Ein Ort der rituellen Reinigung

Mit der Endinger Mikwe, einem ehemaligen Tauchbad, bekommt das Projekt Doppeltür einen wichtigen Mosaikstein.
Lukas Keller (rechts), Präsident der Stiftung Doppeltür, zeigt Jules Bloch, ­Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Endingen, ein historisches Eintritts­billett für die Benutzung der Mikwe. (Bild: bkr)

400 Jahre Zusammenleben von Christen und Juden in Endingen und Lengnau – eine Geschichte mit Höhen und Tiefen. Menschen von heute in diese Zeiten eintauchen zu lassen und eine Brücke zwischen gestern und heute zu schaffen, sind die Ziele des Vereins und der Stiftung Doppeltür. Mehr als ein Jahr bevor das Ausstellungs- und Vermittlungszentrum in Lengnau seinen Betrieb aufnimmt, es entsteht im ehemaligen Konsum-Gebäude, wurde dieser Tage in Endingen ein wichtiges Element jüdischen Glaubens und jüdischer Kultur der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: die Mikwe. Bei ihr handelt es sich um ein Badehaus, dessen Tauchbäder der körperlichen und spirituellen Reinigung dienten.

Untergebracht ist die Mikwe direkt neben der östlichen Surbbrücke am Mühleweg in einem unscheinbar anmutenden zweistöckigen Gebäude. Erbaut wurde es 1867 vom Badener Architekten Caspar Josef Jeuch (1811–1895). Der Badener entwarf unter anderem die Kirche Leuggern, das Badener Hotel Verena-Hof und verschiedene Aargauer Schulhäuser. In diesem Zusammenhang interessant sind die Namen Otto Dorer und Adolf Füchs­lin. Diese beiden Badener Architekten waren ebenfalls über die Konfessionsgrenzen hinaus tätig. 1889 hatten sie die Verantwortung für die katholische Kirche Gebenstorf und 1912 für die Badener Synagoge.

Einziges öffentliches Tauchbad
Das Haus mit der Mikwe – 2006 umfassend renoviert – konnte der Verein Doppeltür 2022 dank einer grosszügigen Spende erwerben. Der Verein mit seiner Präsidentin Ester Girsberger ist für den Betrieb des Begegnungszen­trums, den jüdischen Kulturweg sowie Veranstaltungen und Ausstellungen zuständig – die Stiftung für den Immobilienbesitz, in deren Eigentum sich die Mikwe inzwischen befindet. Unter den Gästen der kleinen Einweihungsfeier am vergangenen Sonntag war auch Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Israelitischen Gemeindebunds. Er betonte die Bedeutung und die Einzigartigkeit der Endinger Mikwe: «Es ist das einzige Tauchbad in der Schweiz, das der Öffentlichkeit zugänglich ist.» Eine wichtige Rolle an der Feier kam Jules Bloch zu, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Endingen. Er brachte an der Eingangstür die Mesusa an. Das ist ein Pergament mit einem Segensspruch und entspricht ungefähr dem christlichen Segen «Christus mansionem benedicat» («Christus segne dieses Haus») am Dreikönigstag.

Endinger Badearzt
Im Inneren des Gebäudes trifft man auf eines der ursprünglich drei Tauchbäder. Mit Infotafeln sowie audio­visuell wird erklärt, wann und wie das Bad benutzt wurde. Speziell am Haus ist, dass sich in seinem Obergeschoss eine Wohnung befunden hatte. Diese nutzen die Ausstellungsmacher, um das Thema Baden und Wasser in einen breiteren Kontext zu stellen. So erfährt man, dass der Endinger Arzt Franz Hermann Keller (1858–1930) ein Mitgründer des Rheinfelder Thermalbads war, das Ende des 19. Jahrhunderts als Grand Hôtel des Salines au Parc eröffnet wurde. Zugänglich ist die Mikwe im Rahmen von Führungen oder individuell gegen Eintritt.