Sie wollen Erfolg – unbedingt!

Laufend weist der Bund dem Aargau unbegleitete minderjährige Asylsuchende zu. Die Motivierten unter ihnen erhalten nun eine Chance.
Günter Marz und Francesca Lepori. (Bild: pbe)

Das Wohnprojekt läuft erst seit Mitte Juli dieses Jahres. Betreut, begleitet und verantwortet wird es von Francesca Lepori von der Lernwerk Betriebe AG und kantonsseitig von Günter Marz. Sie berichten von ersten Erkenntnissen.

Francesca Lepori, Günter Marz, wie kam es zu diesem Angebot?
Unter den dem Aargau zugeteilten Personen kommen vermehrt junge Minderjährige zu uns, die sich ohne elterliche Begleitung auf den Fluchtweg gemacht haben. Wir sprechen von einer Zunahme von 70 auf 350 Jugendliche in den letzten drei Jahren. Während eines ersten Aufenthalts in einer Asylunterkunft kristallisieren sich bald jene heraus, die ganz besonders integrations- und bildungsmotiviert sind. Ihnen soll eine solide Ausbildung ermöglicht werden. Das kann besser gelingen, wenn sie nicht in einem vollen Wohnzentrum untergebracht sind, wo sie zahlreichen Störfaktoren ausgesetzt sind.

Wie geht der Kanton mit dieser Herausforderung um?
Er setzt auf das Konzept des begleiteten Wohnens. Hier in Würenlingen wurden zwei Wohnungen angemietet, in denen nun acht jugendliche Burschen aus Afghanistan leben, jeder in seinem eigenen Zimmer.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit den Jugendlichen das geboten werden kann?
Es sind anspruchsvolle Kriterien. Die jungen Männer müssen gezeigt haben, dass sie in jeder Hinsicht zuverlässig und leistungsbereit sind. Das betrifft zum Beispiel die Einhaltung eines Stundenplans oder die Erledigung von Hausaufgaben. Die acht Jugendlichen, die nun in die Wohnungen gezogen sind, erweisen sich als bemerkenswert ambitioniert und zielstrebig.

Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?
Wir haben die Wohnungen unmö­bliert übernommen und uns zuerst mit dem wichtigsten Mobiliar eingedeckt: Betten, kleine Tische und Stühle. Da fragte gleich zu Beginn einer der Jugendlichen: «Wo hat es ein Pult, an dem ich arbeiten kann?»

Gibt es weitere Kriterien?
Ja. Es dürfen nur Jugendliche in dieses Programm eintreten, die eine Ausbildung absolvieren – welcher Art auch immer. Einige gehen noch in eine ergänzende Schule, andere stehen bereits in einer Berufslehre. Dabei hat sich gezeigt, dass die Jugendlichen, die dem Kanton Aargau zugewiesen werden und gute Perspektiven auf einen Verbleib in der Schweiz haben, unbedingt Erfolg haben wollen. Denn sollten die Jugendlichen in der Schweiz scheitern, stehen sie vor dem Nichts. In ihre Heimat können sie ja nicht mehr zurück.

Wissen Sie etwas über den Hintergrund der Jugendlichen? Warum sind sie geflüchtet?
In kaum einem anderen Land sind die Rechte von Kindern so bedroht wie in Afghanistan. Die Jugendlichen fliehen vor dem repressiven System. Die Herrschaft der Taliban gewährte ihnen keine Perspektiven auf eine kindgerechte Zukunft und eine solide Ausbildung.

Wie verlief der Start des Projekts?
In erster Linie mussten zwei Bezugspersonen gefunden werden, zwei Sozialpädagoginnen, die nun für alle Alltäglichkeiten und Hilfeleistungen zur Verfügung stehen. Nach der Mö-blierung der Wohnungen haben wir die administrativen Voraussetzungen erledigt und die Hausregeln formuliert. Die Jugendlichen haben wir dann mit einem grossen Schild willkommen geheissen.

Was muss man sich unter «Betreuung» vorstellen?
Es geht darum, die Jugendlichen auf dem Weg zur Selbstständigkeit und zur Eigenverantwortung zu begleiten. Sie sollen die hier geltenden Regeln und die üblichen Vorgehensweisen kennen und einhalten. Was geschieht mit dem Abfall? Wie melde ich mich im Krankheitsfall vom Arbeitsplatz ab? Es geht um ganz praktische Situationen, die sie kennenlernen und einüben sollen.

Inwiefern kooperieren die Jugend­lichen?
Es ist ihnen bewusst, dass sie hier eine einmalige Chance haben, weshalb sie sehr engagiert sind. Selbstverständlich kommt es auch zu schwierigen Momenten. Dann sind jeweils Geduld und Durchhaltewillen gefragt. Man darf aber die psychischen Belastungen nicht vergessen, denen die Jugendlichen zum Beispiel im Kontakt mit ihren noch in der alten Heimat lebenden Verwandten manchmal ausgesetzt sind. Deshalb ist eine Betreuung wichtig. Genau hier sind die Sozialpädagoginnen besonders gefordert.

Welche Ziele setzen Sie sich mit dem Projekt?
Die jungen Menschen sollen sich bei uns in der Schweiz zurechtfinden und sicher fühlen. Und vor allem: Sie sollen eine Lehre absolvieren und die Möglichkeit haben, ins Berufsleben einzusteigen.

Wie stellt sich die hohe Politik zu diesem Vorhaben?
Erfreulicherweise erhalten wir viele positive Signale zum Projekt. Ende August wird im Grossen Rat über einen Kredit von 10 Millionen Franken entschieden, mit dem die Finanzierung von rund 100 Plätzen für unbegleitete Minderjährige gesichert werden soll.