Jane Mumford, Sie treten seit 2021 mit dem Programm «Reptil» auf. Wie viele Tierwitze in Interviews können Sie noch hören?
Ich warte immer noch auf einen richtig guten.
Und was ist Ihr Lieblingsreptil?
Im Programm kommen ja explizit keine Schlangen vor. Meine Lieblingsreptilien sind die kleinen Eidechsen, die sich auf der Mauer sonnen. Ich finde, sie haben ein super Leben, liegen einfach dort, haben sehr wenige natürliche Feinde und geniessen die Sonne.
Worum geht es in Ihrem Stück? «Reptil» klingt als Titel eher abstrakt.
In dem Stück geht es um die Menschheit. Gar nicht so sehr um spezifische Menschen, sondern um grössere Gruppierungen. Ich nehme die Position einer Wissenschaftlerin ein und beobachte, was wir Menschen auf der Erde machen: wie wir uns benehmen, gerade in der Schweiz – als kleine Insel in einer grossen Gemeinschaft –, und natürlich wie wir uns fortpflanzen, wie wir uns verlieben und wie wir uns für Sachen begeistern.
Wofür genau begeistern wir uns denn?
Zum Beispiel für Verschwörungstheorien. Welcher Teil von uns hat ein Verlangen nach solchen absurden Geschichten? Aber es geht auch darum, wie man Sinn in seinem Leben findet. Ich möchte aus einer Aussenperspektive das menschliche Leben beleuchten.
Verschwörungstheorien sind ein gutes Stichwort. Im Programm sprechen Sie über Reptilienmenschen.
Genau. Wie bauen wir uns unser Leben auf, und wie viel Mensch steckt überhaupt in uns. Die Echsenmenschen sind wirklich eine super Verschwörungstheorie. Wer sich das ausgedacht hat, dem würde ich gern die Hand schütteln und ihm gratulieren. Dass sich die Leute so viel Zeit nehmen, um sich so etwas vorzustellen, freut mich sehr. Die Vorstellungskraft von uns Menschen ist wirklich unglaublich. Und ich hoffe, dass mein Publikum die gleiche Vorstellungskraft mitbringt.
Schauen Sie sich das Publikum noch einmal an, bevor Sie die Bühne betreten?
Ich passe mich eher den Publikumsinteraktionen an, die es im Stück gibt. Ich spreche niemanden in der ersten Reihe an, wenn sie sichtlich nervös scheinen. Aber wenn sich die Möglichkeit ergibt, ist es super, schon einmal einen Blick vor den Vorhang zu riskieren, um die Grundstimmung zu fühlen.
Spielt der Ort eine Rolle bei Ihren Auftritten?
Man darf das Publikum nicht für sensibler halten, als es ist. Und man darf den Leuten bei einer Comedyshow ruhig mehr zutrauen.
In einem Interview haben Sie erzählt, dass es im Programm um die grundlegenden menschlichen Dinge gehe, und wenn man diese Themen gut verpacke, dann erreiche man damit jedes Publikum.
Es hat schon eine Allgemeingültigkeit, wir Menschen führen fast alle dasselbe Leben. Es gibt zwar Kleinigkeiten, die sich unterscheiden, aber unsere Grundmotivationen sind Liebe und die Angst vor dem Tod. Und davon kann sich niemand frei machen.
Liegen die Unterschiede beim Publikum vielleicht auf einer grösseren Ebene? Sie waren Ende letzten Jahres in Schottland an einem Comedyfestival.
Beim Edinburgh-Fringe-Festival schauen alle so viele Shows pro Tag. Man sieht es denjenigen an, die showmüde sind. Hier gibt es grosse Unterschiede im Publikum.
In der Schweiz ist das Publikum sicherlich am höflichsten. Es ist auch das ruhigste, bis es sich die Erlaubnis zum Lachen gibt. Wenn es eine Gruppe hat, die Gas gibt, dann geben alle Gas. Und wenn niemand lacht, dann dauert es sehr lang, bis sich die anderen trauen.
Ist das in unseren Nachbarländern anders?
In Österreich sind die Leute von Anfang an sehr gut drauf. Ich würde sehr gern sagen besoffen, aber das wäre vielleicht unfair. Sie kommen einfach mit einer viel besseren Grundstimmung. In Deutschland ebenfalls, dort wissen die Leute, sie gehen jetzt etwas Lustiges sehen und haben eine gute Zeit. In der Schweiz fragt man sich eher aus Rücksicht, ob man jetzt eine gute Zeit haben darf. Die Leute machen sich zu viele Gedanken.
Sie sind bereits länger mit «Reptil» auf Tour. Wie lang arbeitet man von der ersten Idee bis zur Premiere an einem Comedyprogramm?
Es kann sein, dass man die zündende Idee Jahre im Voraus hat, und dann wartet man darauf, dass sich eine Form darum herum aufbaut. «Reptil» ist relativ schnell entstanden. Ich hatte viele Jahre nur Kurzauftritte, dadurch staut sich viel Material an. Dann kam die Coronapandemie, und ich hatte jede Menge Zeit zum Schreiben.
Mein neues Stück «Leben», das vor Kurzem Premiere feierte, ist mit einem viel klareren Bild entstanden. Bei «Reptil» hat sich der rote Faden erst langsam entwickelt. Zu Beginn der Arbeit wusste ich noch gar nicht, was es ist.
Wie aus einem Ei geschält?
Wirklich. Man weiss, es ist etwas drin, aber noch nicht genau, was. Es gibt so viele Wege, um zu einem Stück zu kommen, es ist fast magisch.
Reptilien gibt es seit ungefähr 300 Millionen Jahren auf unserem blauen Planeten. Wie langlebig ist so ein Comedyprogramm?
Man passt auf jeden Fall Sachen im Laufe der Zeit an. Alle Coronathemen, die 2021 noch interessant waren, sind heute nicht mehr im Stück. Das wollen die Menschen nicht mehr hören.
Auch die Verschwörungstheorien wurden leicht angepasst, je nachdem was gerade in der Presse verbreitet wird. Das hält das Stück aktuell und holt die Menschen ab. Es gibt Kunstschaffende, die bei der Premiere wissen, wann die Dernière ist, aber ich spiele Sachen so lang, wie man sie möchte. Mein Auftritt in Brugg ist aber wahrscheinlich die letzte Chance, das Stück noch in der Schweiz zu sehen.
Muss man aufpassen, dass man die Witze nicht verwechselt, wenn man mit mehreren Programmen tourt?
Ich lese das Programm komplett noch einmal durch. Aber die Erzählungen unterscheiden sich so stark, dass man nicht aus Versehen in das andere Programm wechselt. Und falls es trotzdem passiert, bekommt das Publikum 2 für 1.
Dann muss man danach nochmal beim Publikum abkassieren.
Leider waren das jetzt zwei Shows, sorry. (Lacht.)
«Reptil» wurde 2022 für den Swiss Comedy Award nominiert. Möchte man vielleicht sogar gewinnen?
Die Nomination ist etwas sehr Schönes, weil es eine Wertschätzung von Berufskollegen und -kolleginnen ist. Ich hätte nichts dagegen gehabt zu gewinnen.
Freut man sich über die Anerkennung?
Je mehr Preise man in unserer Branche vorweisen kann, desto mehr kommen die Leute mit der Haltung: «Das ist gut.» Dann ist das Publikum von Anfang an entspannter und hat eine gute Zeit. Die Leute trauen weniger ihrem eigenen Gefühl, sondern sind froh, wenn jemand anderes es für sie einordnet und bestätigt. Wie wenn der Konsumentenschutz bestätigt: Ja, das ist ein lustiges Programm. Dann sind die Leute beruhigt.
Hat es einen positiven Effekt für die Karriere?
Geld gibt es nicht, aber es ist sehr gut für das Publikum. Man kann leider bei uns nicht wie in der Filmwelt auf das Plakat schreiben: «Nominiert für …». So ist es einfach nur schön für das eigene Gefühl.
Es gibt also keine Urkunde für das Teilnehmen.
Leider gibt es kein Sticker ins Heft: «Dabei sein ist alles.»
Fühlen Sie sich wohl im Rampenlicht? Reptilien wärmen sich ja in der Sonne.
Ich wärme mich auch im Rampenlicht. Ich hätte früher nicht gedacht, dass mir das so viel Spass macht, auf der Bühne zu stehen. Gerade in Zeiten der Digitalisierung und der Isolierung ist es sehr schön, einen Abend lang mit vielen Menschen in einem Raum zu sein und gemeinsam die wichtigen Themen durchzugehen. Ich finde es wirklich magisch. Selbst wenn das Publikum eher ruhig ist, spürt man, es ist da, es hört zu.
Sie übernehmen als Stand-up-Comedian und Kabarettistin auch Moderationsjobs. Könnten Sie sich vorstellen, als Schweizer Komikerin einen Grossevent zu moderieren, zum Beispiel in Basel?
Beim Eurovision Song Contest habe ich natürlich auf einen Anruf gewartet, der leider nicht gekommen ist. (Lacht.) Aber ich finde, sie haben die Moderation ganz gut ausgewählt.
Ich moderiere seit fast zehn Jahren das Fantoche-Filmfestival für Animationsfilme in Baden. Das Moderieren macht mir extrem viel Spass. Und ich habe in Zürich meine eigene Show mit dem Titel «That’s Fintatainment!». Dort darf ich jeden Monat Newcomer und gestandene Künstlerinnen ansagen. Einen Abend lang Gemeinsamkeit schaffen, das ist etwas, was ich sehr gern mache.
Es läuft seit zwei Jahren. Hat sich das Format etabliert?
Man schafft wunderschöne Verknüpfungen in der Szene an diesen Abenden. Und es ist toll, hinter der Bühne für einmal so viele Finta-Personen (Frau, inter, non-binary, trans und agender people) zu haben. Ich kann die Veranstaltungen, an denen mehr als eine Frau im Programm gewesen ist, an einer Hand abzählen. Von non-binären Personen ganz zu schweigen. Bei uns im Millers Theater kann jedes Genre vorkommen, und das Publikum hat auf alles Bock.
Was ist neben der Deutschlandtour mit «Reptil» in diesem Jahr noch geplant?
Wir veranstalten im Casino-Theater Burgdorf eine Aufwärmshow für die Fussballeuropameisterschaft im Sommer. Das wird eine Talkshow mit Gästen aus dem Sport und der Politik. Sie heisst «Kei Ahnig!». Das ist genau für Leute wie mich, die eigentlich keine Ahnung vom Fussball haben, aber begeistert sind, dass das Turnier in diesem Jahr in der Schweiz stattfindet.
Haben Sie Tickets für die Women’s Euro 2025?
Ja, obwohl die super schnell weg waren. Vielleicht hat man sich etwas unter Wert verkauft. Die Weltmeisterschaft 2023 in England hat gezeigt, dass es längst kein Nischenevent mehr ist.
Und worauf darf sich Ihr Publikum noch freuen?
Wenn man an diesem Abend nach Brugg kommt, wird man die Entstehung des Schweizer Tourismus sehen, einen Schlangentanz ohne Schlange sehen, einen Song über Bunker hören und erfahren, wo sich die Schweizer und Schweizerinnen am ehesten verlieben.
An den Aargauer Bunkertagen vielleicht?
Nein (lacht). Und für diejenigen, die es nicht ins Odeon schaffen, gibt es das Buch «Reptil – ein kaltblütiges Libretto». Es ist eine erweiterte Fassung des Programms mit Illustrationen von mir.
Donnerstag, 13. März, 20 Uhr, Odeon Brugg