Jahr 2022. Es folgen mehr oder weniger lesenswerte Rapporte über alles, was ein Dorfleben ausmacht: Feuerwehr, Bildung, Kultur und Freizeit, Schwimmbad und die Bundesfeier mit «einer erfrischenden Rede der Karatekämpferin Elena Quirici».

Varia
Hier findet man Hinweise zur besorgniserregenden «Beizenkultur», zum Sternmarsch des Kreisturnverbands Brugg als «gesellschaftlichem Anlass erster Güte», zum tollen Fest des Gewerbevereins Schenkenbergertal zu seinem 40. Geburtstag oder zur Geschäftsübergabe der Apotheke nach 33 Jahren, um nur ein paar Ereignisse herauszugreifen.

Nicht fehlen dürfen die Todesfälle, es waren 23. Als Kontrast dann die hohen Geburtstage, namentlich von Raini Vogt und Alma Schenkel mit 95 Jahren. Es folgen die Jungbürgerfeier des Dorfs und die Hochzeitsjubiläen nach 60 Jahren Zusammenleben.

Alles in allem erfüllt die «Nachlese Schinznach 2023» den Anspruch, die lokale Vergangenheit detailreich zu beschreiben, zu beleben und vor dem Vergessen zu bewahren.