Neustart an der Schulthess-Allee

Der Einwohnerrat behandelte Planungs- und Kreditvorlagen sowie zahlreiche Motionen und Postulate. Für die Gebietsentwicklung Schulthess-Allee und Annerstrasse hat der Einwohnerrat einem Planungskredit von 200 000 Franken zugestimmt.
Der Schulthess-Allee besser Rechnung tragen als bei einem ersten Verfahren vor drei Jahren.(Bild: hpw)

Im zentralen und städtebaulich sensiblen Gebiet Schulthess-Allee/Annerstrasse, das an die Brugger Altstadt grenzt und die Brücke zum Neumarkt/Bahnhof bildet, werden die planungs- und baurechtlichen Voraussetzungen für qualitatives, verdichtetes Bauen geschaffen. Der Einwohnerrat bewilligte mit 39 gegen 7 Stimmen 200 000 Franken für die Erarbeitung eines oder mehrerer Gestaltungspläne. Ein Rückweisungsantrag der SVP wurde abgelehnt. Damit unternimmt die Stadt einen neuen Anlauf für eine der anspruchsvolleren Quartierentwicklungen. Dieses Mal will sie es besser machen als vor drei Jahren.

Aus Fehlern gelernt
Vor drei Jahren hätte ein erstes Gestaltungsplanverfahren für den Schild Schulthess-Allee/Annerstrasse einer modernen Neuüberbauung mit zen­traler Stadtverwaltung, Stadtbibliothek, Verkaufsflächen, Büros und Wohnungen den Weg ebnen sollen. Dagegen hagelte es Beschwerden. Der Regierungsrat hiess sie gut. Er wies die Pläne zur Überarbeitung zurück. Dabei kritisierte er den Umgang mit den potenziell schutzwürdigen Bauten Müller-Haus und Alte Schmitte sowie die ungenügende Interessenabwägung zwischen den Erhaltungszielen für schützenswerte Ortsbilder und den Verdichtungsinteressen.

Daraus zog der Stadtrat Lehren. Er legte aufgrund eines Gutachtens fest, dass das Müller-Haus und die Alte Schmitte zu erhalten sind. Über eine Unterschutzstellung soll später entschieden werden. Das neue Gestaltungsplanverfahren wird kooperativ aufgegleist. Die Stadt, die privaten Eigentümer und der Heimatschutz legen gemeinsame Vorgaben fest. Der Stadt als grösster Eigentümerin mit 64 Prozent Flächenanteil im Planungsperimeter ist die Innenverdichtung wichtig. Die Zentralisierung der Stadtverwaltung wird an anderer Stelle weiterverfolgt.

Der Einwohnerrat begrüsste den neuen Planungsanlauf. Zustimmung bekam der Stadtrat aus den Reihen der FDP, der SP, der Mitte, der GLP, der EVP und der Grünen. Man zeigte sich erfreut über die neueste Wendung. Was lang währte, werde endlich gut. Die kooperative Planung und die Erhaltung der alten Bausubstanz wurden gelobt. Das Planungsverfahren sei eine Voraussetzung für die Weiterentwicklung des zentralen Areals, betonte auch Frau Stadtammann Barbara Horlacher.

Einzig die SVP lehnte den Planungskredit ab. Er sei unnötig. Die Stadt solle die Übung sofort abbrechen. Es gebe eine Bau- und Nutzungsordnung, mit der private Investoren die Entwicklung vorantreiben könnten. Die Stadt hingegen müsse sich nicht als Investor gebärden. Aber wieder einmal wolle sie viel Geld ausgeben, um zu planen, anstatt geltende Regelwerke anzuwenden. Die Er­haltung schützenswerter Bauten solle man den Eigentümern überlassen. Für diese Argumente hatte die Ratsmehrheit jedoch kein Verständnis.

Freude an Sauberwasserleitung
In der Schützenmatte ist die Sanierung der Strasse und der Kanalisation nach übereinstimmender Meinung dringend nötig. Dabei sollen Schmutzwasser und Sauberwasser getrennt werden. Gleichzeitig wollen die Industriellen Betriebe Brugg die Wasserleitung, die Kabeltrassen für TV und Strom sowie die öffentliche Beleuchtung erneuern. Oppositionslos bewilligte der Einwohnerrat 1,85 Millionen Franken für die Strassensanierung und 1,61 Millionen Franken für die Abwassersanierung.

Bei der von Stadtrat Roger Brogli präsentierten Vorlage fand der Einbau einer Sauberwasserleitung, die das Meteorwasser zur Entlastung der Kläranlage separat abführt, besondere Anerkennung. Mit 44 gegen 2 Stimmen wurde ausserdem ein Zusatzantrag der SP gutgeheissen, die Sauberwasserleitung trotz beengten Platzverhältnissen wenn möglich auf den ganzen Projektperimeter auszudehnen.

Tagesschule nicht abservieren
Zu einem vor vier Jahren eingereichten Postulat von Barbara Geissmann (Die Mitte) für die Einführung einer öffentlichen Tagesschule als Ergänzung zur bestehenden Schulstruktur musste der Stadtrat Bericht und Antrag erstatten. Er gelangte zu dem Schluss, wie Stadtrat Jürg Bauer erklärte, dass für diese Einrichtung die Räumlichkeiten und personellen Ressourcen fehlten, die Organisation einer Ganztagesschule für Schüler aus dem ganzen Stadtgebiet an einem oder mehreren Standorten schwierig und die Finanzierung ungewiss wäre. Als Alternative zur Ganztagesschule biete die Stadt bereits eine bewährte modulare Tagesschule an. Deshalb könne das Postulat als erledigt abgeschrieben werden.

Praktisch alle Einwohnerratsfraktionen erachteten das Angebot von Tagesstrukturen als wichtig. Die Hürden für eine Ganztagesschule wurden zwar nicht bestritten, aber aufgrund erfolgreicher Beispiele andernorts, wie Baden, auch in Brugg für lösbar gehalten. FDP und Grüne fanden, das Schulraumproblem liesse sich mit Modularbauten verringern. Der Rat nahm den Bericht zur Kenntnis, lehnte jedoch die Abschreibung des Postulats Geissmann ab.

Die Stadtbibliothek im Fokus
Die Stadtbibliothek floriert. Ihre Verlegung vom Zimmermannhaus in den Effingerhof bewährt sich. Sie wird jetzt nicht mehr von einem Verein getragen, sondern als städtische Institution geführt; das lässt sich die Stadt jährlich rund 400 000 Franken kosten. Dadurch rückt sie aber ins Scheinwerferlicht der städtischen Politik. Das belegten drei Motionen von Titus Meier (FDP). Er wollte das Reglement der Stadtbibliothek durch einen «Zweckartikel» ergänzt haben, der Stadtbibliothek einen Sammlungsauftrag für Brugger Literatur (sogenannte Bruggensia) erteilen und den Stadtrat dazu auffordern, bei der Züglete weggegebene «Altbestände» nach Möglichkeit in die Stadtbibliothek zurückzuholen.

Der Stadtrat liess die Ablehnung aller drei Vorstösse durch sein neues Mitglied Yvonne Buchwalder-Keller begründen. Aber dieser Haltung widersetzte sich der Motionär eloquent und erfolgreich. Anhand konkreter Beispiele legte er dar, welche «Brugger Werke» nicht mehr in der Stadtbibliothek einzusehen sind, sondern beispielsweise in der Kantonsbibliothek in Aarau nachgefragt werden müssen. Der Einwohnerrat unterstützte ihn in allen Forderungen, auch in der Ergänzung des Bibliothekreglements, obschon es eine SP-Vertreterin als Frechheit empfand, wenn sich die Politik in die Bibliotheksziele einzumischen anmasse.