«Dafür braucht es sehr viel Biss»

2014 eröffneten Claudio und Regula Cassano ihre Galerie im Areal der Schreinerei Spicher in Brugg. Das Kulturlokal ist ein angesagter Treffpunkt.

Zwei riesige, kreisförmige Leuchtobjekte ziehen die Blicke auf sich, inbesondere wenn Besucherinnen und Besucher die Galerie Immaginazione abends betreten. Beide sind aus Kupfer geschaffen. Bei einem davon hat Lichtkünstler Claudio Cassano blätterartige Elemente mit der Blechschere hineingeschnitten und sie mit Achatsteinen unterlegt. Das Kunstwerk trägt den treffenden Titel «Kraftpunkt». Denn es verbreitet nicht nur stimmungsvolles Licht, sondern spendet beim Betrachten auch Kraft und Energie. Seit über 30 Jahren macht der 56-jährige Cassano nun schon Kunst mit Licht. Und ist für seinen eigenwilligen Stil bekannt. Im hinteren Teil der Galerie gibt es einige Objekte mit raffiniert reflektierenden Spiegeln und Totenköpfen zu entdecken. Im Kontrast dazu stehen die Malereien und Skulpturen von Sonja Riemer, die überall im Raum verteilt sind. Dieses stimmungsvolle Ambiente mit wechselnden Exponaten zieht Woche für Woche Gäste aus der ganzen Region an. Jeweils am Donnerstag lädt das Ehepaar Cassano ab 16.45 Uhr zu «Kunst & Apéro» ein. Der ungezwungene Event gehört für viele Gäste zum Fixpunkt in ihrer Agenda. Geplant sind erweiterte Öffnungszeiten an verschiedenen Freitagen im Jahr. Demnächst wieder am 20. Dezember – dann wird das Publikum zur Dance-Night mit DJ D & Don Amato willkommen geheissen.

Von Saas Fee zurück nach Brugg
Die Galerie Immaginazione an der Aarauerstrasse 96a existiert seit zehn Jahren. Sie liegt etwas versteckt im hinteren Teil des Spicher-Areals, wo Cassano seit Langem sein Atelier hat. Vor deren Eröffnung betrieb er mit seiner Frau Regula fünf Jahre lang eine Galerie in Saas Fee, in der wie in Brugg neben den eigenen Lichtobjekten Werke von Kunstschaffenden in unterschiedlichsten Techniken und Materialien gezeigt wurden. Beim modernen Anbau hatte das Paar Mitspracherecht. Zentral im grossen Raum ist die Bar, die über die Jahre und mit zunehmender Gästezahl stetig erweitert wurde. Dort werden an Anlässen Getränke und Snacks serviert. Wer inmitten von Kunst ein Fest oder einen Geschäftsanlass in speziellem Ambiente veranstalten möchte, kann die Galerie mieten. Gerade im Herbst/Winter ist sie am Wochenende oft ausgebucht. Unlängst fand sogar eine Abdankung statt. Für Cassano, der eine Weiterbildung in Kulturmanagement gemacht hat, läuft es sowohl mit der Kunst als auch der Galerie Immaginazione gut. Trotzdem begleitet ihn stets die Ungewissheit. «Wer glaubt, man könne sich irgendwann auf seinen Lorbeeren ausruhen, liegt falsch. Wir müssen ständig weitermachen und neue Ideen entwickeln. Dafür braucht es sehr viel Biss», sagt er. 

Erfindergeist und Handwerkskunst
Wenn Claudio Cassano eines seiner Kunstwerke gestaltet, weiss er nie im Voraus, ob er es verkaufen wird oder nicht. Anders ist es bei seinen Auftragsarbeiten von Privatkunden und Firmen. Werke von ihm stehen beispielsweise am Flussufer in Stilli zwischen dem Eventlokal Riviera und einem Wohnhaus. Dort hat er einen 11 Meter langen Fischschwarm aus Stahl kreiert. Für ein Bürogebäude in Schinznach-Dorf schuf er ein riesiges Lichtobjekt aus gepressten Pflanzen und alten Weinfässern, weil die Firmeninhaber eigenen Wein produzieren. Punkto Materialien kennt der Mann keine Grenzen. Ständig tüftelt er an neuen Kombinationen. In letzter Zeit arbeitet er viel mit Bronze. Er schweisst, brennt, schneidet, lötet, schmiedet und hämmert. Bei den handwerklichen Arbeiten kommt ihm sein erlernter Beruf als Spengler zugute, auf dem er nur wenige Jahre arbeitete, bevor er sich mit 24 Jahren als Künstler selbstständig machte. «Ich fand damals für meine erste eigene Wohnung kein Lichtobjekt, das mir gefiel. Deshalb baute ich kurzerhand mein eigenes zusammen», erinnert er sich. Die Reaktionen darauf waren so begeistert, dass er weitere Objekte gestaltete. So fing alles an.

Ausstellungen in Brugg und Aarau
Claudio und Regula Cassano waren Mitveranstalter der legendären «Art Bar» in Brugg, die von 2003 bis 2013 über die Bühne ging und das Who’s Who der Schweizer Musik- und Kunstszene vereinte. Ebenfalls zehn Jahre organisierten sie die Ausstellung «Kunst auf dem Schrottplatz» mit. Und jetzt feiern sie das erste Jahrzehnt ihrer Galerie Immaginazione. Zum Jubiläum findet vom 5. Dezember 2024 bis zum 6. März 2025 eine Ausstellung mit 30 Künstlerinnen und Künstlern statt, die grösstenteils schon einmal vor Ort präsent waren. Am Graben 33 in Aarau betreiben sie ab dem 9. Dezember eine Pop-up-Galerie, in der Werke von acht Kreativschaffenden zu sehen sind. Zudem gibt es an beiden Orten ein reichhaltiges Rahmenprogramm mit Künstlertalks, Workshops und Live-Painting. Am Donnerstag, 19. Dezember, geht um 16.45 Uhr in der Brugger Galerie der traditionelle Weihnachtsapero über die Bühne, der unter dem Motto «Moscato, Dolci und Musica Italiana» steht. Alle Infos zum Jubiläumsprogramm sind auf immaginazione.ch ersichtlich.