Chancen und Risiken von KI

Am vergangenen Donnerstag war der ETH-Professor Roland Siegwart in Windisch für ein Gespräch über künstliche Intelligenz zu Gast.
Der ETH-Professor Roland Siegwart diskutierte über künstliche Intelligenz und Roboter. (Bild: af)

Als Gastgeber fungierte Mathias ­Binswanger, seines Zeichens Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Er übernahm gewissermassen die Moderation des Gesprächs in der Campusbar der FHNW, wobei der Dialog auch offen war für Fragen der anderen Anwesenden. Dabei tauchten verschiedene Fragestellungen im Bezug auf die künstliche Intelligenz (KI) auf, und es wurde beinahe philosophisch. 

Kaffee holen
Gleich zu Beginn stellte Siegwart fest, dass KI nichts Neues sei, aber erst mit dem Aufkommen von Chat-GPT könnten sich die Menschen etwas unter KI vorstellen. Siegwart, der sich hauptsächlich mit Robotik auseinandersetzt, erzählte von den Anymals, den Roboterhunden, die an der ETH entwickelt werden. Diese Roboter orientieren sich in ihren Bewegungsabläufen an echten Hunden. Dabei ist die Programmierung eines solche Roboters äusserst anspruchsvoll. Einem menschenähnlichen Roboter könne man nicht einfach sagen: «Hol einen Kaffee!» Einen solchen Prozess müsse man in viele kleine Abläufe zerlegen. Dabei könne Chat-GPT helfen. Ma­thias ­Binswanger ergänzte, Chat-GPT habe zudem endlos Geduld, was bei einem Menschen nicht immer gegeben sei. 

Nützliches Werkzeug
Eine weitere Frage bezog sich auf die Beziehung zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz. Siegwart meinte, die KI sei noch sehr weit von der menschlichen Intelligenz entfernt. «Unsere Entwicklung der Intelligenz hat sehr viel mit unserer Motivation, unseren Gefühlen und unserem Selbstbewusstsein zu tun, das alles hat die KI nicht.» Die KI sei eben ein sehr nützliches Werkzeug, aber nur ein Werkzeug. 

KI und Medizin
Siegwart war erstaunt, dass KI in der Medizin nicht häufiger genutzt wird. Er machte dazu ein anschauliches Beispiel: Ein Arzt sieht in seinem Leben beispielsweise Hunderte und mit jahrelanger Erfahrung vielleicht sogar Tausende von radiologischen Bildern. Eine KI kann dagegen Millionen von Bildern in kürzester Zeit verarbeiten und aus diesen Daten lernen. Damit könnte die KI sehr schnell eine Indikation für eine ­Diagnose geben. Bei einer Indikation gebe es stets einen Unsicherheitsfaktor, das heisst, die KI würde eine Diagnose stellen und dazu sagen, zu wie viel Prozent diese Dia­gnose wahrscheinlich sei. Auf dieser Basis hat der Arzt dann einen An­haltspunkt. 

Intelligenz versus Kontrolle
Siegwart erklärte, alle könnten davon profitieren, wenn alle Menschen ihre medizinischen Daten der KI zur Verfügung stellten. Sowohl Binswanger als auch ein weiterer Gast wendeten ein, dass es eine Frage der Kontrolle sei, wer diese Daten verwalte und Zugriff darauf habe. Das könne dazu führen, dass Versicherungen Kunden abwiesen oder Arbeitgeber jemanden nicht einstellten, weil dieser ein erhöhtes Risiko habe zu erkranken. Es gehe gewissermassen um den gläsernen Menschen versus die Menschlichkeit. Die Menschlichkeit hat man bei KI stets im Hinterkopf. Denn Siegwart forscht an der ETH auch mit und an Drohnen, die für ihn im Prinzip nichts anderes als Roboter sind. Er erzählte: «Für unsere Forschungsgruppe war es eigentlich überraschend, dass Drohnen erst jetzt im Krieg eingesetzt werden.»

Frage der Verantwortung
Die Frage, die im Gespräch immer wieder aufkam, war die nach der Verantwortung. Wenn ein Roboter oder eine Drohne jemanden tötet, sei es aus Versehen zum Beispiel ein Pflegeroboter oder mit Absicht mit einer Kriegsdrohne, wer übernimmt dann die Verantwortung? Der Entwickler? Der Programmierer? Gibt es eine Aufsichtspflicht? Einen Vorteil konnte Siegwart immerhin hervorheben, wenn es um Unfälle beim autonomen Fahren geht. Die KI sammelt allerhand Daten und gerät nie in einen Schockzustand oder verliert das Bewusstsein. So kann man bei einem Autounfall alle Daten genau auswerten, während ein Mensch nach einem Unfall sich allenfalls nicht mehr an den detaillierten Ablauf erinnern kann.