Long Covid: Neue Wege der Unterstützung

Die Fachhochschule ­Nordwestschweiz führt erstmals eine Weiterbildung zu Long Covid sowie ME/CFS durch.
Long Covid im Fokus: Weiterbildung an der FHNW. (Symbolbild: Drazen – stock.adobe.com)

In der Schweiz leiden etwa 400 000 Menschen an Long Covid, davon sind ungefähr 60 000 stark betroffen. Die Erkrankungen haben erhebliche soziale Dimensionen, da viele Betroffene Akzeptanzprobleme erfahren und häufig in ihrem Alltag stark eingeschränkt sind. 

Das Thema Long Covid erkämpft sich langsam Akzeptanz
Auch die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat diese Problematik erkannt und führt erstmals im Frühjahr 2025 eine Weiterbildung durch. Das Fachseminar B107 ist eine modulare Onlineweiterbildung in vier Modulen zum Thema Long Covid und myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Zielgruppe sind Fachpersonen aus den Bereichen soziale Arbeit, Gesundheitswesen, Bildung, Psychotherapie und Sozialversicherung sowie Betroffene. Die Weiterbildung zielt darauf ab, interdisziplinäres Fachwissen zu vermitteln und praktische Hinweise für die psychosoziale Beratung von Betroffenen zu geben.

Weiterbildung umfasst vier ­Module
Das erste Modul (13. März 2025) befasst sich mit den medizinischen Grundlagen zu Long Covid und Pacing. Modul 1 bildet die Wissensgrundlage und ist die Voraussetzung (Pflichtmodul) für die weiteren Module. Am 20. März 2025 (Modul 2) werden psychologisch-psychotherapeutische Perspektiven und soziale Dimensionen für Erwachsene mit Long Covid beleuchtet. Modul 3 am 27. März 2025 behandelt die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte und die Unterstützung im Kontext der Spitex. Das letzte Modul findet am 3. April 2025 statt. Hier geht es um die Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit Long Covid und ME/CFS. Die Module sind so gestaltet, dass sie den Teilnehmenden helfen, die spezifischen Herausforderungen bei der Begleitung von Long-Covid- und ME/CFS-Betroffenen besser zu verstehen und geeignete Unterstützungsansätze zu entwickeln. Die gesamte Weiterbildung findet online statt und bietet Raum für den Austausch von Erfahrungen. Eine Teilnahmebestätigung wird am Ende der Weiterbildung ausgestellt.

Modul 4: Kinder und Jugend­liche mit Long Covid und ME/CFS
Wie begleiten Fachleute betroffene Kinder, Jugendliche und ihre Familien adäquat, und welche Herausforderungen stellen sich hierbei? In diesem Modul werden Inputs und Lösungsansätze zu den Bereichen Alltag/Tagesstruktur, Schule, nachschulische Lösungen und Kindesschutz aufgezeigt. Das Modul wird geleitet von der Fislisbacherin Vanessa Kleeb (Soziale Arbeit FH, Beratung von betroffenen Familien und Fachpersonen, Lernbegleiterin Homeschooling, bis 2024 Beirat Long Covid Kids Schweiz) sowie von Nadine Herren (Soziale Arbeit FH, tätig im Kindesschutz der Stadt Zürich, Beirat Long Covid Kids Schweiz).

Betroffene von Long Covid sind zunehmend frustriert und erschöpft. (Symbolbild: ARBA – stock.adobe.com)

Es hat sich nicht viel gebessert
Nach dem «Rundschau»-Artikel vom 12. Juni über Kinder, die an Long ­Covid erkrankt sind, haben wir ­Vanessa Kleeb gefragt, was sich seither getan hat. 
«Leider hat sich nicht viel verbessert», so Vanessa Kleeb. «Im Gegenteil: Viele Kinder, die zunächst wieder gesundet schienen, haben sich erneut infiziert und sind nun wieder – mal mehr, mal weniger stark – krank zu Hause. Fachleute, Eltern und die betroffenen Kinder selbst sind zunehmend frustriert und erschöpft. Die Forschung hat sich nur begrenzt weiterentwickelt, und die Behandlungsmöglichkeiten sind oft nicht für alle geeignet.

Viele der als hilfreich erachteten Ansätze haben sich als nur beschränkt oder gar nicht wirksam erwiesen. Zudem kommt es nach wie vor zu Fehlbehandlungen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Der Druck von Schulen sowie die Erwartungen der Eltern und Fachleute an eine schnelle Genesung – ‹Da muss doch endlich etwas geschehen!› – führen häufig zu weiteren Fehlbehandlungen und verschlimmern zum Teil den Gesundheitszustand der Betroffenen. Long Covid passt einfach nicht in unsere leistungsorientierte Gesellschaft und zu den Therapieoptionen, die wir bisher bei Erkrankungen angewandt haben.»

Um dem entgegenzuwirken, haben sich Fachleute zusammengeschlossen und planen für den kommenden Frühling eine umfassende Weiterbildungsreihe an der FHNW. Diese wird online angeboten, um möglichst viele Teilnehmende einzubeziehen, einschliesslich der teilweise selbst betroffenen Dozierenden. Die Weiterbildung richtet sich an Fachkräfte aus allen Be­reichen, die mit an Long Covid oder virusbedingter Fatigue/ME-CFS erkrankten Menschen arbeiten oder sich darin weiterbilden möchten. Auch Betroffene sind willkommen. 

Der Kurs besteht aus dem ersten Pflichtteil, der sich mit den medizinischen Grundlagen sowie Therapie- und Verhaltensansätzen beschäftigt. Anschliessend können drei separate Nachmittagsmodule gebucht werden, die sich entweder mit Themen eher für Erwachsene oder speziell mit den Herausforderungen bei Kindern und Jugendlichen befassen. In diesem letztgenannten Teil wird Vanessa Kleeb als Dozentin mitwirken.

«Wir werden nicht nur die Themen Schule und Kinderschutz behandeln – ein Aspekt, der leider immer wieder zur Sprache kommt. Es wird auf Fragen eingegangen wie: Was mache ich mit einem schwer erkrankten Kind, das plötzlich erschöpft im Bett liegt und kaum am Familienleben teilnehmen kann? Wie kann ich mein Kind über Monate oder Jahre betreuen, während ich berufstätig sein müsste, weil niemand sonst die Kosten übernimmt? Wie fördere ich ein geistig schnell erschöpftes Kind, ohne es zu überfordern? Und was ist mit einem Jugendlichen, der die Schule in Abwesenheit offiziell beendet hat und für den sich niemand mehr zuständig fühlt, nicht einmal die IV, weil deren Bedingungen (noch) nicht auf diese Krankheit abgestimmt sind? Viele solcher Fragen werden wir ansprechen sowie Beispiele und Lösungsvorschläge bringen. Wir hoffen, damit einen weiteren Schritt in Richtung besserer Behandlungsmöglichkeiten zu gehen. Im schulischen Bereich beziehen wir uns dabei auch auf das Faktenblatt des Bundesamts für Gesundheit, an dem ich als Expertin mitgearbeitet habe und das seit Kurzem in der ganzen Schweiz an alle Fachpersonen im schulischen Bereich verteilt wird. Es ist ebenfalls auf der Website des Vereins von Long Covid Schweiz zu finden (longcovidinfo.ch).»

Die Kursbeschreibung sind zu finden auf fhnw.ch/de/weiterbildung/soziale-arbeit/9761822, Anmeldeschluss ist der 31. Januar 2025.

Vanessa Kleeb möchte ausserdem darauf hinweisen, dass die Initiantinnen des Vereins Long Covid Schweiz, vertreten durch die Präsidentin Chantal Britt, kürzlich den Prix Courage der Fachzeitschrift «Beobachter» gewonnen haben.