1500 Schnecken in 50 Jahren

Agnes Lantsch aus Gebenstorf sammelt leidenschaftlich ­Figuren in Schneckenform. Ihr Lieblingsstück ist gross, golden und aus Porzellan.
Agnes Lantsch vor einem Teil ihrer Sammlung. (Bild: pze)

An die erste Schneckenfigur, die sie kaufte, erinnert sich Agnes Lantsch nicht mehr. Man schrieb die 1970erjahre, und die Gebenstorferin kam etwas unverhofft zu ihrem Steckenpferd. «Sie haben mich wirklich fasziniert. Es gibt nicht viele davon, und deshalb habe ich immer wieder eine neue gekauft.» In Souvenirläden und Boutiquen fand sie verschiedene Figürchen. «Sie haben mir einfach gefallen, und ich schaue sie auch heute noch immer gern an.»

Dafür braucht es etwas Zeit, denn in den vergangenen 50 Jahren sind über 1500 zusammengekommen. In drei beleuchteten Vitrinen warten die Schnecken auf Besucherinnen und Besucher. Die kleinsten messen keine 2 Zentimeter im Durchmesser, die grössten über 40. Sie bestehen aus verschiedensten Materialien: Holz, Stein, Metall, Kristallglas, Filz, Wachs, Ton, Blech, Kerzenwachs, Muranoglas, Alabaster und Stoff. Sogar aus Zwiebelschalen und einem echten Schneckenhaus. Ohrringe und eine Haarspange fallen ebenso auf wie die bunte Tiffany-Lampe.

Nichts deutete auf die spätere Leidenschaft hin
Zu jedem der Kunstwerke gibt es eine Geschichte. Manche haben die drei Kinder von Agnes Lantsch gebastelt. Andere sind Feriensouvenirs aus dem Tessin oder Mitbringsel von einem Ausflug nach Genf. Darunter sind auch Geschenke, etwa ein grosses, goldenes aus Porzellan, ein Geschenk von Ruedi, ihrem verstorbenen Ehemann. «Das ist mein Liebling», hält die stolze Sammlerin fest.

In der Jugend der heute 85-Jährigen deutete nichts darauf hin, dass einmal kriechende Weichtiere ihre Passion werden könnten. Denn in Birmenstorf, wo sie mit sieben Geschwistern, Hasen und Hühnern gross wurde, gab es höchstens im Rebberg sogenannte Deckelschnecken. Diese waren so zahlreich, dass man sie zusammentragen konnte wie Steine. Händler holten sie ab und verkauften sie an die Badener Kurhotels, wo Kranke und Geschwächte diese Delikatesse verspeisten. Für die Familie Biland waren die Weinbergschnecken ein willkommener Zustupf zum knappen Haushaltsbudget.

Weder auf dem kleinen Acker noch im Baumgarten und auch nicht auf dem Pflanzplätz gab es damals «Hüslischnägge» und erst recht keine schleimigen Nacktschnecken. Als Ungeziefer galten damals Kartoffelkäfer und Maikäfer, welche die grosse Kinderschar im und nach dem Zweiten Weltkrieg ablas und der Gemeindesammelstelle übergab.

Kein Fan von echten Schnecken: Agnes Lantsch. (Bild: pze)

Schnecke aus der Karibik
Die wertvollsten Stücke sind wohl jene aus funkelndem Swarovski-Glas, die in der Vitrine ausgestellt gut zur Geltung kommen. Plüschschnecken trösten kleine Kinder, bis sie wieder lachend Holzspielzeuge an einer Schnur hinter sich herziehen. Natürlich auch diese als Schnecke gestaltet.

Besondere Erinnerungen hat Agnes Lantsch an die Herstellung einer Schneckenfigur in der Karibik. Dort wohnte ihre Tochter eine Zeit lang. Weil der Handwerker sich nichts unter ihrem Wunsch vorstellen konnte, zeichnete sie eigenhändig eine Schnecke. Anderntags schon war das Kunstwerk aus schwerem Holz fertig. Es ähnelte dem Vorbild nicht, geriet nach dem Geschmack der Gebenstorferin viel zu spitzig – angeblich weil es in der Karibik keine Schnecken wie bei uns gibt.

Die Sammlung als Ganzes ­ weitergeben
Auch was die Charaktereigenschaften angeht, passen Schnecken eigentlich nicht zu Agnes Lantsch. Schneckentempo und Schneckentänze sind nicht ihre Sache. Viel lieber packte sie an, ob als langjährige Köchin im Sommerlager von Jungwacht/Blauring Gebenstorf, beim legendären Turnerinnensportverein Birmenstorf oder im Samariterverein Birmenstorf. Das Zusammensein mit Gleichgesinnten in ihrem Heimatdorf führte zu zahllosen Festen. Unvergessen ist der wirklich wilde Wildsauball in der alten Turnhalle. Aus diesen Vereinsaktivitäten entstanden weitere Sammlungen, zum Beispiel von Zeitungsartikeln – auch aus den Effingermedien – über 50 Jahre Dorfentwicklung und Dorf­geschichte. Gleichzeitig mit einer Sammlung von Postkarten mit Sujets aus der Region hat Agnes Lantsch diese Quellensammlung der Birmenstorfer Sammlung Ortsmuseum übergeben.

Zurück zu der 1500 Stück umfassenden Schneckensammlung. Agnes Lantschs drei Kinder, sieben Enkel und drei Urgrosskinder haben andere Interessen. Deshalb würde sie sich freuen, die Sammlung als Ganzes einer Institution oder einer interessierten Privatperson weiterzugeben. Das gestaltete sich bis anhin schwierig, denn Kontakte zu Gleichgesinnten bestehen nicht.

Übrigens ist die Sammlerin noch immer kein Fan von lebenden Schnecken, obwohl in ihrem Garten eine aus Ton steht, überragt von einer Eulenfigur. Gerade vor dem Besuch der Effingermedien habe sie zwei gefrässige Zeitgenossen von ihrem Salat geholt.